„Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ – so haben die Ampelpartner ihren Koalitionsvertrag betitelt. Jede der drei Parteien darf sich mit einem ihrer Hauptmerkmale darin vertreten sehen. Ob auch etwas für die Gebäudeeffizienzbranche dabei ist, zeigt ein Blick in das 178-seitige Papier. Zuerst die wichtigste administrative Maßnahme: Es wird ein Ministerium für Bauen geben, das die SPD leiten wird. Dann eine wichtige Entscheidung, nachdem Auslaufen der Neubauförderung für den KfW-Effizienzhausstandard 55: Im kommenden Jahr wollen die Koalitionäre ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau einführe, das insbesondere die Treibhausgasemissionen pro Quadratmeter fokussieren soll.
Bauen und Energie: Was im Koalitionsvertrag steht
Für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sieht das Koalitionspapier folgende Änderungen vor:
– Neue Heizungen müssen ab 2025 mit 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden. Aus Sicht des Energieberaterverbands GIH wäre dann nur noch Einbau bestimmter Hybridanlagen möglich, eine Kombination von Solarthermie mit Gas-Brennwert-Geräten schaffe in der Regel keinen Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren. Das wäre „somit auch das Aus für die EE-Klasse, da die gesetzliche Anforderung dann ja höher liegen“, schätzt der GIH.
– Bei wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden müssen die auszutauschenden Teile ab 2024 dem Effizienzhausstandard 70 entsprechen.
– Die Neubau-Standards werden zum 1. Januar 2025 an den Effizienzhausstandard 40 angeglichen.
Außerdem wollen die Ampelkoalitionäre nachhaltige Entwicklungen im Bausektor anstoßen:
– Ein digitaler Gebäuderessourcenpass soll helfen, den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können.
– Sanierungsfahrpläne sollen für Wohnungseigentumsgemeinschaften und beim Kauf eines Gebäudes nichts mehr kosten.
– Das Förderprogramm für serielles Bauen soll ausgeweitet werden.
– Der Gebäudeenergieausweis soll vereinheitlicht und digitalisiert werden. Er hoffe, dass damit Bedarfsausweis zum digitalen Standard werde, kommentiert der Energieberaterverband GIH.
– Für Gewerbebauten sieht das Papier eine Solarpflicht vor. Bei privaten Neubauten soll sie zur Regel werden.
– Um den Ausbau der Photovoltaik zu beschleunigen, wollen die Koalitionäre die Netzanschlüsse und die Zertifizierung beschleunigen, Vergütungssätze anpassen sowie die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel prüfen.
- Zur CO2-Bepreisung heißt es, man prüfe „einen schnellen Umstieg auf die Teilwarmmiete“ und wolle zum 1. Juni 2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen einführen.“ Sollte dies zeitlich nicht gelingen, werden die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab dem 1. Juni 2022 hälftig zwischen Vermieter und Mieterin bzw. Mieter geteilt.
Erste Reaktionen: Was Verbände zum Koalitionsvertrag sagen
Bereits kurz nachdem Olaf Scholz und die Vorstände der drei Parteien ihre Vereinbarung vorgestellt hatten, meldeten sich die ersten Verbände mit ihren Einschätzungen. So begrüßt der Energieeffizienzverband AGFW die Zusicherung der Ampel-Koalition, sich für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einzusetzen. Ebenso wertet er das Bekenntnis zur Errichtung moderner Gaskraftwerke zum Erhalt der Versorgungssicherheit als wichtiges und positives Signal. Auch die angemessene Berücksichtigung der Marktpreise bei der künftigen KWK-Förderung sei ein wichtiges Bekenntnis. Allein der nochmals vorgezogene Kohleausstieg und die hohen erneuerbaren Ziele im Wärmemarkt würden geeigneter Instrumente und substanzieller Anreize bedürfen.
Für die Bundesingenieurkammer geht der Koalitionsvertrag zwar in die richtige Richtung, vergibt aber wichtige Chancen. Angesichts der immensen Herausforderungen für den Planungs- und Bausektor seien jetzt jedoch vor allem finanzielle Verlässlichkeit, geeignete Rahmenbedingungen sowie passende nachhaltige Unterstützungs- und Förderangebote erforderlich. Dazu zählt der Verband die Stärkung der Freiberuflichkeit sowie die dringend notwendige Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure.
Der Bundesverband Solarwirtschaft sieht im Koalitionsvertrag das Signal für die dringend nötige Entfesselung der Solarenergie. Das Vorhaben, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen und die Ausbauziele für Solartechnik deutlich zu erhöhen hält er für folgerichtig. Der Verband begrüßt die Zielsetzung, dass die Wärmeversorgung bis 2030 zur Hälfte klimaneutral und Speicher als eigenständige Säule des Energiesystems rechtlich definiert werden sollen. Er unterstreicht die Notwendigkeit eines Sofortprogramms zur gewünschten Beschleunigung des Solar-Ausbaus. Eile sei dringend geboten, um die Versäumnisse und politischen Fehlentscheidungen der vergangenen Legislaturperiode zu korrigieren und zunehmend negativ wirkende Marktbremsen zu lösen.
Die Deutsche Umwelthilfe entdeckt Licht und Schatten. Positiv zu bewerten sei, dass neue Effizienzstandards gesetzt würden und der CO2-Preis beim Heizen auf Mieter und Vermieter aufgeteilt werde. "Viele weitere Ausführungen vor allem zu Sanierung und Dämmung bleiben aber zu vage", kritisiert die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. So würden sich die Koalitionäre beispielsweise hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft vor allem hinter europäischen Mindeststandards verstecken.
Aus Sicht der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz müssen in den angekündigten Sofortprogrammen, Klimachecks und Plattformen umfassende Ziele und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz festgelegt werden. Um den Gebäudebestand auf den Zielpfad zu bringen, seien verbindliche Mindeststandards für die energetisch schlechtesten Gebäude notwendig.
Die Energiewende im Gebäudebestand zum Scheitern verurteilt sieht Haus & Grund durch das Koalitionspapier. Die geplante Aufteilung des CO2-Preises ohne Rückerstattung hält der Eigentümerverband weder für klimapolitisch sinnvoll noch für sozial gerecht. Er kritisiert, dass die geplanten mietrechtlichen Vorhaben nur vordergründig Mietern zugute komme. Das Angebot an Mietwohnungen werde so nicht erhöht. Für die privaten Wohnungsanbieter werde das Vermieten noch komplizierter und teurer gemacht.
In weiter Ferne gerückt sieht der Verband der Immobilienverwalter Deutschland das Erreichen eines klimaneutralen Gebäudebestandes. „Dafür fehlen im Koalitionsvertrag konkrete Zusagen, wonach bestehende Wohnungseigentümergemeinschaften bei energetischen Sanierungen unterstützt werden können“, erklärt Verbandspräsident Wolfgang D. Heckeler. Die kostenlose Bereitstellung von Sanierungsfahrplänen für Wohnungseigentümergemeinschaften hält er für nicht ausreichend.
Quelle: Verbände / jb
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