Auf dem vom Forschungsinstitut für Wärmeschutz (FIW) veranstalteten Treffen in München kamen Hersteller von Dämmstoffen sowie Expertinnen und Experten zusammen, um die nicht nur positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre Revue passieren zu lassen und sich über Trends und mögliche Lösungen auszutauschen. In zahlreichen Vorträgen stellten Mitarbeitende des Instituts und mit dem Institut verbundene Referent:innen Ergebnisse ihrer Arbeit vor und gaben Einblick in laufende Projekte. So vermittelten sie einen Eindruck davon, wie viel allein ein konsequenter Wärmeschutz, eine entsprechende Ertüchtigung von Gebäudehüllen und Industrieanlagen, zu einer gelungenen Gebäude-, Wärme-, ja Energiewende beitragen kann, bis hin zur Schaffung eines klimaneutralen Gebäudebestands.
Klimaschutz als Aufgabe mit ethischer Dimension
Das Spektrum der Beiträge war einigermaßen breit: Es ging beispielsweise um neue Messverfahren und Prüfmethoden, um etwa den Feuchtegehalt von Dämmmaterialien zu bestimmen oder zur Bestimmung des instationären Wärmedurchgangs, um Materialien und Beschichtungen, die unter freiem Himmel auch an sonnigen Sommertagen Wärme abstrahlen und so zur Kühlung eingesetzt werden können. Daneben wurden ein Überblick über die zahlreichen Labels und Gütezeichen geboten sowie eine Analyse der Wirksamkeit der BEG-Förderung, auf Basis der Daten für die Jahre 2021 bis 2022, darüber hinaus Einblicke in die Prozesse der Normung und der Zertifizierung von Dämmstoffen.
Einleitend lenkte der Vorstandsvorsitzende des FIW, Klaus W. Körner, den Blick auf den größeren Zusammenhang, in den die Aktivitäten des Instituts einzuordnen seien. Der Kampf gegen den Klimawandel, der Klimaschutz, auch in Form des Wärmeschutzes von Gebäuden, sei eine Aufgabe mit einer ethischen Dimension. Und die Vernachlässigung des Klimaschutzes entsprechend eine „Versündigung an den nächsten Generationen“. Er müsse im Gegenteil im Grunde sogar „Staatsziel“ werden. (Das ist er gemäß Art. 20a des Grundgesetzes bereits, allerdings nicht dem Namen nach.) Von der Regierung – hier war von der Ampel die Rede, die inzwischen Vergangenheit ist – sei er enttäuscht, es sei in Sachen Energiewende zu wenig passiert. Der FIW-Vorsitzende nannte es eine „Bürgerpflicht“, die Regierenden in diesem Sinne unter Druck zu setzen.
Europäische Richtlinien müssen umgesetzt werden
Institutsleiter Andreas Holm ging auf die rechtlichen Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität ein. Um sein Fazit vorwegzunehmen: Das Ziel ist immer noch zu erreichen, doch braucht es parallel Anstrengungen in mehreren Bereichen. Holm listete nicht wenige energiepolitische Vorgaben der EU auf, die die Richtung weisen, die aber offenbar viele zwischen Flensburg und Basel noch nicht zur Kenntnis genommen haben. Oder die sie zwar kennen, zumindest von ihnen gehört haben, sich über ihre Konsequenzen und Auswirkungen jedoch nicht im Klaren sind.
Zu nennen sind das europäische Klimagesetz (European Climate Law – oder: ECL), das die Leitlinien des European Green Deal enthält, die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (Renewable Energy Directive III – oder: RED III), die europäische Energieeffizienz-Richtlinie (Energy Efficiency Directive – oder: EED), und last, but not least die EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive – oder: EPBD). Darüber hinaus führte er die nationalen Regularien auf, darunter das Klimaschutzgesetz (KSG) sowie das Energieeffizienzgesetz (EnEfG), schließlich das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das auf Grundlage der EPBD demnächst wird umgearbeitet werden müssen.
Die EU-Gebäuderichtlinie muss in Deutschland spätestens bis Mai 2026 in Rechtsvorschriften umgesetzt werden. Und auch wenn sie die Eigentümer:innen von Wohngebäuden nicht allzu sehr in die Pflicht nimmt, weil sie keine gebäudescharfen Vorgaben in Form von Minimum Energy Performance Standards (MEPS) macht – anders als für Nichtwohngebäude – so ergeben sich im nationalen Rahmen doch einigermaßen anspruchsvolle Verpflichtungen. Die EPBD verlangt von den Mitgliedstaaten den Aufbau einer landesweiten Datenbank, in der der Zustand der Immobilien erfasst wird, um eine Bilanzierung des Gesamtbestandes zu ermöglichen. Auf diesen Daten basierend soll dann in Brüssel ein nationaler Gebäuderenovierungsplan vorgelegt werden, ein Fahrplan mit nachvollziehbaren, messbaren Fortschrittsindikatoren. Auf diese Weise soll der Gebäudebestand EU-weit bis 2050 komplett CO2-neutral werden. Aber dabei nicht vergessen: Deutschland will das bis 2045 geschafft haben.
Frappierend war der Kontrast zur tatsächlichen Entwicklung hierzulande. Holm musste an den Boom fossiler Heizungen im Laufe des Jahres 2023 erinnern, gut 800.000 Gas- und 100.000 Ölheizungen waren damals verkauft worden. Diese Heizungen werden für eine lange Zeit Emissionsquellen bleiben und die Bilanz gefährden. Das ist umso schlimmer für die Betreiber:innen und die Bewohner:innen der betreffenden Gebäude, als durch Ausdehnung des EU-Emissionshandels auf den Gebäudebereich (EU-ETS-2) ab 2027 die Preise für fossile Energie stark steigen dürften.
Bald hohe Mehrkosten fürs Heizen mit Gas und Öl
Christoph Sprengard, beim FIW für den Bereich Forschung und Entwicklung zuständig, erläuterte die Einsparpotenziale im Gebäudebereich durch Verbesserung des Wärmeschutzes genauer. Er bestätigte Holms Aussage, dass das Ziel der Klimaneutralität des Gebäudebestands bis 2045 noch zu erreichen sei. Bedingung sei jedoch, dass die Sanierungsrate gesteigert werde, bis 2030 auf 1,7 Prozent, danach auf 1,9 Prozent. Es reiche dazu bereits eine Sanierung auf das Niveau des Effizienzhauses 70. Hilfreich seien sicher konkrete, gebäudescharfe MEPS, auch für Wohngebäude, wie sie von der EPBD vorerst zurückgestellt wurden. Die energetische Verbesserung der Gebäudehüllen schaffe dann wiederum die Voraussetzungen für den flächendeckenden Einsatz von Wärmepumpen und die Nutzung der Bausubstanz als Wärmespeicher, womit eine wichtige Voraussetzung für die Netzdienlichkeit der Gebäude vorhanden wäre. Die ja zudem auch noch im großen Stil mit Photovoltaik ausgerüstet werden könnten.
Umfassende energetische Sanierung verhindere außerdem Energiearmut. Wird ab 2027 der Emissionshandel auf den Gebäudebereich ausgedehnt, stiegen die CO2-Preise und damit – siehe oben – die Preise fossiler Energieträger. Tatsächlich ist in nicht ganz unrealistischen Szenarien des Umweltbundesamtes und des Thinktanks Agora Energiewende von dann rund 200 Euro pro Tonne CO2 oder mehr die Rede. Für Eigentümer:innen von Worst Performing Buildings (WPB), also Gebäuden der schlechtesten Effizienzklasse H, kann das laut Sprengard eine Mehrbelastung von 3.000 Euro im Jahr bedeuten. Sofern das Haus mit Gas beheizt wird. Hat es eine Ölheizung, können es 4.000 Euro werden. Ein Risiko, das sich nur mit systematischer Nachrüstung des Wärmeschutzes werde abwenden lassen, in Kombination mit dem Einsatz regenerativer Energien. Um diesen Prozess in Gang zu bringen, könnte man Sprengard zufolge auch über das Instrument der „aufsuchenden Energieberatung“ nachdenken.
Im Zusammenhang mit dem Thema Energiearmut, das auch in der EU-Gebäuderichtlinie adressiert wird, präsentierte Sprengard eine Grafik, die EU-weit Daten zur Energiearmut dem Standard des Wärmeschutzes der Gebäude in den Mitgliedsstaaten gegenüberstellt. Es lässt sich eine Korrelation herauslesen: Wo 2022 die Gebäudeisolierung am schlechtesten war, war das Risiko am größten („Inability to keep house adequately warm in 2022“, basierend auf Zahlen des Industrieverbandes EAE-ETICS, der European Association for External Thermal Insulation Composite Systems).
Energiepreisbremse hat dringend nötige Modernisierung blockiert
Kerstin Lohr, zu deren Arbeitsschwerpunkten am FIW unter anderem die Energiebilanzierung von Gebäuden zählt, stellte eine Untersuchung zur Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Modernisierung von Ein- und Zweifamilienhäusern vor. Diese immerhin rund 16,2 Millionen Objekte stellen energetisch und ökologisch gesehen bekanntlich eine schwere Hypothek dar. Mehrere Sanierungsvarianten und Sanierungsstufen habe man durchgespielt, auch Finanzierungs- und Sowiesokosten habe man neben den Energie- und Betriebskosten berücksichtigt. Die Variante mit lediglich dem Austausch der Heizung habe sich als auf Dauer am unwirtschaftlichsten herausgestellt. Untersucht worden waren ein Haus des Baujahres 1960 und eines von 1990.
Allein die Sanierung der Gebäudehülle hat den jährlichen Endenergiebedarf von 440 auf etwas über 120 Kilowattstunden pro Quadratmeter reduziert, den spezifischen Heizenergiebedarf im Jahr von gut 260 auf 50 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Wird lediglich die Ölheizung gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht, sinkt der Jahres-Endenergiebedarf zwar noch leicht auf glatt 120 Kilowattstunden pro Quadratmeter, der spezifische Jahres-Heizenergiebedarf steigt dagegen sogar leicht auf etwa 270 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Größere Einsparungen ergaben sich gemäß Berechnung mit der Sanierung auf Effizienzhaus-100-Niveau, die größten natürlich im Fall des Updates des Gebäudes zum Effizienzhaus 40.
Als ein Grund für die insgesamt ungünstige Entwicklung der Gebäudeertüchtigung nannte Lohr die bekannte Unwucht in der Förderung: Der Heizungstausch wird weitaus großzügiger unterstützt als die Gebäudedämmung. Zusätzlich hätten die „Mehrausgaben im Bereich der Energiepreisbremsen“ nach Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine offenbar die dringend nötige Modernisierung des Baubestandes ausgebremst. Mit diesen 64 Milliarden Euro, so die FIW-Mitarbeiterin, hätte man in Form von Förderung die energetische Modernisierung von 14 Millionen der besagten Gebäude auf das Effizienzhaus-85-Level auslösen können.
Hochleistungsdämmung, Einblasdämmung und technische Dämmung
Andreas Huther vom Dämmstoffhersteller Puren berichtete von einer ehrgeizen Quartierssanierung in Überlingen am Bodensee, ein Projekt mit Wärmenetz, das Umbau und Neubau vereinte und unter Verwendung hochdämmender Materialien die Neubauten auf den KfW-Effizienzstandard 40 Plus bringen konnte. Dank des somit bescheidenen Wärmebedarfs kann der Rücklauf der neuen Gebäude als Vorlauf der Bestandsbauten dienen. Nicht ganz einfach war wohl die Einbindung der Wohneigentümergemeinschaften vor Ort, die aber am Ende mit guten Argumenten doch überzeugt werden konnten.
Um die Materialien, die normalerweise etwas weniger Aufmerksamkeit bekommen, hatte sich Sebastian Treml gekümmert, und zwar um die sehr leichten Schütt- und Einblasdämmstoffe, die in Flocken- und Faserform eingebracht werden. Sie stehen unter dem Verdacht, aufgrund der geringen Dichte anfällig für Wärmeverluste durch Konvektion zu sein. Treml, zu dessen Arbeitsgebieten am FIW unter anderem innovative und Hochleistungsdämmstoffe gehören, konnte Entwarnung geben: die Verluste durch Durchströmung fielen überraschend niedrig aus.
Das auch außerhalb des Gebäudebereichs ein erhebliches CO2-Einsparpotenzial wartet, machte Andreas Gürtler in seinem Beitrag klar, Direktor der European Industrial Insulation Foundation (EIIF). Durch technische Dämmung könnten EU-weit jährlich 160 Terawattstunden Energie und 40 Megatonnen CO2 des Treibhausgases eingespart werden, davon in Deutschland allein 40 Terawattstunden Energie und zehn Megatonnen CO2. Diese Zahlen erklären sich aus den hohen Prozesstemperaturen, mit denen Industrieanlagen teils gefahren werden. Sie führen zu hohen Verlusten, die jedoch mit einfachsten Mitteln abgestellt werden könnten. Gürtler, dessen Organisation auch Auditor:innen ausbildet, wies auf die Software der EIIF hin, mit denen sich die jeweiligen Energieeffizienzklassen einer Anlage gemäß EN 17956 berechnen lassen, darunter auf ein Tool namens Tipcheck, mit dem EIIF-zertifizierte Expert:innen das konkrete Einsparpotenzial durch technische Dämmung ermitteln können. Auch den industriellen Sektor betreffen gesetzliche Vorgaben, darunter die des EnEfG, das verlangt, den Endenergieverbrauch in Deutschland bis 2030 um 26,5 Prozent gegenüber 2008 zu senken, bis 2045 um 45 Prozent. Das heißt: Von 2.544 Terawattstunden jährlich 2008 muss man bis 2030 auf 1.867 kommen, bis 2045 auf 1.400 Terawattstunden.
Reichlich Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Klimawende
FIW-Leiter Holm kam in seiner Schlussnote noch einmal auf die enormen Herausforderungen zu sprechen, die gerade auch die von Lohr behandelten, unsanierten Ein- und Zweifamilienhäuser darstellten. Die befänden sich häufig in den Händen älterer Eigentümer:innen, so dass sich lange Amortisationszeiten hier besonders negativ auswirkten. (Damit spielte er nebenbei auf eine andere Baustelle der Politik an: die Altersdiskriminierung durch die Banken. Senior:innen haben oft große Probleme, die notwendigen Darlehen für eine Modernisierung zu erhalten.) Doch insgesamt zog der Institutsleiter ein optimistisches Fazit. Nicht ganz zu Unrecht, denn die Beiträge des Forschungstages haben zwar klar gezeigt, wo die Probleme liegen, aber auch, wo die Ansatzpunkte sind, wo die Chancen warten – und von denen gibt es mehr als genug. Quelle: ab