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Studien

Wie Deutschland bis 2050 klimaneutral wird

Eine Reduktion der Treibhausgase in Deutschland bis zum Jahr 2030 um 65 % und Klimaneutralität bis 2050 sind machbar und technisch umsetzbar. Das zeigt erstmals die Studie „Klimaneutrales Deutschland“, deren Ergebnisse Ende Oktober 2020 vorab vorgestellt wurden. Darin haben Prognos, Öko-Institut und Wuppertal Institut in verschiedenen Szenarien untersucht, mit welchen konkreten Maßnahmen Deutschland bis zum Jahr 2050 seine Treibhausgasemissionen auf null senken kann.

Nur mit „negative Emissionen“ klimaneutral

Klimaneutral bedeutet dabei, dass die Treibhausgasemissionen in allen Bereichen vollständig oder fast vollständig vermieden werden. Insbesondere in der Landwirtschaft – aber auch in einzelnen industriellen Prozessen – verbleiben auch im Jahr 2050 noch Restemissionen. Diese residualen Emissionen werden durch die gezielte CO2-Entnahme aus der Atmosphäre und Speicherung als sogenannte „negative Emissionen“ ausgeglichen. In der Summe wird Deutschland so klimaneutral.

Höheres Ziel bis 2030 als im Klimaschutzgesetz

Zudem zeigt die Studie, wie Deutschland bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen deutlich stärker senken kann als bislang vorgesehen und damit die aktuell diskutierten Ziele auf europäischer Ebene erfüllt. In dem Hauptszenario werden bis zum Jahr 2030 die Emissionen um 65 % im Vergleich zu 1990 gesenkt – zehn Prozentpunkte mehr als das aktuelle Klimaschutzgesetz vorsieht.

Die hierfür notwendigen zusätzlichen Einsparungen ergeben sich vor allem in der Energiewirtschaft durch einen beschleunigten Kohleausstieg und schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien sowie durch eine zügigere Transformation in der Industrie. Aber auch im Verkehr und Gebäudebereich werden zusätzliche Einsparungen erzielt.

Für die Studie untersuchten und modellierten die drei Institute insgesamt ein Jahr lang detailliert die Maßnahmen in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und Abfall. Auch die oft vernachlässigten Bereiche Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) sowie die effiziente Gewinnung und Nutzung von Bioenergie wurden umfassend analysiert.

Kosten und technische Umsetzbarkeit im Fokus

Bei der Auswahl der Maßnahmen zur Umsetzung der Treibhausgasminderung standen einerseits die Kosten im Vordergrund. Aufgrund der an vielen Stellen notwendigen schnellen Transformation wurden zudem die Fragen der technischen Umsetzbarkeit und dem möglichen Markthochlauf berücksichtigt. Um möglichst robuste Szenarien zu erhalten, lag der Fokus auf Technologien mit möglichst geringen technologischen und wirtschaftlichen Risiken. Der Einsatz von CO2-Abscheidung und -Ablagerung (Carbon Capture and Storage, CCS) wurde soweit es geht reduziert und wenn möglich alternative Technologien bevorzugt.

Klimaneutralität ohne Verzicht als Voraussetzung

Gleichzeitig setzen die Szenarien explizit nicht auf Verzicht als notwendige Voraussetzung für Klimaneutralität. So steigt in der Studie die Pro-Kopf-Wohnfläche weiter und die Mobilität bleibt vollumfänglich erhalten.

Bei der Ernährung wurden aktuelle Trends fortgeschrieben, wie ein moderat sinkender Milchkonsum, eine Verschiebung des Fleischkonsums hin zu mehr Geflügel sowie ein leichter Anstieg bei Biolebensmitteln.

In den Berechnungen behält der Industriestandort Deutschland sein hohes Produktionsniveau und die Investitionen werden im Rahmen der normalen Modernisierungszyklen getätigt.

Die Studie stellt damit einen aus Kostensicht und unter Berücksichtigung der Umsetzbarkeit optimierten Weg zur Erreichung der Klimaneutralität 2050 dar. Die Studie wurde im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende & Stiftung Klimaneutralität erstellt.

Hintergrundinformation zu den Sektoren

Energiewirtschaft

Ein Drittel der Treibhausgasemissionen entfiel 2018 auf die Energiewirtschaft. Mit der Beendigung der Kohleverstromung im Jahr 2030, einem ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energien im Stromsektor auf rund 70 % des Bruttostrombedarfs, dem Ausbau von erneuerbaren Energien in den Wärmenetzen sowie einem Einstieg in die Wasserstoffnutzung in Gaskraftwerken können die Emissionen bis zum Jahr 2030 um etwa zwei Drittel gesenkt werden. Die Energiewirtschaft leistet damit den mit Abstand größten Beitrag zur Emissionsreduktion bis zum Jahr 2030.

Im Zeitraum bis 2050 werden die erneuerbaren Energien weiter ausgebaut und die Stromerzeugung aus fossilem Erdgas vollständig durch Wasserstoff ersetzt. Durch den Ausbau von Speichern, einen verstärkten Stromaustausch mit dem Ausland sowie eine gesteigerte Flexibilität der Stromnachfrage können auch langfristig – trotz des hohen Anteils der Windenergie- und Photovoltaik – das Stromangebot und die Nachfrage effizient in Einklang gebracht werden.

Industrie

Deutschland ist auch zukünftig ein bedeutender Standort für Grundstoffe wie Stahl, Grundstoffchemikalien und Zement, und meistert die Transformation der Grundstoffindustrien hin zur Klimaneutralität. Klimaneutralität lässt sich in der Industrie durch Effizienzmaßnahmen, einen weitgehenden Umstieg auf erneuerbare Energieträger (Strom, Wasserstoff, biogene Energieträger), innovative Produktionsrouten, wie die Herstellung von Roheisen in Direktreduktionsanlagen und chemisches Recycling, sowie den Einsatz von CO2-Abscheidung und Speicherung (Carbon Capture and Storage, CCS) erreichen.

Die Industrie spielt eine wichtige Rolle bei der Erreichung der Klimaneutralität. Durch den gezielten Einsatz von biogenen Energieträgern ermöglicht sie in Kombination mit CCS negative Emissionen. Hierfür sind aufgrund ihrer räumlich hochkonzentrierten Energiebedarfe insbesondere die Standorte der chemischen Industrie und der Stahlindustrie geeignet.

Die Grundstoffindustrien Stahl, Grundstoffchemie, Zement, Kalk, Nichteisenmetalle, Glas, Gießereien, sowie Zellstoff, Papier und Pappe stehen zudem mit Blick auf eine Reduktion von Treibhausgasemissionen aufgrund der für die Umwandlung von Rohstoffen nötigen energieintensiven Hochtemperaturprozesse sowie dem Auftreten von prozessbedingten Emissionen vor besonders großen Herausforderungen und wurden deshalb besonders detailliert untersucht.

Verkehr

Statt motorisiertem Individualverkehr braucht es auf dem Weg zu einer klimaverträglichen Mobilität mehr öffentlichen Rad- und Fuß-Verkehr. Pkw müssen durch Pooling-Konzepte höher ausgelastet, der Gütertransport auf die Schiene verlagert und die Entwicklung emissionsfreier Antriebe vorangetrieben werden. Konkret bedeutet das: Im Jahr 2030 gibt es 14 Mio. Elektroautos und es fahren rund ein Drittel der Lkw elektrisch mit Batterien, Oberleitungen oder Brennstoffzellen.

2050 sind Pkw- und Lkw-Bestand dann nahezu vollständig elektrifiziert. Güter werden – mit 190 Mrd. Tonnenkilometern (tkm) im Jahr 2030 und 230 Mrd. tkm im Jahr 2050 – verstärkt auf der Schiene transportiert. Der Luftverkehr und die Seeschifffahrt, bei denen Möglichkeiten der direkten Elektrifizierung noch nicht absehbar sind, basieren langfristig vollständig auf dem Einsatz strombasierter Kraftstoffe. Insgesamt verursacht der Verkehrssektor 2030 noch 89 Mio. t/a CO2-Äquivalente – 74 Mio. t/a weniger als im Jahr 2019. Im Jahr 2050 ist der Verkehr in den Szenarien klimaneutral.

Gebäude

Im Gebäudesektor entstehen die Emissionen hauptsächlich bei der Erzeugung von Raumwärme und der Trinkwassererwärmung. In den betrachteten Szenarien steigt die jährliche Sanierungsrate im Vergleich zu heute um etwa 50 % auf rund 1,6 %. Gleichzeitig wird die Qualität (Sanierungstiefe) der eingesetzten Bauteile gesteigert.

Der Verbrauch für Raumwärme und Warmwasser verringert sich im Szenario bis 2050 um 36 % gegenüber 2018. Der verbleibende Wärmebedarf wird weitestgehend CO2-neutral erzeugt. Die Zahl der Wärmepumpen erhöht sich von aktuell rund 1 Mio. auf 6 Mio. in 2030 und auf 14 Mio. im Jahr 2050. In urbanen Gebieten steigt die Bedeutung der Wärmenetze stark an; die Nachfrage nach Fernwärme verdoppelt sich im Zeitraum 2018 bis 2050.

Landwirtschaft

In dem Sektor Landwirtschaft verbleiben im Jahr 2050 Restemissionen in Höhe von 44 Mio. t/a CO2-Äquivalente, was hauptsächlich auf die Tierhaltung zurückzuführen ist.

Die wesentlichen Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen in der Landwirtschaft sind vor allem die Reduktion von Düngemitteln und Tierbeständen, eine verstärkte Wirtschaftsdüngervergärung, die Ausweitung des Ökolandbaus und die Anpflanzung von weniger stickstoffintensiven Kulturarten.

Abfall

Bis zum Jahr 2030 sinken die Methanemissionen aus der Deponierung durch verstärkte Maßnahmen der Deponiebelüftung. Aufgrund von biologischen Prozessen bei der Deponierung und der Abwasserbehandlung lassen sich bis zum Jahr 2050 geringe Restemissionen nicht vollständig vermeiden.

Zusammenfassung der Studie Klimaneutrales Deutschland GLR