Eine Studie von Aurora Energy Research zeigt, dass die Kosten für Wasserstoff erheblich davon beeinflusst werden, wie sich die Nachfrage in Zukunft entwickelt: Ein hoher Bedarf lässt den Preis deutlich ansteigen, vor allem, wenn er mit grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden soll. Das unterstreicht die Bedeutung der Frage, für welche Zwecke Wasserstoff eingesetzt werden sollte.
„Den stärksten Einfluss auf die Bedarfs- und Preisprognosen haben der Verkehrs- und der Wärmebereich“, sagt Alexander Esser von Aurora Energy Research. „Wird hier weitestgehend auf die direkte Nutzung von Strom statt Wasserstoff gesetzt, brauchen wir im Jahr 2050 nur rund 150 TWh Wasserstoff. Der geht dann vor allem in den Industriesektor, etwa die Stahl-, Zement- und Chemieindustrie. Kommt jedoch im Verkehr und für die Wärmeerzeugung in großem Stil Wasserstoff [direkt oder veredelt] zum Einsatz, könnte die Nachfrage im Jahr 2050 mit 500 TWh mehr als dreimal so hoch sein.“ Das entspräche rund der Hälfte der aktuellen Erdgasnachfrage in Deutschland.
Niedrigerer Bedarf erlaubt Nutzung von billigem Strom
Soll dieser erhöhte Bedarf ausschließlich mit grünem Wasserstoff gedeckt werden, lägen die Kosten pro MWh im Jahr 2040 mehr als doppelt so hoch wie beim niedrigen Bedarf von 150 TWh. Der Grund dafür liegt im hohen Strombedarf der Elektrolyse, wie die Berechnungen der Aurora-Experten zeigen: Bei niedriger Nachfrage können die Elektrolyseure anteilig viel häufiger die niedrigen Strompreise in Phasen mit viel Sonne und Wind nutzen.
Esser: „Wird dagegen mehr Wasserstoff benötigt, muss auch zu Zeiten höherer Strompreise Wasserstoff produziert werden, was die Wasserstoffpreise erhöht. Um die Kosten von grünem Wasserstoff gering zu halten, sollten somit Sektoren, in denen das möglich ist, bevorzugt elektrifiziert werden, allen voran der Verkehrs- und der Wärmesektor.“ Andernfalls wäre die künftige hohe Wasserstoffnachfrage nur dann zu akzeptablen Kosten zu decken, wenn ein hoher Anteil von blauem Wasserstoff (aus Erdgas mit CO2-Abscheidung und -Speicherung) zum Einsatz kommt.
Für den Gebäudesektor bedeutet dies, dass insbesondere die Bereitstellung von Niedertemperaturwärme elektrifiziert werden muss, Raumwärme und Trinkwassererwärmung also bevorzug über Elektro-Wärmepumpen bereitgestellt werden muss.
Interkontinental importierter Wasserstoff ist auch keine Lösung
Die Analyse ergibt zusätzlich, dass auch der Import von grünem Wasserstoff aus sonnenreichen außereuropäischen Regionen, beispielsweise Nordafrika, keine Lösung ist: Esser: „Sobald der Bau neuer Fernleitungen oder ein Transport per Schiff nötig ist, ist interkontinental importierter Wasserstoff teurer als der aus heimischer Produktion.“
Grüner Wasserstoff braucht politische Förderung
Unabhängig von der künftigen Entwicklung der Nachfrage zeigt die Studie auch, dass grüner Wasserstoff eine zusätzliche staatliche Unterstützung braucht, um mit blauem Wasserstoff konkurrieren zu können. Denn aktuell ist er rund 50 % teurer, und die Modellierung zeigt, dass er rein marktwirtschaftlich, also ohne Anschubförderung, erst in den 2040er-Jahren wettbewerbsfähig würde.
Um diesen Zeitpunkt vorzuziehen, müssen daher politische Maßnahmen gesetzt werden, damit in den kommenden Jahren ausreichend Elektrolyseure und Wasserstoff-Speicher errichtet sowie die nötigen erneuerbaren Stromerzeugungskapazitäten geschaffen werden.
Esser: „Fördermechanismen, wie eine Mindestquote für grünen Wasserstoff, würden bewirken, dass mit dem vermehrten Bau von Elektrolyseuren Skaleneffekte und technologische Fortschritte eintreten und so die Investitionskosten sinken.“
Gleichzeitig würde ein stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien zu mehr Phasen mit niedrigen Strompreisen führen. Esser: „Beides zusammen bewirkt, dass die Herstellung des grünen Wasserstoffs wettbewerbsfähig wird. Unter diesen Voraussetzungen könnte schon 2040 die Hälfte und 2050 rund 90 % der Wasserstoffnachfrage aus grünen Quellen gedeckt werden. GLR