Haushalte in Deutschland geben durchschnittlich sechs Prozent Ihres Einkommens für Heizkosten aus, bei einkommensschwachen Haushalten in schlecht wärmegedämmten Gebäuden kann der Anteil auf bis zu 30 Prozent steigen. Daraus entstehen für viele Menschen hohe Belastungen und zusätzliche Risiken, wenn die Energiepreise steigen.
Hier setzt eine Studie der Abteilung Klimapolitik im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) an. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass eine vorrangige Sanierung der am schlechtesten gedämmten Häuser einkommensschwache Haushalte besonders stark entlastet. „Energiekosten machen einen großen Teil des Einkommens ärmerer Menschen aus“, so Studienautorin Merve Kücük. „Darüber hinaus leben sie öfter in Gebäuden mit durchschnittlich höherem Energieverbrauch pro Fläche.“
Energiekosten belasten ärmere Haushalte überproportional
Die DIW-Ökonom:innen schätzen auf Basis von Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) die Heizkosten der verschiedenen Einkommensklassen für das Jahr 2024. Einkommensschwache Haushalte, die in unzureichend sanierten Gebäuden wohnen, geben demnach bis zu 30 Prozent ihres Einkommens für Heizkosten aus. Eine Sanierung bedeutet für Haushalte aller Dezile einen sinkenden Energieverbrauch und geringere Ausgaben, wobei die untersten Einkommenssegmente am deutlichsten sparen. „Die Gebäude mit der schlechtesten Energieeffizienz bieten die größten Sanierungschancen – sowohl auf individueller als auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene“, erklärt Studienautorin Sophie Behr. „Energiepreisschocks, wie wir sie zuletzt erlebt haben, dürften einkommensschwache Haushalte nach einer energetischen Sanierung nicht mehr so hart treffen.“
Am schlechtesten gedämmte Gebäude sollten zuerst saniert werden
Ein Problem sehen die DIW-Wissenschaftler:innen aber darin, dass besonders für einkommensschwache Besitzer:innen von schlecht gedämmten Häusern eine Sanierung eine große und nur schwer überschaubare Investition bedeutet. Wenn ein Gebäude instandgesetzt oder modernisiert wird, belaufen sich die Mehrkosten für energetische Maßnahmen nur auf etwa ein Drittel der Gesamtkosten und machen etwa 180 bis 360 Euro pro Quadratmeter zusätzlich aus.
Wenn nicht ohnehin Modernisierungsmaßnahmen anstehen, kann gerade bei ineffizienten Gebäuden auch mit Teilsanierungen viel Energie gespart werden, zum Beispiel bei Dämmung im Dachboden, Keller und Einblasdämmungen bei Doppelwänden. Die Investitionen dafür würden sich auf rund 120 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche belaufen. Die spätere Einsparung von Energiekosten in Verbindung mit Förderprogrammen machen energetische Sanierungen in der Regel rentabel. Es bleiben jedoch Investitionsrisiken aufgrund steigender Sanierungskosten oder geringerer Einsparungen als erwartet - wenn beispielsweise die Energiepreise sinken. Mieter:innen befürchten zudem Mieterhöhungen, die die Energiekosteneinsparungen übersteigen können.
Gezielte Fördermaßnahmen federn hohe Sanierungskosten ab
Die DIW-Forscher:innen empfehlen daher, mit zusätzlichen staatlichen Finanzspritzen und günstigen Darlehen vor allem einkommensschwache Haushalte bei Sanierungsvorhaben zu unterstützen. Dafür könnten bestehende Mechanismen des „Wohngeld Plus“ genutzt werden – ein staatlicher Wohnkosten-Zuschuss, der im Zuge der Gaspreiskrise auf Eigentümer:innen von selbstgenutztem Wohnraum ausgedehnt wurde. Von der neuen Förderung profitieren könnten 13 Prozent aller Eigentümer:innen in ineffizienten Gebäuden.
Mit Änderungen im Mietrecht zur Begrenzung der Modernisierungsumlage sollte sichergestellt werden, dass Warmmieten nicht steigen. Außerdem raten die Studien-Autor:innen, Mindestenergiestandards auch für Wohngebäude einzuführen, wie sie bereits für Nichtwohngebäude beschlossen wurden. Damit würden bestehende Anreize ergänzt, bei jeglicher baulichen Instandhaltung Effizienzanforderungen zu berücksichtigen.
Förderprogramme stabilisieren und warmmietenneutrale Sanierungen im Mietrecht verankern: Interview mit Karsten Neuhoff, DIW, Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik
Herr Neuhoff, hohe Energiekosten können durch eine energetische Sanierung reduziert werden. Was versteht man in diesem Zusammenhang unter einer „Worst-First-Strategie“?
Der Zustand unserer Gebäude unterscheidet sich sehr stark. Manche Wohnungen brauchen nur 30 bis 50 kWh Energie pro Quadratmeter, andere mehr als 300 kWh. „Worst First“ heißt, zuerst die 43 Prozent schlecht gedämmten Gebäude zu sanieren und erst danach die anderen Gebäude.
Welche Vorteile hat eine „Worst-First-Strategie“?
Mit der Wärmedämmung eines schlecht gedämmten Gebäudes spart man viel mehr Energie ein, weil man so den Energieverbrauch von 200 bis 300 kWh auf 50 bis 100 kWh pro Quadratmeter im Jahr senkt und nicht nur von 150 auf 50 bis 100 kWh. Das spart Kosten, weil man mit der gleichen Maßnahme viel größere Energieeinsparungen erreicht. Das hat auch für die Haushalte große Vorteile und spart zudem CO2-Emissionen.
Welche Haushalte würden von einer energetischen Sanierung besonders profitieren?
Wir haben festgestellt, dass Haushalte mit geringeren Einkommen tendenziell in schlechter gedämmten Wohnungen leben und Haushalte, die in Mietwohnungen wohnen, tendenziell schlechter gedämmte Wohnungen haben als Haushalte, die ihre Gebäude besitzen. Drittens wissen wir, dass Haushalte mit geringerem Einkommen auch einen größeren Teil ihres Einkommens für Miete, aber auch für Heizkosten ausgeben müssen. Alles drei zusammen führt dazu, dass insbesondere Haushalte mit geringerem Einkommen besonders hohe Heizkosten haben und besonders hart getroffen sind, wenn Heizkostenpreise steigen.
Wie ist es um das Kosten-Nutzen-Verhältnis von energetischen Sanierungen bestellt?
Im Allgemeinen lohnt sich eine energetische Sanierung durch die eingesparten Energiekosten und die Förderung. Ich glaube aber, viele Eigentümer:innen haben einfach Angst vor den Unsicherheiten. Wie können sich die Kosten entwickeln? Wie hoch sind die Energiepreise in der Zukunft? Wie groß sind die Einsparungen denn dann wirklich? Und genau diese Unsicherheiten müssen wir vielleicht noch besser adressieren, gerade für Haushalte mit geringem Einkommen, die aber dennoch eine Wohnung besitzen.
Inwieweit können die hohen Energiekosten durch das in der Gaspreiskrise erweiterte Wohngeld-Plus oder das Klimageld abgefedert werden?
Beide Instrumente bieten eine pauschale Zahlung für die Haushalte an, um dadurch Kostenanstiege abzufedern. Allerdings bieten die pauschalen Zahlungen beider Instrumente den Haushalten in besonders schlecht gedämmten Wohnungen keine ausreichende Kompensation für die angestiegenen Energiekosten. Wenn man jedoch diese Zahlungen von den Energieverwendungen in den Haushalten abhängig machen würde, würden zugleich auch die Anreize, energetische Sanierungsmaßnahmen umzusetzen, eingeschränkt werden. Deswegen besteht hier ein gewisses Dilemma bei der Ausgestaltung der Politik.
Wie könnte die Politik dazu beitragen, dass mehr ineffiziente Gebäude energetisch saniert werden?
Wir haben gesehen, dass der CO2-Preis alleine als Anreiz für energetische Sanierungen nicht ausreicht. Daher sind Förderprogramme wichtig. Vielleicht ist auch eine stärkere Ausrichtung der Förderprogramme auf einkommensschwache Haushalte, wie zum Beispiel in Großbritannien, ein wichtiger Ansatz. Drittes haben wir jetzt auf europäischer Ebene eine Regelung, dass alle Nicht-Wohngebäude einen Mindeststandard erreichen müssen. Diese Regelung sollte national auch für Wohngebäude umgesetzt werden, damit alle Eigentümer:innen wissen, dass sie innerhalb der nächsten zehn Jahre Gebäude sanieren müssen und damit auch die Chancen nutzen können, die Förderprogramme und Energiekosteneinsparungen bieten.
Quelle: DIW / ab