Das Sofortprogramm Gebäude war notwendig geworden, da der Gebäudebereich seine Minderungsziele 2021 erneut nicht erreicht hat. Das werde auch in den kommenden Jahren so sein, aber bis 2030 könne man das Gesamtziel erreichen, so Staatssekretär Patrick Graichen auf der Pressekonferenz in Berlin. Das eigentlich geplante komplette Sofortprogramm Klimaschutz ist noch in Abstimmung.
„Die mittel- und langfristigen Klimaziele im Gebäudebereich können nur dann erreicht werden, wenn eine zügige und deutliche Steigerung der Sanierungsdynamik erzielt wird, die sowohl eine Erhöhung der Sanierungsrate als auch -tiefe umfasst und die Wärmeversorgung gleichzeitig dekarbonisiert wird“, so die Analyse der beiden Ministerien. Bemerkenswert, dass schon in der Einleitung zum neuen Sofortprogramm auf die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung fokussiert wird und eine Optimierung der Gebäudehülle nicht explizit erwähnt wird. Wärmepumpen und Niedertemperatur-Wärmenetzen komme eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung zu, heißt es.
Bei vielen Formulierungen des insgesamt 15-seitigen Papiers wird deutlich, wie zwischen den beteiligten Parteien und den vorher angehörten Verbänden und Vereinigungen gerungen wurde. Nicht immer wird der gefundene Kompromiss deshalb auch schon mit konkreten Maßnahmen hinterlegt.
Fokus liegt auf der Gebäudesanierung
Erwähnt wird das Thema der Notwendigkeit von mehr Planungssicherheit für Planende und Bauende. Zu hoffen bleibt, dass das ein Ende des Stopp and Go in der Förderlandschaft bedeutet, die in den vergangenen Monaten zu enormer Verunsicherung geführt hat.
Klar wird in dem Papier ein deutlicher Fokus auf die Sanierung von Gebäuden im Vergleich zum Neubau. Die „Maßnahmen für den Gebäude- und Wärmebereich zielen auf eine Verstärkung ordnungsrechtlicher Vorgaben, die Diversifizierung und Aufstockung existierender Förderprogramme und die Intensivierung von Qualifikationsmaßnahmen sowie auf serielle Sanierungsverfahren ab“, heißt es dort.
Gebäudeenergiegesetz wird in mehreren Schritten novelliert
An konkreten Schritten geht es um die Reform des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Der bislang vorgelegte Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz vernachlässigt aber, so zahlreiche Verbände, das Thema Effizienz der Hülle. Die vorgesehene Erhöhung der Standards für die Gebäudehülle wurde gestrichen. Als Neubaustandard wurde „Primärenergie-EH55“ festgelegt. Weitere Novellierungsschritte des GEG sollen folgen, unklar ist wann. Gemäß Koalitionsvertrag soll der Neubaustandard ab 2025 an den EH40-Standard angeglichen werden.
Im Heizungssegment soll gesetzlich festgeschrieben werden, dass „ab 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden soll“. Das bezieht sich auch auf den Gebäudebestand und einen dort vorgenommenen Heizungstausch. Die Formulierung „möglichst“ macht es spannend, es ist mit Ausnahmenregeln zu rechnen, die über das ohnehin bestehende Wirtschaftlichkeitsgebot hinausgehen könnten. „Ziel ist eine wirksame Umsetzung, die dauerhaft zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors beiträgt und dabei die technische Machbarkeit und Sozialverträglichkeit angemessen berücksichtigt“, so der Entwurf der beiden Ministerien.
Solardachpflicht für neue Gewerbegebäude kommt
Solardachpflicht gibt es künftig für gewerbliche Neubauten, im privaten Neubau sollen Solardächer die Regel werden. Dabei können sowohl PV als auch Solarthermie zum Einsatz kommen, in der Regel wird das im Neubau PV in Kombination mit eine Wärmepumpe sein.
Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) soll die neuen Vorgaben des GEG flankieren und auf die ab 2025 neu geltenden Neubauanforderungen (EH40) und die EE-Wärmeanforderungen (65 Prozent EE-Wärme) vorbereiten. Die BEG soll die Einführung der 65%-Regel besonders im Hinblick auf Bestandsgebäude unterstützen und künftig insbesondere mehr und tiefere Sanierungen anreizen. Ziel sei eine deutliche Steigerung der geförderten Sanierungen, so die beiden Ministerien.
Graue Energie soll größere Rolle spielen
Im Neubau sollen graue Energie und Lebenszykluskosten mehr Gewicht bekommen. Nach den ersten beiden Schritten der Integration in die Förderung unter Einbeziehung des Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen, die bereits erfolgt sind, soll als dritter und finaler Schritt ab Januar 2023 ein neues Programm mit dem Titel „Klimafreundliches Bauen“ kommen. „Dieses Programm entwickelt das Qualitätssiegel für nachhaltiges Bauen weiter und wird insbesondere die Treibhausgas-Emissionen im Lebenszyklus der Gebäude noch stärker in den Fokus stellen“, so die beiden Ministerien.
Angekündigt wird, vorbehaltlich einer Evaluierung der laufenden Projekte, eine Fortsetzung der Förderung de seriellen Sanierung. 500 Millionen soll es in einem Sofortprogramm für die Sanierung von Sportstätten geben, so Klara Geywitz.
Größere Beachtung findet das Thema Wärmeplanung, allerdings noch ohne mit konkreten Maßnahmen hinterlegt zu sein. Es soll ein Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung (KWP) geben, „die genaue Ausgestaltung der Bundesregelung ist derzeit noch offen.“ Nach derzeitigem Stand erfolgt die Umsetzung durch ein durch den Bundesrat zustimmungspflichtiges Bundesgesetz, das in enger Abstimmung mit den Ländern erarbeitet wird. In diesem Gesetz würden die Länder verpflichtet, eine kommunale Wärmeplanung einzuführen. Die Länder können auf dieser Basis die Kommunen zur Umsetzung der KWP verpflichten. In einigen Bundesländern ist die kommunale Wärmeplanung bereits verpflichtend. Man wolle nach dem Sommer mit den Ländern über das weitere Vorgehen sprechen, erläuterte Geywitz.
Wärmepumpe steht im Mittelpunkt
Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze liegt zur Zeit noch zur beihilferechtlichen Genehmigung in Brüssel, diese soll nach Informationen des Berliner Tagesspiegel spätestens im August erteilt werden.
Bei den Wärmetechnologien steht die Wärmepumpe im Mittelpunkt. Geplant ist unter anderen eine Weiterbildungsoffensive aus drei Komponenten:
1. Weiterbildungen zur Planung und zum Einbau von Wärmepumpen in Wohngebäuden
2. Schulungen im Bereich natürliche Kältemittel für Wärmepumpen zur Sachkundezertifizierung.
3. Schulungen speziell für den Wärmepumpeneinbau im Bestand mit Blick auf Niedertemperaturfähigkeit und unter Berücksichtigung der Peripherie inkl. qualitativer Beurteilung der Heizverteilung, Heizkörper und Heizlastberechnung.
Es sei geplant, eine weitere Komponente zur Thematik der Einhaltung von Lärmgrenzwerten von Luft-Wärmepumpen zu integrieren.
Adressiert werden auch Maßnahmen zur Heizungsoptimierung wie der hydraulische Abgleich, eine Verpflichtung ist aber in dem jetzt vorgelegten Vorschlag nicht vorgesehen.
Das angekündigte Energieeffizienzgesetz wird im jetzt vorgestellten Programm nur kurz angerissen, aber nicht konkret ausgeführt. Angehen müsse man aber auch das Thema Wohnflächenkonsum, die Wohnfläche pro Person steige, das fresse Effizienzgewinne auf.
„Sofortiges Handeln ist auf Basis dieses Programms nicht möglich“
Insgesamt bleibt das Programm in vielem vage. Auf Nachfrage wollte Patrick Graichen auch keine Summen für die BEG im kommenden Jahr nennen. Jürgen Leppig, der Bundesvorsitzende des Energieberaterverbands GIH findet die Aufzählung der Maßnahmen richtig, kritisiert aber: „Allerdings fehlt jegliche Konkretion: Klare Pläne oder gar Maßnahmen, auf die Gebäudebesitzer wie Energieberater schon lange warten, sucht man darin vergebens. Insofern kommt das Papier zwar der Pflicht der Ministerien nach, bei Überschreitung der Emissionsmengen ein Sofortprogramm vorzulegen. Wir als Energieberater hatten uns aber – Stichwort Planungssicherheit – weit mehr erwartet als bloße Appelle und Soll-Vertröstungen. Ein sofortiges Handeln ist der Praxis auf Basis dieses Programms jedenfalls nicht möglich.“
Gebäudehülle findet zu wenig Berücksichtigung
„Modernisierungen an der Gebäudehülle wie Dämmung, Fenster und Co. finden kaum Berücksichtigung, obwohl sie den Verbrauch eines jeden Gebäudes schlagartig und signifikant senken. Die Gebäudehülle außer Acht zu lassen, ist ein strategischer Fehler in Hinblick auf Verbrauchreduzierung und Klimaschutz“, wendet Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des BuVEG ein. pgl
Hören Sie zu dem Thema auch unsere Podcast-Folge „Raus aus Gas und Öl - wie stellt sich die Heizungsbranche darauf ein“
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