Springe zum Hauptinhalt Springe zum Hauptmenü Springe zur SiteSearch

Wer kennt den Weg aus der Wohnungskrise?

Nicht weniger als sieben Verbände des Bau- und Immobiliensektors, die sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben, hatten am 10. April in Berlin und online zum Wohnungsbautag eingeladen: der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel e.V. (BDB), die IG Bauen-Agrar-Umwelt, der Deutsche Mieterbund (DMB), der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau e.V. (DGfM) sowie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB).

Leitthema der Veranstaltung war der Wohnraummangel, der mehr und mehr zum sozialen Sprengstoff werde. So erinnerte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten daran, dass inzwischen auch Normalverdienende Schwierigkeiten hätten, eine angemessene Wohnung zu finden.     

Erklärtes Ziel des Bündnisses ist es, den Wohnungsneubau voranzutreiben. Katharina Metzger, Präsidentin des BDB, stellte einleitend den Zusammenschluss als Reaktion auf eine verfehlte Politik dar. Die sei von aus Verbändesicht irrigen Parolen geprägt, Parolen wie „Deutschland ist gebaut“ oder „Wir haben kein Neubau-, sondern ein Abrissproblem“, eine Haltung, der man durch die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärungsarbeit entgegenwirken wolle.         

Geywitz: Überambitionierte Effizienzvorgaben hemmen die Bautätigkeit      

Die Keynote kam von Noch-Bundesbauministerin Klara Geywitz, SPD, und sie brachte zuerst einmal eine gute Nachricht: Von dem von der Koalition beschlossenen 500-Millarden-Sondervermögen werde zum nicht geringen Teil das Baugewerbe profitieren. Geywitz identifizierte als Ursachen der lahmenden Bautätigkeit zum einen die Überregulierung generell, dann überzogene Natur- und Umweltschutzauflagen und natürlich überambitionierte Effizienzvorgaben für Gebäude. Außerdem hätten die ab Anfang 2022 stark gestiegenen Zinsen eine Rolle gespielt, gerade die Baubranche reagiere extrem sensibel auf Zinsentwicklungen.

Als eines der Haupthemmnisse aber machte Geywitz wie viele andere im Rahmen dieser Veranstaltung die strengen Effizienzrichtlinien aus. Die Ministerin rechnete es sich folgerichtig als Verdienst an, gebäudescharfe Vorgaben in der EU-Richtlinie, der EPBD, verhindert zu haben, zumindest für Wohnimmobilien – und damit drohende „Zwangssanierungen“. Um die Überregulierung einzugrenzen und so die Bautätigkeit wieder anzukurbeln, habe ihr Ministerium den Gebäudetyp E auf den Weg gebracht, der für Vereinfachung stehe.

Wohnraummangel? Genau betrachtet gibt es zu viele Single-Wohnungen  

Diesen Begriff mit Inhalt zu füllen, traten anschließend Dietmar Walberg sowie Arnt von Bodelschwingh an, der eine Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE) in Kiel, der andere geschäftsführender Gesellschafter des Berliner Instituts Regiokontext. Sie stellten eine Studie der beiden Institutionen vor, die die Problemlage ausführlich erläuterte, samt des Fachkräftemangels und der stark gestiegenen Baukosten. Konkretes zum einfachen Bauen böten der „Hamburger Standard“ und der Regelstandard Erleichtertes Bauen“ des Landes Schleswig-Holstein. Durch Verzicht auf Tiefgaragen, geringere Geschossdeckenstärken, abgespeckte Anlagentechnik, Reduzierung der Anzahl der Steckdosen und einiges mehr ließen sich nahezu 40 Prozent der Kosten einsparen. Dazu sei ein Wärmeschutz auf dem Niveau der EnEV 2009 völlig ausreichend.

Als gravierenden Missstand führten Walberg und von Bodelschwingh indes ein Phänomen an, das schwerlich etwas mit Überregulierung, überzogenem Naturschutz oder übertriebenen Effizienzstandards zu tun haben kann: zu viele und zu große Single-Wohnungen in den Ballungszentren (wie schon vom Umweltbundesamt festgestellt), weswegen Familien mit Kindern in die Randgebiete verdrängt würden. Auf dem Land dagegen fehlten Single-Wohnungen, in die zum Beispiel alleinstehende Bewohner:innen von Einfamilienhäusern ziehen und so ihre Häuser für Familien freimachen könnten.

Eine Mehrheit begrüßt den Koalitionsvertrag

Im Anschluss an die Keynote und die Vorstellung der Wohnungsbau-Studie sprachen Verbände und Politik über Wege aus der Krise.

Tobias Seifert / Wohnungsbautag 2025

Im Anschluss an die Keynote und die Vorstellung der Wohnungsbau-Studie sprachen Verbände und Politik über Wege aus der Krise.

In der darauf folgenden Gesprächsrunde zwischen den Verbandsvertreter:innen und den Vertreter:innen der Politik wurde die Bedeutung des Wohneigentums für die Gesellschaft beschworen. Einer Studie zufolge gehöre das eigene Haus nach wie vor zum Lebenstraum junger Menschen, gab Klara Geywitz zu bedenken. Und laut Michael Kießling, CSU, ist das Eigenheim oder auch die Eigentumswohnung ein „Leistungsversprechen“. Womit er aber offenbar nicht das Versprechen meinte, mit der Unternehmen Kundschaft anlocken, so die allgemeine Definition, sondern Wohneigentum als Belohnung für Leistung.                       

Dirk Salewski vom BFW behauptete, unter Berufung auf die Gesetze der Physik, die äußerst energieeffiziente Bauweise spare zwar Betriebsenergie, doch koste die Produktion beispielsweise der Dämmmaterialien dafür eben auch Energie. Damit andeutend, die Dämmung von Gebäuden bringe über die Gebäudelebensdauer gerechnet keine CO2-Reduktion. Konsequent forderte er „Abschied von der Gebäudebetrachtung, hin zum Quartier, weg von der Energieeffizienz, hin zur Emissionseffizienz“.

Laut Umweltbundeamt allerdings haben sich die Dämmstoffe in der Regel nach nicht einmal zwei Jahren energetisch amortisiert. Auch GdW-Präsident Axel Gedaschko, Mitbegründer der „Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor“, störte sich an der Orientierung an Effizienzrichtlinien, meinte jedoch mit Bezug auf die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) mit ihren entsprechenden Vorgaben, dass man die ja auch wieder ändern, umschreiben könne.

Eine Mehrheit der Anwesenden zeigte sich daher unterm Strich zufrieden mit dem Koalitionsvertrag von Union und SPD, der die CO2-Einsparung als neue Leitgröße der Gebäudebewertung vorsieht. Abgesehen einmal von Ines Schwerdtner von der Linken: Die Vereinbarung benachteilige eindeutig sozial schwache Mieter:innen. Und Hanna Steinmüller von Bündnis 90/Die Grünen antwortete auf die Frage der Moderatorin, ob ihre Partei mit den Effizienzregulierungen nicht „übers Ziel hinausgeschossen“ sei, recht klar mit einem Nein – es habe viel aufzuholen gegeben. Klimaschutz sei darüber hinaus auch Mieterschutz.

Bundesbauministerin Klara Geywitz kritisierte in ihrer Keynote überzogene Anforderungen hinsichtlich des Natur- und Umweltschutzes sowie zu ambitionierte Effizienzvorgaben.

Tobias Seifert / Wohnungsbautag 2025

Bundesbauministerin Klara Geywitz kritisierte in ihrer Keynote überzogene Anforderungen hinsichtlich des Natur- und Umweltschutzes sowie zu ambitionierte Effizienzvorgaben.

DUH: „Alarmierender Abgesang auf Energieeffizienz und Baustandards“

Der Kommentar von Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH), im Anschluss Veranstaltung, hatte eine ähnliche Stoßrichtung und er fiel deutlich aus: „Der Abgesang der Wohnungswirtschaft auf Energieeffizienz und Baustandards beim Wohnungsbautag ist wenig überraschend, aber dennoch alarmierend. Offensichtlich duckt sich die Wohnungswirtschaft vor den zwingend notwendigen Investitionen in unsere maroden Gebäude und das auf Kosten der Mieter: Diese bleiben ohne Sanierung am Ende auf hohen Energiekosten sitzen. Verantwortungsvolle Gebäudepolitik hört nicht bei der CO2-Einsparung auf, sondern setzt auf energiesparsame Gebäude, die eine elementaren Beitrag für einen stabilen und erneuerbaren Stromsektor leisten. Die neue Bundesregierung ist gut beraten, dem Ego-Trip der Wohnungswirtschaft nicht weiter auf den Leim zu gehen.“

Bereits am Tag zuvor hatten die Architects for Future (A4F) in einem offenen Brief an das Verbändebündnis das Problem des Wohnraummangels vollkommen anders eingeordnet, es vor allem in den historisch-politischen Kontext gestellt. Die Wohnungskrise sei „das Ergebnis jahrzehntelang verfehlter politischer Weichenstellungen.“ Mietpreisbindungen, die Einführung der Wohngemeinnützigkeit und Wohnungsbauprogramme hätten in der Nachkriegszeit für einen Sozialwohnungsbestand „von unglaublichen vier Millionen Wohneinheiten“ gesorgt, jedenfalls bis zum Ende der 1980er. Schon bis 1974 jedoch habe man die Mietpreisbindungen schrittweise abgebaut, dann 1990 die Wohngemeinnützigkeit abgeschafft und so „auf einen Schlag 3,5 Millionen Wohneinheiten kommerzialisiert. Ab 1990 startete zusätzlich eine riesige Privatisierungswelle: Nicht nur im Osten über das Altschuldenhilfegesetz, sondern auch im Westen wurden hunderttausende öffentliche Wohnungen an private Investor:innen verkauft. Steuerreformen in den 2000ern haben zusätzlich Kapitalanlagen in Immobilien besonders begünstigt und Bodenspekulation befeuert.“

Mit zu den weit verbreiteten Dämm-Mythen gehört die Vorstellung, dass die Produktion der Dämmstoffe mehr Energie verbrauche und Emissionen verursache, als die Materialien einsparen könnten. Das Gegenteil ist der Fall.

Umweltbundesamt / Fraunhofer IEG / Fraunhofer ISI

Mit zu den weit verbreiteten Dämm-Mythen gehört die Vorstellung, dass die Produktion der Dämmstoffe mehr Energie verbrauche und Emissionen verursache, als die Materialien einsparen könnten. Das Gegenteil ist der Fall.

Architects for Future: Sanierung erleichtern anstatt den „Bauturbo“ starten   

Anstatt einer Neubaustrategie brauche es jetzt ein Umlenken der Politik. Denn im Grunde sei der Wohnraum ja vorhanden: „Über zwei Millionen Wohnungen stehen leer – viele aus spekulativen Gründen. Strengere Regeln für Leerstand, Zweckentfremdung und Mehrfachwohnsitze können zeitnah und ohne Investitionsaufwand Entlastung schaffen. Gleichzeitig müssen Wohnungstausch und neue Wohnformen auch als Antwort auf die Veränderungen unserer Gesellschaft ermöglicht und gefördert werden.“ Außerdem könne man allein 1,2 Millionen zusätzliche Wohnungen durch Aufstockung, Umnutzung und Dachausbau schaffen, das spare „CO2 und Ressourcen. Ein UMBaugesetzbuch und eine bundeseinheitliche UMBauordnung muss Sanierung erleichtern.“ Wohngemeinnützigkeit müsse wieder eingeführt werden. „Dauerhaft bezahlbarer Wohnraum muss aus der Marktlogik herausgelöst werden. Das kann nur gelingen, wenn Wohnungen im großen Stil unter das Dach der Gemeinnützigkeit kommen.“ Auch gelte es, Sozialwohnungen zu sichern: „Jährlich fallen zehntausende Sozialwohnungen aus der Bindung. Eine Wohnraumstrategie muss sicherstellen, dass geförderter Wohnraum dauerhaft erhalten bleibt und ausgebaut wird. Ansonsten wird das System des Sozialwohnungsbaus für nachfolgende Generationen wieder zur Sackgasse.“ Die Neuerrichtung von Immobilien lehnen die A4F aber nicht grundsätzlich ab. Nur bitte „nachhaltig und sozialverträglich für die Stadtgesellschaft! Mit reinem Neubau auf der grünen Wiese, wie es der “Bauturbo” befeuern möchte, ist es nicht getan.“ Quellen: BDB / DUH / Architects for Future / ab