Von rund zehn Prozent auf nunmehr knapp 60 Prozent in 20 Jahren: Den Ausbau von Ökostrom ermöglicht hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das jedoch nur bis Ende 2026 europarechtlich abgesichert ist. Welche Förderung danach möglich wären, skizziert das Bundeswirtschaftsministerium in dem Papier „Strommarktdesign der Zukunft“. Eckpunkte will das Bundeskabinett im Oktober beschließen. Die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW), das Solar Cluster Baden-Württemberg und der BWE-Landesverband Baden-Württemberg begrüßen die Reform prinzipiell, sehen jedoch mehrere Vorschläge als kritisch an. „Setzt die Bundesregierung ihre Vorschläge um, statt auf die Branche zu hören, könnte der weitere Erneuerbaren-Ausbau zum Erliegen kommen und Baden-Württemberg deutlich benachteiligt werden“, sagt PEE BW-Geschäftsführer Jürgen Scheurer.
Neues Fördersystem würde den Ausbau behindern
Die Verbände stört unter anderem den Vorschlag, die finanzielle Unterstützung weitgehend auf eine Investitionskostenförderung umzustellen. Eigentümer und Betreiber neuer Anlagen würden dann lediglich einen Fixbetrag als Zuschuss erhalten. Den erzeugten Strom müssten sie selbst vermarkten, Teile der Erträge würden abgeschöpft. „Anlageneigentümer sind in diesem Fördermodell komplett vom Börsenstrompreis abhängig. Sie wissen daher nicht, wie viel Geld sie pro Kilowattstunde erhalten werden. Zudem ist unklar, welche Strommenge insgesamt sie verkaufen können“, kritisiert Andreas Schlumberger, Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg. Er befürchtet, dass auch Banken mit einem solchen Vergütungssystem zurückhaltender Kredite vergeben werden, was vor allem mittelständische Marktteilnehmer treffen dürfte. Nach Ansicht der Verbände sollte vielmehr die erste Option näher in Betracht gezogen werden, die das bisherige Fördersystem einerseits weiterentwickelt, andererseits in Einklang mit den EU-Vorgaben bringt. Konkret hieße dies, dass die aktuelle Förderung grundsätzlich weiter gelten würde, kombiniert mit Rückzahlungsinstrumenten für Übergewinne, also Einnahmen, die über den Förderbedarf hinausgehen. Das würde auch die Akteursvielfalt erhalten und mittelständische Projektierer und Bürgerenergieprojekte nicht gefährden.
Regionale Netzentgelte würden den Südwesten benachteiligen
Auch der Vorschlag für regional unterschiedliche Netzentgelte birgt Sprengkraft. Derzeit sind sie im Norden Deutschlands höher. Der Grund: Hier gibt es deutlich mehr Windparks. Um sie an das Stromnetz anzuschließen, mussten die Netze verstärkt werden, was die Kosten nach oben trieb. Die Idee ist nun: Die Bundesnetzagentur verteilt die Kosten gleichmäßiger auf die Bundesländer. Das würde in Baden-Württemberg zu steigenden Strompreisen führen. Dies wird insbesondere dann eintreten, wenn der Ausbau der Windenergie nicht schneller vorankommt. Die Verbände lehnen die geplante Neuregelung daher ab. Die Maßnahmen würden negative Auswirkungen auf die Wirtschaft des Bundeslandes und die Bevölkerung haben, zumal künftig teure Erdkabel verlegt würden, die auch in die Netzentgelte im Südwesten einfließen.
Dynamische Stromtarife könnten helfen
Positiv sehen die Verbände dagegen Vorschläge zu dynamischen Stromtarifen. Verbraucher sollen künftig stärker auf Preissignale reagieren und ihren Verbrauch an das schwankende Angebot anpassen. Die Nachfrage müsse künftig weitestgehend in Zeiten mit günstigen Preisen verschoben werden können, beispielsweise durch Digitalisierung und smarte Steuerungen. „Flexibilität ist in einem fluktuierend einspeisenden Strommarkt von entscheidender Bedeutung", sagt Jürgen Scheurer von der PEE BW. Dynamische Stromtarife und zeitlich flexible Netzentgelte könnten dabei helfen, das System zu stabilisieren und die Integration erneuerbarer Energien zu erleichtern. Neben den dynamischen Strompreisen seien außerdem Maßnahmen zum Ausbau von Stromspeichern und zur Sektorenkopplung wichtig. Wichtig seien für die Zukunft zudem Anreize zur Synchronisierung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Stromnetz und insbesondere die gemeinsame Nutzung von Netzverknüpfungspunkten durch Wind- und Solarparks sowie Biomassekraftwerke. Quelle: PEE BW / jb