Michael Münter Amtschef des Umweltministeriums gab eine Übersicht über die aktuelle Energie- und Klimapolitik des Landes und wies auf die Weichenstellungen hin, die die neue Ampelkoalition im Bund rasch vornehmen müsse. So dürfe die neue Bundesregierung künftig nicht nur auf die finanzielle Förderung setzen, sondern sollte auch die energetischen Standards anheben.
Kritisch sah Münter den Beschluss der Bauministerkonferenz am 18. und 19. November, die „einseitige Ausrichtung auf die Gebäudedämmung“ aufzugeben. Man habe diese Aussage „irritiert zur Kenntnis genommen“, erklärte er. Dämmung sei unverzichtbar, um die Energiewende zu stemmen. In den gesetzlichen Regelungen könne niemand ernsthaft eine einseitige Ausrichtung auf Dämmstoffe herauslesen. Klare Wort auch zum Gebäudeenergiegesetz. Es stelle nicht den großen Wurf dar, es sei dort ein „Weiter-wie bisher“ festgelegt. Die Überarbeitung müsse eine der ersten Aufgaben der Bundesregierung sein. Es gehe nicht ohne besseres Ordnungsrecht, Förderung alleine reiche nicht.
Neugier macht offen für Veränderungen
Die Neurowissenschaftlerin Professor Maren Urner von der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln sprach in ihrem Vortrag die Bedeutung positiver und lösungsorientierter Kommunikation an. Nach einer entwicklungsgeschichtlichen und psychologischen Herleitung wies Urner auf Faktoren hin, wie Menschen und die gesamte Gesellschaft aus Blockadedilemmata wie der stockenden Gebäudesanierung kommen können. Ein Stichwort lautet „neue Erfahrungen“. Wer neugierig sei, erfahre etwas Neues. Das versetze das Gehirn in einen Zustand, der offen mache für Veränderungen. Das Reden über Probleme schaffe Probleme, das Reden über Lösungen schaffe Lösungen, so ihr Credo. Wer dies mehr bedenke, könne Veränderungsimpulse anstoßen.
Nikolaus Diefenbach vom Institut für Wohnen und Umwelt nannte konkrete Zahlen zu durchgeführten Sanierungsmaßnahmen. Beim Wärmeschutz liege die energetische Modernisierungsrate aktuell bei nur einem Prozent. Bei der Heizungserneuerung sei es dreimal so viel, wobei immer noch über 80 Prozent der bestehenden Wärmeerzeuger fossil betrieben würden. Wer die Klimaschutzziele erreichen wollte, müsse man doppelt so viele Gebäude konsequent dämmen. Eine deutliche Reduzierung des Wärmebedarfs sei nötig, da alle Energieträger begrenzte Potenziale aufwiesen. Zudem müsste die Heizungserneuerung weitgehend auf erneuerbare Quellen umgestellt werden. Fördermaßnahmen seien dabei zentraler Baustein, aber auch das Monitoring der Maßnahmen in Bezug auf die Lastenverteilung sowie Nachsteuern und Zielkontrolle. Dafür seien mehr Strukturdaten sind notwendig um exakter zu wissen, vor Ort an Dämmung und Heizung gemacht wird und wie die Instrumente wirken.
Suffizienz muss Effizienz und den Einsatz Erneuerbarer Energien ergänzen
Die freie Architektin Franziska Harms aus Heidelberg berichtete über minimalistische Raumkonzepte. Neben Effizienz und Erneuerbaren brauche es auch Suffizienz. Nötig sei eine absolute Energieverbrauchsreduktion, nicht nur eine relative pro Quadratmeter Wohnraum. Ein Beispiel zeigt, warum: Aktuell nutzt jede Person in Deutschland im Schnitt 47 Quadratmeter Wohnraum; in den siebziger Jahren war es noch die Hälfte. Dies müsse im Zuge der Energiewende wieder abnehmen.
Wie die Energiewende im Gebäudebestand praktisch umsetzbar ist, zeigte der Architekt Guido Schuler. Er stellte drei klimafreundliche Bestandssanierungen aus Baden-Württemberg vor, die zugleich einfach und kostengünstig umgesetzt wurden. Ein Beispiel ist das 1973 errichtete Wohnhaus Schmieder in Schenkenzell. Es wurde altersgerecht umgebaut, in zwei Wohnungen geteilt, die Gebäudehülle vorbildhaft gedämmt und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert. Als Wärmeerzeugung dient nun eine Wärmepumpe. Das energetische Resultat kann sich sehen lassen: Der Endenergiebedarf liegt nun bei zwölf Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.
Erneuerung des Gebäudeenergiegesetzes ist notwendig
Ministerialrat Tilo Kurtz, Referatsleiter für Energieeffizienz von Gebäuden im Umweltministerium des Landes, skizzierte, warum ein erneuertes Gebäudeenergiegesetz (GEG) nötig ist und welche Eckpunkte es beinhalten muss. Notwendig sei es, vom Ziel her zu denken: Klimaneutralität bis 2045 erfordere ambitionierten Neubau und einen klaren Plan für den Bestand. Der Jurist forderte unter anderem eine grundlegende Überarbeitung der Gesetzessystematik. Treibhausgasemissionen und Heizwärmebedarf sollten künftig die zentralen Anforderungsgrößen sein, statt Primärenergiebedarf und Transmissionswärmeverlust. Anstelle von Effizienzklassen kämen dann die Klimaklassen A+++ bis H. Mit ihnen ist der Treibhausgasausstoß von Gebäuden direkt ablesbar. Auch seien höhere energetische Anforderungen für Neubauten und Bestandsgebäude mit vorgegebenen Klimaklassen unabdingbar, die stufenweise erreicht werden müssen. Dazu gehöre auch eine langfristig angelegte Sanierungspflicht im Bestand. Außerdem müsse es möglich sein, das was gesetzlich gefordert wird, dennoch zu fördern.
Darüber hinaus seien weitergehende und schnellere Einschränkungen für die Nutzung fossiler Heizkessel, bessere Effizienzmaßstäbe im Betrieb sowie eine Neufassung der Energieausweise erforderlich. Ein besserer Vollzug mit schärferen Kontrollen findet sich ebenfalls in dem Vorschlag zum GEG 2.0 sowie ein höherer CO2-Preis. 2030 sollte er bei 125 Euro pro Tonne liegen und bis 2040 auf 275 Euro steigen.
Projekt zeigt kostengünstige Konzepte für Mehrfamilienhäuser
Martin Ploß vom Energieinstitut Vorarlberg erläuterte das Vorarlberger Forschungsprojekt KliNaWo. Zielvorgabe war, ein möglichst kostengünstiges Gebäudekonzept für neue Mehrfamilienhäuser zu erarbeiten, das trotzdem ambitionierte Klimaschutzziele erreicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mehrkosten hocheffizienter Gebäude so gering sein können, dass sie durch die Betriebskosteneinsparungen im Lebenszyklus mehr als ausgeglichen werden. Die Methodik des Projektes könne auf Sanierungen übertragen werden, auch in Deutschland, so Ploß.
Boris Mahler von der EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik informierte darüber, wie klimaneutrales Bauen und Sanieren real möglich ist. Grundlage der Berechnung von klimafreundlichen Gebäuden müsse die Lebenszyklusbetrachtung von der Errichtung über die Nutzung bis hin zum Rückbau und Recycling sein. Der gesamte CO2-Ausstoß von Gebäuden müsse von heute 30 Kilogramm pro Quadratmeter auf 4 Kilogramm 2040 sinken. Bei größeren Liegenschaftsbeständen brauche es, um dieses Ziel zu erreichen, eine richtige Projekt- und Maßnahmenreihenfolge: Nach Analyse und Auswertung der Daten erfolge die Auswahl der passenden Maßnahmenpakete. Dies zeige einen zeitlich sinnvollen Pfad in Richtung klimaneutralen Gebäudebestand auf.
Quelle: Zukunft Altbau / pgl
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