„Wärmewende braucht Gasende“ hatte mein Kollege Joachim Berner sein Editorial vor knapp einem Jahr überschrieben. Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass die Versorgung mit Energie aus dem eigenen Land nicht nur für die Wärmewende im Gebäudebereich, sondern auch aus Gründen der Versorgungssicherheit eine zentrale Aufgabe ist.
Müssen wir also zurück zur Atomkraft? Ich bleibe beim bewährten „Atomkraft nein danke“ – Tschernobyl und Fukushima haben die Risiken gezeigt. Und der Überfall auf die Ukraine ist für mich ein Beleg, dass dort bestehende Atomkraftwerke im Krieg gefährliche Ziele sind – egal, ob sie zufällig attackiert und beschossen oder absichtlich zur Erpressung genutzt werden.
Die einzige mögliche Strategie für den Gebäudebereich besteht aus den zwei bekannten Bausteinen Erneuerbare aus möglichst ortsnaher Erzeugung und Effizienz. Denn der Krieg in der Ukraine sollte uns auch lehren, dass wir uns nicht auf die Erzeugung von Energie zum Beispiel für Wasserstoff irgendwo auf der Welt verlassen. Die Staaten im Sonnengürtel Afrikas oder in Lateinamerika sind als Lieferanten von Strom für Wasserstoff langfristig nicht zuverlässiger als der Despot Putin.
Ich rede natürlich nicht einer kompletten Energieautarkie für unser Land das Wort, die kann es sicher nicht mehr geben. Die Abhängigkeit von Russland bei Gas, Kohle und Öl darf aber einfach nicht durch die Abhängigkeit von anderen Ländern in Übersee oder dem Nahen Osten ersetzt werden. Und meiner Meinung nach auch nicht durch eine Abhängigkeit von nordamerikanischem Fracking- oder Flüssiggas. Bei Versorgungsengpässen gilt nicht nur unter Donald Trump „America First“ – das ist nicht in unserem Interesse.
Was bleibt ist der Ausbau Erneuerbarer Energien mit Volldampf. Hindernisse beim Mieterstrom müssen umgehend beseitigt werden, damit die Versorgung mit PV-Strom in den Städten gelingt. Solarthermie als einfache Technologie muss ebenso auf neue Dächer und an Fassaden wie Photovoltaik. Der Krieg in der Ukraine wird viele Besitzer von Gasheizungen nachdenklich machen und zum Umstieg auf Wärmepumpen bewegen.
Das ist gut, muss aber einhergehen mit einem Ausbau von Solar- und Windenergie vor Ort, damit der Strom dafür aus Erneuerbaren kommt. Dazu ist es auch notwendig, Quartierslösungen unbürokratisch umzusetzen. Was spricht dagegen, dass ich den Strom aus der Photovoltaikanlage meines Nachbarn beziehe? Warum muss der erst vom Nachbarn ins Netz – mit allen damit verbundenen Kosten – und dann zurück zu mir?
Damit die Versorgung mit Erneuerbaren Energien gelingt, muss außerdem der Verbrauch in den Gebäuden runter. Auch hier sind die Hebel bekannt: hohe Standards im Neubau und ein Fokus auf qualitätsgesicherte Sanierung im Bestand. Außerdem serielle Sanierung überall dort, wo das möglich ist, um schneller voranzukommen. Los geht’s, Ampel!
Zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe warten wir immer noch auf das Go für weitere Neubauten mit ambitionierten Standards. Mir ist völlig klar, dass im Moment der Krieg in der Ukraine im Mittelpunkt steht. Aber die Herausforderungen der Klimakrise dürfen deshalb nicht hinten runterfallen. Eine Reduktion des Energiebedarfs macht unser Land krisenfester. Und das brauchen wir dringender denn je. Mehr Geld für mehr Waffen ist aus meiner Sicht nicht die Lösung.
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Ihr GEB Redaktionsteam