Die Wissenschaftler aus Potsdam und Zürich wollten herausfinden, ob kleinere Versorgungssysteme tatsächlich deutlich teurer sind als ein kontinentales Versorgungssystem, erläutert Leitautor Tim Tröndle (IASS Potsdam/ETH Zürich): „Befürworter eines kontinentalen Systems argumentieren mit niedrigen Kosten, guten Ausgleichsmöglichkeiten für Fluktuationen und effizienter Nutzung der Ressourcen unabhängig von ihrem Ort. Das ist zwar nicht von der Hand zu weisen, allerdings ist die Energiewende ja sehr stark von politischen Interessen und Bürgerbeteiligung geprägt. Deshalb müssen auch die Möglichkeiten kleinerer Systeme gründlich geprüft werden.“
Kostennachteil eines kleinteiligen Systems liegt unter 20 Prozent
Die Modellierungen bestätigten die Annahme, dass es am kostengünstigsten ist, wenn alle Länder sich in einem europäischen Verbundnetz mit Strom von den Standorten mit den besten Windbedingungen und der höchsten Sonneneinstrahlung versorgen. Jedoch sind die Mehrkosten kleinerer Systems gering, solange Fluktuationen zwischen Ländern und Regionen ausgeglichen werden. Dann können die Netzbetreiber mit nationalen oder regionalen Partnern handeln, um ihre lokale Versorgung auszugleichen: Statt Wind- und Solaranlagen zu drosseln oder deren Strom teuer zu speichern, können sie diesen an ihre Nachbarn weiterleiten, bei denen es gerade bedeckt und windstill ist.
Europäische Kooperation durch einen leistungsstarken Strommarkt kann so selbst in einem kleinteiligen System den Kostennachteil gegenüber dem kontinentalen Versorgungssystem auf unter 20 Prozent senken. Dieses Ergebnis der Studie stützt laut den Autoren die aktuellen Bemühungen um die Errichtung eines europäischen Strommarktes und des Ausbaus der Grenzkuppelstellen zwischen den Ländern, die für den Ausgleich der Fluktuationen notwendig sind.
Anforderungen an Infrastruktur unterscheiden sich stark
Der Standort der Stromerzeugung hat laut der Studie nur wenig Einfluss auf die Kosten einer vollständig erneuerbaren Stromversorgung. „Er definiert aber maßgeblich die Infrastruktur – besonders, ob mehr Erzeugungs- oder mehr Netzinfrastruktur nötig ist. Für eine schnelle Energiewende sollte die Frage der gewünschten Größe des Stromerzeugungssystems daher rasch geklärt werden“, empfiehlt Co-Autor Johan Lilliestam (IASS Potsdam/Uni Potsdam). Machbar seien mehrere Lösungen, von einem eher kontinentalen System, bei dem die Erzeugung an den besten Standorten konzentriert ist, bis hin zu vielen kleineren, lokalen Systemen, in denen der Strom nah an den Verbraucherinnen und Verbrauchern erzeugt wird.