Die Koalitionsgespräche starten erst, doch in ihrem Sondierungspapier haben die Ampel-Parteien bereits einige Ziele einer künftigen Regierung festgehalten. So wollen sie 400.000 neue Wohnungen pro Jahr bauen, davon 100.000 öffentlich geförderte. Sie wollen den Klimaschutz beim Neubau stärken und die energetische Sanierung im Bestand beschleunigen, um die Klimaziele im Gebäudebereich zu erreichen. Dazu wollen sie das Bundes-Klimaschutzgesetz noch im kommenden Jahr „konsequent weiterentwickeln“. Erneuerbare Energien sollen drastisch ausgebaut werden, unter anderem mit einer Solarpflicht.
Wie Verbände auf das Sondierungspapier reagieren
Der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle fordert ein Bauministerium. Den Gebäudebestand in Deutschland beschreibt der Verband als überaltert. Sanierungen würden auf einem zu niedrigen Niveau durchgeführt. Daher sei ein schnelles und zielgenaues Handeln erforderlich. Der Zuschnitt der Ministerien müsse sich nach den Sektoren des Klimaschutzgesetzes des Bundes definiert werden: Energiewirtschaft, Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Verkehr. „Das Gebäude mit all seinen Anforderungen sollte in einem Ministerium organisiert sein, das ist nun mehr als überfällig“, sagt Geschäftsführer Jan Peter Hinrichs. Anstelle eines Klimaministeriums ohne klares Durchgriffsrecht wäre es konsequent, den zukünftigen Ministern konkrete Einsparziele zuzuordnen. Damit wäre die Reduktion der Treibhausgasemissionen sehr viel zielgenauer.
Die klimapolitischen Aufbruchssignale der Ampel-Sondierer begrüßt der Bundesverband Solarwirtschaft. Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig mahnt aber: „Um ein stabiles Fundament für eine Klimaschutz-Koalition zu schaffen, muss jetzt ein Koalitionsvertrag für einen attraktiven Investitionsrahmen für die Solarenergie sorgen und dafür klare und angemessene Ausbauziele definieren.“ Nach übereinstimmender Meinung von Wissenschaftler:innen und Marktforscher:innen bedürfe es dazu einer Verdoppelung der in Deutschland installierten Photovoltaikleistung bis zum Ende der Legislaturperiode 2025. Den Ampel-Sondierern müsse bewusst sein, dass die geplante Solardachpflicht bei Gewerbe-Neubauten nur einen Bruchteil des erforderlichen Ausbaus anstoßen werde. Deshalb müssten gleichzeitig Barrieren für den solaren Eigenverbrauch abgebaut und Marktprämien auch für die solartechnische Nachrüstung im Gebäudebestand wieder die notwendige Attraktivität erhalten.
Den vorgezogene Kohleausstieg und die angekündigte Ausbauoffensive für Wind- und Solarenergie hält die Deutsche Umwelthilfe für wichtige Schritte, um die Klimaziele zu erreichen. Der Ausbau der Erneuerbaren müsse aber so beschleunigt werden, dass der Neubau von Gaskraftwerken erst gar nicht nötig werde. Sie fordert die drei Parteien auf, Klimaschutz in den Koalitionsverhandlungen nicht auf wenige Punkte zu reduzieren wie im Sondierungspapier, sondern massiv nachzubessern, so etwa im Gebäudesektor. "Ein Klimaschutzsofortprogramm braucht hier dringend ganz konkrete Vorgaben für klimazielkompatibles Bauen und Sanieren sowie eine Kreislaufwirtschaft beim Bauen", erklärt die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Auch die Entwicklung zu einer dekarbonisierten Wärmeversorgung müsse konkret und entschieden eingeleitet werden: mit dem Aus für fossile Energieträger im Neubau und einer verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung.
In einem offenen Brief an die Mitglieder des Bundestages sowie an Wirtschaftsverbände, Investoren und Medien ruft die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz gemeinsam mit 60 Energie-Wissenschaftler:innen zu einer konsequenteren Nutzung von Energieeffizienzpotenzialen auf. Sie warnen, dass die derzeitige Vernachlässigung von Energieeffizienzmaßnahmen unnötigerweise zu steigenden Energiekosten, verminderter Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie sowie höherer Energieabhängigkeit führen und somit die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende gefährden könnte. „Die Lösungen, die für eine effiziente Energiewende nötig sind, existieren bereits heute und wachsen ständig durch Forschung und Entwicklung. Wir begrüßen deshalb sehr, dass auch die Wissenschaft auf den dringenden Handlungsbedarf hinweist“, sagt Vorstand Christian Noll.
Aus Sicht des ZVEI Verband der Elektro- und Digitalindustrie müssen der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze sowie attraktivere Strompreise oberste Priorität haben. Dazu gehöre zum einen die deutliche Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, zum anderen müsse die EEG-Umlage abgeschafft werden. "Damit ginge auch ein enormer Bürokratieabbau bei Behörden, Stromanbietern, Netzbetreibern und der Industrie einher", erklärt Geschäftsführer Wolfgang Weber. Die Diskussion über ein Klimaministerium hält er für Zeitverschwendung: "Wir müssen uns jetzt auf konkrete Maßnahmen verständigen, mit denen wir die Klimaziele bestmöglich erreichen können." So müsse EU-weit die Stromsteuer am CO2-Gehalt ausgerichtet und ein wirkungsvoller Emissionshandel eingerichtet werden.
Quelle: BuVEG / BSW / DUH / DENEFF / ZVEI / jb
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