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Fraunhofer IEG baut Reallabor für Geothermie im Rheinischen Revier

Tiefengeothermie nutzt heißes Thermalwasser aus der Tiefe, um etwa Fernwärme und Prozesswärme bereitzustellen. Von klimafreundlicher Energie aus thermalwasserführenden Schichten können viele Anwendungen profitieren, etwa kommunale Wärmenetze, Gewächshäuser oder die Chemieindustrie, aber auch Betriebe der Zucker- und Nahrungsmittelherstellung, der Holz- und Papierverarbeitung sowie die Metall-, Zement- und Bauindustrie. In den Metropolen München und Paris tragen schon heute Geothermie-Heizwerke effizient und sicher zur kommunalen Wärmeversorgung bei, in den Niederlanden und Belgien versorgen sie Fernwärmesysteme und Gewächshäuser mit Prozesswärme. Die Erdwärme steht uns ganzjährig und verlässlich zur Verfügung, sie ist nachhaltig, bezahlbar und wetterunabhängig, krisensicher, importunabhängig und nahezu unerschöpflich. Auch hat sie den geringsten Flächenbedarf unter den erneuerbaren Technologien. Diese Wärmequelle gilt es auch für Nordrhein-Westfalen und andere europäische Regionen zu entwickeln.

Mit den nun ausgestellten Bewilligungsbescheiden geht das Projekt „Fraunhofer Reallabor für Geothermie, Geotechnologien und Georessourcen - Geo³“ von der Planungs- in die Umsetzungsphase. Ziel ist es, eine große Forschungsinfrastruktur für Geothermie zu schaffen, die europaweit einmalig ist. Dazu ist geplant, einerseits den Untergrund in der Städteregion Aachen in den nächsten vier Jahren großflächig geophysikalisch zu charakterisieren und andererseits mit zwei Bohrungen in der Tiefe zu erkunden. Zudem baut die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien IEG (Fraunhofer IEG) als zugehörige obertägige Infrastruktur in Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für Georessourcen und Dekarbonisierung.

Den Untergrund charakterisieren

Für ein besseres Verständnis der geologischen Situation im tiefen Untergrund möchte die Fraunhofer IEG unter anderem das südliche Rheinland mehrere Kilometer tief mit Schallwellen erkunden, ähnlich dem Echolot aus der Seefahrt oder dem Ultraschall in der Medizin. Dazu bringt das Reallabor im Bereich zwischen dem Aachener Autobahnkreuz und Düren für kurze Zeit Messwagen und empfindliche Mikrofone in einer sogenannten „Seismischen Exploration“ zum Einsatz und testet auch neue Erkundungsmethoden für die speziellen tiefen Untergrundverhältnisse in ehemaligen Kohleregionen. Die Daten dieser bildgebenden Verfahren verknüpft es mit jenen aus tiefen Erkundungsbohrungen. Diese sollen die thermalwasserführenden Gesteinsschichten in mehreren Kilometern Tiefe für wissenschaftliche Untersuchungen erschließen und wertvolle Informationen etwa über Gesteinsarten, Porosität, Wasserdurchlässigkeit und natürliche Wasservorkommen liefern.

Wichtiges Projekt für Kommunen im NRW-Masterplan Geothermie

Für das Land Nordrhein-Westfalen ist das Projekt ein wichtiger Schritt im Rahmen der Umsetzung des Masterplans Geothermie. Das „Fraunhofer Reallabor“ kann entscheidend zum Hochlauf der Geothermie in NRW beitragen. Die seismischen Messungen und Tiefbohrungen liefern wichtige Grundlagendaten für anschließende Projekte durch Wärmeversorger. Die Erkenntnisse zu den geologischen Verhältnissen und zur Umsetzung von geothermischen Projekten werden in Form von Leitfäden und Workshops verfügbar gemacht. Bei positiven Erkundungsergebnissen besteht für die Menschen, Kommunen und Unternehmen in der Region in einigen Jahren die Möglichkeit einer kostengünstigen und regionalen Wärmequelle – Erdwärme.

Über Tage - Innovationen für die Industrie

Als Bestandteil des „Fraunhofer Reallabors“ entsteht am Standort des Braunkohlekraftwerks Weisweiler ein Technikum als Forschungszentrum für angewandte Georessourcen und Dekarbonisierung. Dort laufen dann alle gesammelten Informationen zum Untergrund zusammen. Bereits heute ist in Weisweiler ein Teil des geplanten geophysikalischen Observatoriums in Betrieb, welches die natürliche Seismizität des Untergrunds im südlichen Rheinland wissenschaftlich beobachtet. Das Technikum dient auch als Entwicklungsplattform für Geotechnologien zur klimafreundlichen Energieversorgung. Die Forschungsthemen sollen Aspekte der Anlagentechnik zur Dekarbonisierung von Industrie und Kommunen sein: von Aggregaten zur geothermalen Strom-, Wärme- und Kälteerzeugung, über die Nutzung des Untergrunds als Energiespeicher bis hin zu CO2-armen Betriebsstrategien. So entstehen für den flächendeckenden Einsatz marktgerechte, skalierbare und einfach auf neue Standorte übertragbare Technologien.

Die Fraunhofer IEG will zusammen mit seinen Partnern aus Forschung und Industrie so Innovationen in die europäischen Strukturwandelregionen bringen und die Transformation „vom Kohle- zum Wärmebergbau“ ermöglichen. Die neue Forschungsinfrastruktur steht für weitere Partner der Wissenschaft und auch den Akteuren der Wirtschaft und Kommunen zur Verfügung. Neben der Entwicklung neuer Technologien soll sie perspektivisch auch der Aus- und Weiterbildung von dringend benötigten Fachkräften im Bereich der geothermischen Energiesysteme dienen.

Erkundungsbohrungen liefern den Forschenden am Fraunhofer IEG Daten zu den Gesteinseigenschaften in der Tiefe.

Fraunhofer IEG / Jagert

Erkundungsbohrungen liefern den Forschenden am Fraunhofer IEG Daten zu den Gesteinseigenschaften in der Tiefe.

Tiefengeothermie: Energiezukunft des Rheinischen Reviers  

„Das südliche Rheinland hat eine reiche Geschichte in der Nutzung seiner natürlichen Energierohstoffe – von der Thermalwassernutzung in römischer Zeit für die Nahwärme und später für die mittelalterliche Tuchwirtschaft, über die neuzeitliche Bäderwirtschaft bis hin zu den industriellen Steinkohlezechen und dem modernen Braunkohletagebau“, erinnert Prof. Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer IEG. „Tiefengeothermie also könnte das nächste Kapitel für die Energieregionen diesseits und jenseits des Rheins sein.“ Mit der kommunalen Wärmeplanung erschließen Stadtwerke regionale Wärmequellen für die Energiewende. Eine Basis dafür sind Roadmaps zur Geothermie, die Fraunhofer IEG mit herausgegeben hat. Die Technologien, die später im „Fraunhofer Reallabor“ getestet werden, geben den Energieversorgen die notwendigen Werkzeuge in die Hand, Erdwärme in das Energiesystem der Zukunft einzubinden. „Die zeitnahe Weitergabe unseres Know-hows durch Leitfäden, Beratung und Weiterbildungsangebote hilft allen Akteuren, die untertägigen Ressourcen für ihre Wärmeplanung zu erschließen“, so Bracke. Quelle:  Fraunhofer IEG / ab