Fast auf den Tag genau vor 16 Jahren, am 18. September 2005, gewann die CDU/CSU mit 35,2 Prozent der Stimmen die Wahlen zum 16. Deutschen Bundestag. Zwei Monate später stimmten 397 der 614 Abgeordneten für Angela Merkel als neue Bundeskanzlerin. Just zu jener Zeit lag der Gebäude-Energieberater in den Geburtswehen – er startete quasi gemeinsam mit Frau Merkel in die Zukunft, in der Wiege die Hoffnung auf politischen Rückenwind aus dem Kanzleramt bei dem Bemühen, den Gebäudesektor energieeffizienter zu gestalten. Die professionelle Energieberatung steckte damals noch ebenso in den Kinderschuhen wie der Klimaschutz insgesamt. Und das, obwohl der Club of Rome bereits dreißig Jahre zuvor mit dem 1972 veröffentlichten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ eine lebensfördernde, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Zukunft angemahnt hatte.
1972 stand uns die erste Ölkrise erst noch bevor, in deren Nachgang sich hierzulande im Schneckentempo erste zaghafte Verordnungen auf den Weg machten, den Wärmeschutz eines Gebäudes im Auge zu behalten und dessen energetische Effizienz zu verbessern. Aber auch global ging es in Sachen Klimaschutz nur schleppend voran: Als sich am 12. Februar 1979 in Genf Wissenschaftler, Politiker und Behördenvertreter zur ersten Weltklimakonferenz trafen, ging gerade ein eiskalter Winter mit Schneechaos in Norddeutschland zu Ende. Kaum jemand konnte und wollte sich damals vorstellen, der Mensch könne für eine Erwärmung des Klimas verantwortlich sein, wo man doch gerade mit roter Nase und eisigen Händen bibbernd auf dem Bahnsteig stand, weil der Zug in Schneeverwehungen stecken geblieben war.
Immerhin beschlossen die Delegierten damals ein Weltklimaprogramm und stießen die Gründung des Weltklimarats IPCC an. Wie das alles bis heute weiterging, und an was wir gemeinsam schon verzweifelt sind, wissen Sie als geschätzter und treuer Leser des GEB am Allerbesten. In Anbetracht der wenigen Zeilen, die mir diese Kommentarseite zugesteht (kaum hat man sich warm geschrieben, landet man schon in der zweiten Spalte …), möchte ich auf die eingangs erwähnte zeitliche Parallelität mit der Ära Merkel zurückkommen, der man aus unerfindlichen Gründen den Nimbus einer Klimakanzlerin zugesprochen hat.
Ich erinnere mich noch gut, wie sie im Sommer 2007 im roten Anorak gemeinsam mit ihrem Umweltminister Sigmar Gabriel über die Eisschollen Grönlands spazierte und kurz darauf bei einem Kongress die Weltgemeinschaft mahnte: „Wenn wir nichts tun, müssen wir mit erheblichen Veränderungen des Klimas rechnen.“ Und dann kam die Weltwirtschaftskrise, weil sich die Banker verzockt hatten. Dagegen hatte das Klima keine Chance. Der Energieausweis durfte plötzlich nichts mehr kosten, und dem fukushimär bedingten Atomausstieg folgten kopflose Konzepte für den Umbau auf erneuerbare Energien, die sich in mutlosen Ideen wie der Kohlegarantie bis 2038 verloren. Zuletzt dann das Abschlusszeugnis mit dem klaren Vermerk des Expertenrats für Klimafragen: Merkel hat mit ihrer Truppe das Klassenziel beim Gebäudesektor für das Jahr 2020 nicht erreicht – die erlaubte Emissionsmenge wurde um zwei Millionen Tonnen Treibhausgase verfehlt. Nun müssen an ihrer statt die mit dem Gebäudesektor befassten Ministerien nachsitzen und ein Sofortprogramm vorlegen, um das Defizit zu beheben. Von einer Klimakanzlerin darf man sicher mehr erwarten.
Nun dürfen wir gespannt sein, wie es nach dem 26. September weitergeht. Frau Merkel hat dann das Heft nicht mehr in der Hand, aber unsere geneigten Leser nach wie vor. Die GEB-Redaktion wird weiterhin kritisch beäugen, welche Pirouetten die neu gewählte Regierung beim Ringen um Klimaschutz zu drehen gedenkt und ist gespannt, wer als Sieger aus den Triellen hervorgeht. Es ist die Zeit des Erwachens. Sie haben die Wahl.
Und nun, stürzen Sie sich wissbegierig in die frische Luft, die dieses Heft durchweht:
Ihr GEB Redaktionsteam