„Wir müssen CO2-Senken aufbauen“, sagt Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung bei der DGNB. Und der Bausektor könne daran entscheidend mitwirken. Wie dies gelingt, war das Thema einer Diskussionsrunde auf dem DGNB-Jahreskongress.
Im Mittelpunkt stand der Einsatz von biobasierten Werkstoffen. Dieser gilt als ein wichtiger Hebel, um die Gebäude zu CO2-Speichern zu machen. Das Material, das in diesem Zusammenhang stets als erstes genannt wird, ist Holz. Per Fotosynthese entnimmt ein Baum CO2 aus der Umwelt und lagert es im Fasermaterial ein.
„Je nach Art speichert eine Tonne Holz etwa 600 bis 800 Kilogramm CO2“, berichtet Professor Philipp Bouteiller, Managing Partner bei Artprojekt. Stirbt ein Baum aber, verrottet das Holz und das CO2 wird wieder freigesetzt. Der beste Ort, dieses langfristig zu speichern, sei daher ein Gebäude, so Bouteiller. Holz sollte aus diesem Grund so lange wie möglich in der Gebäudenutzung bleiben. Bouteiller spricht von 100 Jahren und mehr.
Dass der Holzbau wirtschaftlich ist, hat die DGNB vor zwei Jahren in einem Positionspapier zu dem Thema festgestellt. Darin wird auch eine Studie des Umweltbundesamts zitiert, wonach die Verfügbarkeit von Holz in Deutschland langfristig gesichert sei.
Trotzdem ist es nicht sinnvoll, nur auf Holz zu setzen, wenn es um den Aufbau von CO2-Senken geht. Nicht alles sollte aus diesem Material gebaut werden, so Bouteiller. Im Boden etwa habe Holz nichts zu suchen. „Der Stahlbeton hat als Baustoff absolut seine Berechtigung.“
Stroh, Reis und Flachs sind Alternativen zu Holzfasern
Braune weist außerdem daraufhin, dass man sich bei der Verwendung von Naturstoffen nicht ausgerechnet auf die Pflanzenfaser konzentrieren solle, die das langsamste Wachstum hat. Schließlich benötigt ein Baum viele Jahrzehnte um zu gedeihen. Mit Stroh, Reis oder Flachs stehen laut Braune viele weitere Materialien bereit, die als Baustoffe ein großes Potenzial bieten. Bouteiller sieht das genauso. Hanf beispielsweise sei ein „sehr belastbarer und vielseitiger Baustoff“.
Martin Prösler, Mitglied im Präsidium der DGNB, berichtet etwa von einem Startup, das Sandwich-Elemente für die Dämmung aus Biokomposit-Platten produziere. Dabei wird Hanf mit einem Polymer verbunden. Ein anderes Unternehmen stelle verschiedene Baumaterialien aus Reisspelzen her. Generell sei das Angebot an Biokompositen mittlerweile sehr stark gewachsen.
In England und Frankreich wird mehr mit Hanf-Kalk-Gemischen gearbeitet
Besonders für die Kombination von organischen und mineralischen Stoffen sieht Professor Harald Garrecht von der Universität Stuttgart ein großes Potenzial. Er berichtet, dass man sich schon vor 20 Jahren in Deutschland mit der Verwendung von Hanf beschäftigt habe. „Als man in der technischen Entwicklung so weit war, dass man Hanf-Kalk-Gemische spritzen konnte – zum Beispiel für 50-Zentimeter-Wändestärken in Fachwerkhäusern -, wurde der Hanfanbau nicht mehr subventioniert.“ Die Folge: Hanf war nicht mehr in der ausreichenden Menge verfügbar und die Verwendung wurde gestoppt. „In England und Frankreich dagegen wird immer noch sehr erfolgreich mit Hanf-Kalk-Gemischen gebaut.“
Er nennt weitere Möglichkeiten für die Nutzung von Naturstoffen. Bei Ziegeln beispielsweise gebe es die Möglichkeit, Reisspelzen einzubringen. Diese dienen dann als Porosierungsmittel, um die Dämmfähigkeit zu erhöhen. Einer seiner Doktoranden promoviere außerdem zum Einsatz von Reis-Stroh-Beton für Landwirtschaftsbauten. „Da entstehen ganz großartige Dinge“, so Garrecht.
Der Brandschutz ist noch eine Herausforderung
Das Thema Brandschutz sei zwar bei der Nutzung von biobasierten Stoffen oft eine Herausforderung. Doch auch dafür gebe es Lösungen. „Es wird bereits international viel daran gearbeitet, Biomasse mit mineralischen Stoffsystemen zu koppeln, um diese auch unter brandschutztechnischen Aspekten im Bauwesen stärker einsetzen zu können.“
Eine weitere Hürde sieht Bouteiller dagegen noch auf anderem Gebiet. „Wir müssen die Handwerker so ausbilden, dass sie die biobasierten Baustoffe auf der Baustelle auch richtig einsetzen.“ Denn daran scheitere es häufig. „Oft ist es so: Der Architekt hat tolle Ideen, der Bauherr findet diese im Grunde auch gut, aber auf der Baustelle wird dann doch wieder der Bauschaum hervorgeholt.“ ms
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