Die deutsche Heizungsindustrie hat im Jahr 2023 ein Rekordergebnis erzielt. Insgesamt wurden 1,3 Mio. Wärmeerzeuger abgesetzt, was einem Plus von sagenhaften 34 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Dementsprechend hat auch die Bosch Home Comfort Group mit ihren in Deutschland aktiven Marken Buderus und Bosch Home Comfort ihren Umsatz um 11 % auf 5 Mrd. Euro gesteigert.
Mit dem Markteinbruch bei den Wärmepumpen ab Herbst 2023 sind die Erwartungen für das laufende Jahr allerdings deutlich verhaltener. Auch bei Bosch geht man davon aus, dass 2024 kein einfaches Jahr wird. Wie das Unternehmen mit der Situation umgeht, darüber sprach Tim Geßler aus der Redaktion Wärmewende für den GEB mit Stefan Thiel, Bereichsvorstand mit Zuständigkeit für Vertrieb in Deutschland, Schweiz, Österreich, Luxemburg und Teilen von Zentral- und Osteuropa. In diesem ersten Teil des Interviews geht es um die aktuelle Marktlage und die Perspektiven für das laufende Jahr.
Tim Geßler: Herr Thiel, nach drei Wärmepumpengipfeln, bei denen immer wieder neue Forderungen an die Heizungsbranche gestellt wurden, hat die Politik im letzten Jahr maßgeblich dazu beigetragen, dass die Nachfrage bei Wärmepumpen eingebrochen ist. Das muss doch frustrierend sein, oder?
Stefan Thiel: Alles in allem hat die Politik es geschafft, dass die Heizungsbranche jetzt in aller Munde ist und dass es vorwärts geht. Mit der Art und Weise, wie das alles vonstattengegangen ist, und dass dies nun zu einem Abwarten seitens der Endkunden geführt hat, damit müssen wir jetzt umgehen. Das hätte man besser machen können. Aber schlussendlich ist die Richtung und vor allem die daraus entstandene Fördersituation gut.
Trotzdem war das Auf und Ab im letzten Jahr natürlich brutal. Zu Beginn die extrem hohe Nachfrage bei Wärmepumpen, die ja praktisch alle großen Hersteller nicht bedienen konnten. Und dann kippt der Markt so schnell, dass wir jetzt keine Lieferzeiten mehr haben. Im Gegenteil, die Lieferkette ist durch die vollen Läger beim Großhandel und den Handwerkern verstopft.
Dazu kommt, dass wir Geld in die Hand nehmen und bis 2030 eine Milliarde Euro in unser europäisches Entwicklungs- und Produktionsnetzwerk investieren. Dazu stehen wir auch weiterhin.
Dennoch ist das keine einfache Situation und wir sind froh, dass wir bei der Bosch Home Comfort Group einen technologieoffenen Ansatz verfolgen. Wenn wir nur mit Wärmepumpen unterwegs wären, sähe die Bilanz sicher nicht ganz so positiv aus. Da ist es schon gut, dass wir auf mehreren Standbeinen unterwegs sind.
„Die Zahl der Förderanträge bleibt bislang hinter den Erwartungen zurück.“
Geßler: Wäre es nicht Zeit für einen Wärmepumpengipfel, bei dem sich ausnahmsweise mal die Politik verpflichtet, mehr für den Wärmepumpenhochlauf zu tun?
Thiel: Die Anregung finde ich nicht schlecht. Die Endkunden haben zwar immerhin seit Ende Februar 2024 die Möglichkeit, wieder Förderanträge zu stellen. Allerdings bleibt die Zahl der Anträge bislang hinter den Erwartungen zurück. Und wenn die Nachfrage nicht bald anzieht, dann wird es irgendwann eng. Dann bräuchten wir tatsächlich Maßnahmen wie einen weiteren Gipfel.
Und zwar mit dem Ziel, den Hauseigentümern eine klare Orientierung zu geben, wo die Reise hingehen soll. Ein gute Förderkulisse haben wir seit Ende letzten Jahres. Jetzt gilt es, die weit verbreitete Unsicherheit zu überwinden und eine positive Stimmung für den Heizungstausch zu schaffen. Negative Konnotationen in der Öffentlichkeit können wir uns nicht mehr erlauben. Wir alle wollen die Wärmewende und wir wissen auch, was dafür zu tun ist. Also lasst uns loslegen!
Geßler: Auch angesichts der weit verbreiteten Unsicherheit, wie reagiert die Bosch Home Comfort Group auf den Nachfrageeinbruch bei Wärmepumpen?
Thiel: Unsere Strategie ist es, uns unabhängig von Förderkulissen bzw. von durch Förderung getriebenen Märkten zu machen. Wir haben uns schon immer so aufgestellt, dass wir diversifiziert unterwegs sind. Wir agieren also nicht nur auf Deutschland fokussiert, sondern adressieren auch andere Märkte. Das war immer ein großes Plus und daran halten wir fest.
Aber auch in Deutschland sind unsere Partnerbetriebe im Handwerk weiterhin gut ausgelastet. Vielleicht nicht mehr so wie noch vor ein paar Monaten, aber immer noch gut. Außerdem können wir über unser breites Produktspektrum auch Verschiebungen in der Nachfrage abdecken. Insgesamt könnte es natürlich besser sein, aber wir sind angesichts der schwierigen Marktlage zufrieden.
Geßler: Außerdem haben Sie schon sehr früh auf Hybridsysteme gesetzt…
Thiel: Ja, da haben wir ordentlich Marktanteile gewonnen. Auch wenn der Hybridmarkt erst im Entstehen ist. Diesen bauen wir jetzt weiter aus und haben sozusagen das Zeitalter der Wärmepumpen-Gas-Hybridlösungen ausgerufen. Zumal es nicht so viele Anbieter gibt, die richtige Hybridlösungen mit gemeinsamer Steuerung für beide Wärmeerzeuger anbieten.
„Ich schätze, dass wir am Ende des Jahres bei einer Million Wärmerzeuger liegen werden.“
Geßler: Mit welcher Entwicklung rechnen Sie bei den einzelnen Wärmeerzeugern im Laufe des Jahres?
Thiel: Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir am Ende des Jahres im Gesamtmarkt bei einer Million Wärmerzeuger liegen werden. Das wäre dann ein Rückgang von knapp 25 %. Das klingt dramatisch, aber eine Million ausgetauschte Geräte sind im deutschen Heizungsmarkt immer noch sehr viel, wenn man in die Vergangenheit schaut.
Ich gehe davon aus, dass etwa ein Viertel davon Wärmepumpen sein werden und bei den Gas-Heizgeräten werden wir 600 000 sehen, vielleicht auch etwas mehr. Der Rest verteilt sich dann auf Öl und Biomasse.
Insgesamt bin ich trotz des zu erwartenden Marktrückgangs optimistisch. Wir werden dieses Jahr die normalen Saisonkurven der einzelnen Wärmeerzeuger wieder sehen und dann werden wir 2024 rückblickend trotz allem als gutes Jahr verbuchen.
Geßler: Herr Thiel, vielen Dank für Ihre Einschätzung der aktuellen Marktlage. Weiter geht es im zweiten Teil des Interviews mit einem genaueren Blick auf die verschiedenen Heiztechnologien.
Den zweiten Teil des Interviews mit Stefan Thiel finden Sie hier:
Bosch: „Heizen mit Wasserstoff wird erstmal nicht kommen“
Stefan Thiel (Jahrgang 1972) ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und Diplom-Geologe. Er übernahm 2008 die Vertriebsleitung Photovoltaik bei der Bosch Solar Energy AG, bevor er 2013 als Vertriebsleiter zu Buderus Deutschland wechselte. Ab 2019 war er als Vertriebsleiter für die Region DACHL bei der heutigen Bosch Home Comfort Group verantwortlich. Seit Januar 2024 ist Stefan Thiel Mitglied des Bereichsvorstands der Bosch Home Comfort Group. Darüber hinaus ist er Mitglied im Vorstand des Bundesverbandes Wärmepumpe sowie Mitglied im Aufsichtsrat der HSG Wetzlar Handball-Bundesliga Spielbetriebs GmbH & Co.KG.