Erdwärmeheizungen für Einfamilienhäuser nutzen schon heute den flachen Untergrund als Quelle oder Speicher für Wärme. Doch will man die Wärmeversorgung von Städten nachhaltig gestalten, gilt es tiefere geologische Strukturen zu verstehen und zu nutzen, wie es beispielsweise in München und Paris schon passiert. Einen wichtigen Schritt für Bochum macht nun das Projekt „Vesta Contrast“ (VESTA = Very-High-Temperature Heat Aquifer Storage). Es kartiert ein rund fünf Kilometer langes Stück des Untergrundes in Bochum und Witten bis in die Tiefe von maximal 2.000 Metern nach dem Echolot-Prinzip. Die Ergebnisse werden bei der Aufsuchung von untertägigen Wärmespeichern benötigt, um diese dann in die Umsetzung bringen zu können. Das BMWK fördert das Projekt mit rund 330.000 Euro.
Noch viele weiße Flecken auf der Karte
„Der Untergrund des Ruhrgebietes ist nicht nur wegen der vielen ehemaligen Bergwergstrukturen interessant. Auch die natürlichen Sandsteine sind komplex gefaltet und geklüftet und zeugen von einer ereignisreichen tektonischen Geschichte“, begeistert sich Florian Hahn, Projektleiter an der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie (Fraunhofer IEG). „Wenn wir die tiefen Strukturen verstanden haben, haben die lokalen Energieversorger und Unternehmen eine bessere Basis für die Nutzung in klimaneutralen Energiesystemen.“ Zwar ist der Untergrund im Ruhrgebiet aufgrund der Bergbautradition bis in die Tiefen von zirka 1.200 Metern gut bekannt, doch darunter gibt es noch viele weiße Flecken, die aber für eine geothermale Nutzung und Speicherung sehr interessant sein können: Je tiefer man bohrt, desto wärmer wird der Untergrund – im weltweiten Schnitt steigt die Temperatur um drei Grad pro 100 Meter. Deutschlandweit hat Geothermie ein enormes Potenzial: Drei von vier Bestandsgebäuden in Deutschland könnten geothermisch beheizt werden. Gleichzeitig lässt sich jeweils ein Viertel der kommunalen Wärmenetze und des industriellen Prozesswärmebedarfs auf tiefe Geothermie umstellen, unterstreichen zwei einschlägige Roadmaps von Autoren der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft.
Tiefe Geothermie: In München und Paris bereits umgesetzt
Das Projekt Vesta Contrast wird ein Grundverständnis der geologischen Situation, des tektonischen Spannungsfelds und des hydraulischen Regimes im Süden von Bochum erzeugen. Es erkundet geophysikalisch die gefalteten und geklüfteten Sandsteine des Erdzeitalters Karbon (300 Millionen Jahre) bis in 2.000 Meter Tiefe. In rund 300 Millionen Jahren hat die Plattentektonik das Gestein stark gestaucht, sodass die Schichten ausgeprägte Sättel und Mulden bilden. Das Vorhandensein von natürlichem Thermalwasser und die Eignung als saisonaler Wärmespeicher dieser Strukturen sind für die Wärmewende von besonderem Interesse. Tiefe Geothermie wird bereits erfolgreich seit vielen Jahren zum Heizen von Haushalten und Betrieben in Metropolen wie München und Paris eingesetzt. Vesta Contrast macht einen ersten Schritt, um diese Möglichkeit auch für Bochum im Sinne eines Wärmespeicherprojektes zu öffnen.
In den Untergrund hineinhorchen
Das Projektteam um den Geophysiker Dr. Oliver Ritzmann des Fraunhofer IEG beginnt nun mit den Planungen für die geophysikalische Messkampagne. Das sogenannte Seismik-Verfahren ähnelt dem Echolot und schickt über große Rüttelplatten Vibrationen in die Tiefe, die an Erdschichten reflektiert werden. Geophone, spezielle Mikrofone nehmen die großflächigen Reflexionen wieder auf. Die Analyse aller über mehrere Tage und auf einer Strecke von fünf Kilometern erhobenen Daten erschafft ein „Schallbild des Untergrundes“. Das im Projekt geplante Messfenster beträgt etwa eine Woche und soll in der Zeit bis einschließlich Februar 2025 liegen. Insgesamt sind für die Messung bis zu 600 Geophonpunkte im Abstand von bis zu zehn Metern entlang der Profillinie geplant. Die Linie verbindet grob das Gewerbegebiet Mark51°7 mit dem Stadtteil Witten-Heven und läuft durch Bochum-Hustadt, den Campus der Ruhr-Universität und der Hochschule Bochum sowie das Gelände des Fraunhofer IEG sowie über den Oelbach am Kemnader See. Der genaue Weg innerhalb eines rund 500 Meter breiten Korridors wird in der kommenden Detailplanung festgelegt. Die Rüttelplatten sind unter Lkws montiert, die in Schrittgeschwindigkeit die Strecke abfahren und zirka alle 20 Meter ein Vibrationssignal in die Erde schicken. Die Anregungen dauern dabei bis zu maximal 36 Sekunden und liegen in einem Frequenzbereich von bis 120 Hertz. Projektpartner bei Vesta sind das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die SWM Service GmbH und EnBW. Das Teilvorhaben CONTRAST (CarbON TempeRAture STorage) führt die geophysikalische Messkampagne durch. Quelle: Fraunhofer IEG / ab