Auf dem 22. Forum Wärmepumpe in Berlin wurde nicht nur Wahlkampf gemacht. Die über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Industrie, Handwerk, Wissenschaft und Politik erhielten auch einen facettenreichen Einblick in die aktuellen Entwicklungen rund um die Integration der Wärmepumpe in den Strommarkt. Wenn der Smart Meter-Rollout einmal in Gang kommt, könnten sich dynamische Stromtarife als Gamechanger für die Wärmewende erweisen.
Die Wärmewende bedeutet Elektrifizierung
Die Rahmenbedingungen für die Transformation hin zu erneuerbaren Energien skizzierte Jan Rosenow, Vice President und Europäischer Direktor des Think Tanks Regulatory Assistance Project (RAP). Er machte deutlich: Auch wenn der Fokus bislang sehr stark auf der Stromseite lag, wird es ohne die Wärmewende nicht gehen. So würden weltweit 50 Prozent des Energieverbrauchs für Wärme benötigt und nur 23 Prozent für Strom.
Gleichzeitig werde Strom weltweit und in Europa immer grüner. Im Gebäudebereich gingen aktuelle Studien bis 2050 von einem stark steigenden Anteil von Strom am Endenergieverbrauch aus. Die Entwicklung gehe also auch auf der Wärmeseite deutlich in Richtung Elektrifizierung. Der langjährige Wachstumstrend bei den Wärmepumpen sei hier aber nicht ausreichend, um die Ausbauziele der EU zu erreichen.
Weiterhin habe Deutschland im europäischen Vergleich deutlichen Aufholbedarf. Dementsprechend habe der Heizungsmarkt hier noch viel Potenzial für die Wärmepumpe, dass unbedingt ausgeschöpft werden müsse. Entscheidend dafür sei unter anderem ein förderliches Strom-/Gaspreis-Verhältnis (SGV), bei dem es sich nicht mehr rechnet, auf fossile Energieträger zu setzen.
Eine weitere wichtige Innovation seien flexible Stromtarife. Hiermit sei es möglich, die Stromkosten der Wärmepumpe um 30 bis 40 Prozent zu verringern. Und das nur mit Hilfe geringer Anpassungen der Vorlauftemperatur um 0,5 bis 1 Grad Celsius. Damit ließe sich die Spitzenlastnutzung um bis zu 50 Prozent reduzieren. Die Umsetzung erfolge vollautomatisch durch die Regelung, sodass der Kunde nicht eingreifen müsse und in der Regel auch nichts davon merke. Damit werde der Gebäudeheizbedarf zur größten Quelle von Flexibilität für das Stromnetz und könne so wesentlich zur Netzstabilität beitragen.
Flexible Stromtarife in der Praxis
Wie sich flexible Stromtarife in der Praxis nutzen lassen, zeigte Manuel Bahnemann von Octopus Energy. Dazu müsse die Wärmepumpe direkt in das Haus integriert, intelligent gesteuert und mit einem intelligenten Stromvertrag versehen werden. So ließen sich im Gesamtpaket sowohl die Anschaffungs- als auch die Betriebskosten reduzieren.
Strompreise könnten heute schon sehr variabel sein, immer öfter sogar negativ. Allerdings hätten die Endkunden in der Regel nicht die Möglichkeit, daran zu partizipieren. Octopus Energy betrachte die Wärmepumpe hier als Flexibilität am Strommarkt. Sie sei damit deutlich mehr als nur eine Heizung.
Die Herausforderung läge allerdings in der geringen Verbreitung von intelligenten Messsystemen, sogenannten Smart Metern. Nur damit sei es möglich, die Kunden an flexiblen Strompreisen teilhaben zu lassen. In Deutschland seien die Anforderungen derzeit noch unfassbar komplex, weshalb man begonnen habe, statt über Partnerunternehmen selbst Smart Meter beim Kunden einzubauen.
Auf dieser Basis biete der Energieversorger flexible Produkte von der manuellen Lastverschiebung über zeitvariable Tarife bis hin zur vollständigen Automatisierung an. Der zeitvariable Wärmepumpen-Stromtarif etwa weiche in drei Zeitfenstern um vier bis acht Cent pro Kilowattstunde vom normalen Strompreis ab. So lohne sich die Flexibilität für die Kunden, während gleichzeitig die Stromnetze stabilisiert werden.
Vom Smart Meter-Rollout zur systemdienlichen Integration
Was ein dynamischer Stromtarif eigentlich ist und wie er sich zusammensetzt erläuterte Anna von Bremen, Head of Energy Innovation bei Osborne Clarke. Dabei wurde deutlich, wie komplex die Situation hinsichtlich der Strommarktintegration von Wärmepumpen aktuell ist. So benötige man etwa nicht unbedingt ein intelligentes Messystem (Smart Meter), obwohl die Bundesnetzagentur dies fordert. Viele Anbieter würden dies stattdessen über ein Standard-Lastprofil realisieren, das den durchschnittlichen Stromverbrauch abbildet.
Zudem müsse jeder Stromlieferant ab dem 1. Januar 2025 einen dynamischen Tarif anbieten. Ergänzend gebe es eine quotenbasierte Pflicht zum Einbau von Smart Metern für Kunden mit einem Strombezug von mehr als 6.000 Kilowattstunden pro Jahr. Und zusätzlich habe jeder Verbraucher unabhängig vom Strombezug das Recht, den Einbau eines Smart Meters zu einem Preis von nicht mehr als 30 Euro zu fordern. Hier gebe es aber beträchtlichen Widerstand der Netzbetreiber, die teilweise versuchen würden, die Kunden über prohibitiv höhere Preise abzuschrecken.
Bei der Steuerung des Stromverbrauchs sieht von Bremen gegenwärtig drei Anwendungsfälle. Die einfachste Lösung sei die Lastverschiebung, wo der Stromverbrauch einfach über den Preis weg von den Hochlastzeiten verlagert werde. Darüber hinaus gebe es die Eigenverbrauchsoptimierung, mit der Strom aus einer Photovoltaik-Anlage unabhängig vom Börsenpreis zu einem möglichst großen Anteil für den Haushalt, das Elektroauto oder die Wärmepumpe selbst genutzt werde. Hierzu werde in der Regel ein Home-Energy-Management-System (HEMS) eingesetzt.
Die dritte Stufe stelle dann die marktliche Optimierung dar. Diese berücksichtige neben dem Eigenverbrauch auch die Auslastung des Stromnetzes. Bei negativen Strompreisen würde dann beispielsweise der Netzbezug bevorzugt, während die PV-Anlage den heimischen Stromspeicher auflädt. Und nur in diesem Szenario sei es möglich, das Stromnetz bei Lastspitzen zeitnah zu entlasten und so mit Hilfe des HEMS auch systemdienlich zu agieren.
Wie lassen sich jährlich 4.000 Euro Energiekosten sparen?
Welche Einsparungen mit der umfassenden Elektrifizierung des Eigenheims für den Endkunden möglich wären, zeigte abschließend Richard Lucht von Thermondo anhand einer Beispielrechnung. Grundlage ist ein Eigenheim (Baujahr 1990) mit 150 Quadratmeter Wohnfläche, in dem eine vierköpfige Familie wohnt. Genutzt werden eine 12-Kilowatt-Wärmepumpe mit HEMS, eine PV-Anlage (20 Module) mit 7,68-Kilowattstunden-Stromspeicher und sowie ein Elektroauto.
Im Vergleich zu einer verbrennerbasierten Lösung mit Gasheizung und Benziner ließen sich hier jedes Jahr etwa 4.000 Euro an Energiekosten einsparen. Der Einsatz der Wärmepumpe mit HEMS spare demnach jährlich circa 600 Euro, die PV-Anlage samt Speicher etwa 1.900 Euro pro Jahr und das Elektroauto rund 1.200 Euro. Durch einen dynamischen Stromtarif kämen noch mal rund 300 Euro pro Jahr hinzu.
Bei einer Mehrinvestition von 28.000 Euro gegenüber der verbrennerbasierten Lösungen würden sich die Mehrkosten nach sieben Jahren amortisieren. Und nach 17,5 Jahren hätte sich die Gesamtinvestition von 70.000 Euro amortisiert. Damit lohne sich die Elektrifizierung im Eigenheim nicht nur finanziell, sondern würde auch erheblich zur Flexibilisierung der Stromnachfrage in Deutschland beitragen. Quellen: BWP / tg
Passend zum Thema: Ob sich Wärmepumpen auch für Bestandsbauten eignen, ist eine immer wieder gestellte Frage. Der Antwort geht Markus Strehlitz vom Gebäude-Energieberater im Gespräch mit Martina Schmitt von der Deutschen Energieagentur in unserem Podcast GEBäudewende nach.