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Koalitionsvertrag lässt konkrete Fragen zum Bauen offen

Stefan Bolln, der Vorsitzende des Energieberatendenverbands GIH, betont, dass keine Zeit sei für ideologische Schaukämpfe: „Jetzt müssen tragfähige Lösungen auf den Tisch. Das Gebäudeenergiegesetz muss weiterentwickelt werden, weil europäische Regeln auf Umsetzung warten.“ Bei der Erreichung der Klimaziele werde der Gebäudesektor im Koalitionspapier als zentrales Handlungsfeld genannt, nun müssten aber konkrete Maßnahmen und gesetzliche Rahmenbedingungen folgen.

Problematisch sei, dass sich die Bundesregierung bei der geplanten Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) von einem nationalen Sonderweg leiten lasse. Die Idee, CO2 als alleinige Steuerungsgröße einzuführen, widerspreche EU-Recht. Das habe die EU-Kommission dem GIH bei einem Besuch in Brüssel vor wenigen Tagen noch einmal ausdrücklich bestätigt, erklärt Bolln.

GIH: breite Förderung von EH55 ist nicht sinnvoll

Die GEG-Novelle müsse praxisnah, technologieoffen und verlässlich ausgestaltet werden. Dazu gehöre auch, dass sie planbar sei– für die gesamte Wertschöpfungskette, vom Hersteller bis zur Energieberatung. „Ein ideologisch aufgeladener Flickenteppich hilft niemandem“ so der GIH in seiner Stellungnahme.

Dabei spricht sich der Verband dafür aus, die Fördermittel auf die Sanierung zu konzentrieren: „Wer mit begrenzten Mitteln maximale CO2-Einsparung erreichen will, muss die Förderung dort konzentrieren, wo sie den größten Effekt hat: im Wohngebäudebestand mit hohem Sanierungsbedarf.“ Eine breite Förderung von EH55-Neubauten aus dem Klimatransformationsfonds sei weder ökologisch noch sinnvoll – „EH55 ist im Neubau längst Standard“. Das sieht der Koalitionsvertrag anders: Die Förderfähigkeit des EH55-Standards soll zeitlich befristet zur Aktivierung des Bauüberhangs wiederhergestellt werden, heißt es dort.

Auch bei der Umsetzung europäischer Standards gibt es Differenzen. Der GIH fordert, dies zügig anzugehen um Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Im Koalitionsvertrag liest sich das anders: „Spielräume bei der Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) schöpfen wir aus. Für eine Verlängerung der Umsetzungsfristen setzen wir uns ein“ heißt es dort ausdrücklich. „Die Koalition bekennt sich offen dazu, die EU-Gebäuderichtlinie so unambitioniert wie möglich umzusetzen. Deutschland wird immer mehr zum europäischen Schlusslicht, was den Klimaschutz im Gebäudesektor anbetrifft“, kritisiert deshalb die Deutsche Umwelthilfe.

Viele Verbände der Bauwirtschaft , Energiewirtschaft und Anlagentechnik sehen Chancen, fordern aber Nachbesserungen. Der Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung (BTGA) bewertet den Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD als solide Grundlage der bevorstehenden politischen Maßnahmen im Gebäudesektor. Besonders begrüßt wird, dass das GEG "technologieoffener, flexibler und einfacher" gestaltet werden soll. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) begrüßt, dass einige Ankündigungen wichtige Impulse für eine energieeffiziente Volkswirtschaft liefern können. Gleichzeitig warnt der Verband aber vor möglichen Rollbacks bei bewährten Effizienzstandards und Zielen im Energieeffizienzgesetz (EnEfG). Auch die sehr vage Aussage zu den Klimazielen im Gebäudesektor, dass die „erreichbare CO₂-Vermeidung“ zentrale Steuerungsgröße werden soll, lasse offen, ob die energiepolitischen Ambitionen aufgeweicht werden.

„Der Innovationsstau bei klimafreundlichen Heizungen und Heizkraftwerken muss jetzt schnell aufgelöst werden“, fordert Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft. Dafür bedürfe es einer schnellen Klärung, damit mit Hilfe eines klugen Mixes aus Fördern, Fordern und Fairness die Wärmewende endlich beschleunigt und sozial abgefedert werde.

„Keine Änderung des GEG mit der Brechstange“

Simone Peter vom Bundesverband Erneuerbare Energien ergänzt: Im Wärmebereich sei die vorgesehene Weiterentwicklung des GEG und die Förderung der Wärmewende in Gebäuden und Netzen ebenfalls investitionssicher und unterbrechungsfrei fortzuführen. Eine gute Kommunikation sei hier zielführender als das Motto “Wir schaffen das Heizungsgesetz ab”.

Aus Sicht der Initiative Klimaneutrales Deutschland, die parteipolitisch unabhängig ist und sich durch Spenden finanziert, ist der Koalitionsvertrag ein erkennbarer Kompromiss teils sehr unterschiedlicher Positionen. Zur geplanten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes der Ampelregierung sagt die Verbandsvorsitzende Carolin Friedemann: „Die neue Regierung wäre gut beraten, beim Gebäudeenergiegesetz keine Änderung mit der Brechstange zu vollziehen. Unsere Umfragezahlen zeigen, dass Planungssicherheit sowohl für Hausbesitzer als auch für das Handwerk entscheidend ist, damit notwendige Investitionen umgesetzt und nicht länger aufgeschoben werden.“

Ziel der GEG-Novelle müsse es sein, Verbraucherinnen und Verbraucher zu befähigen, sich adäquat an steigende CO2-Preise anzupassen, sei es durch Haustechnik, Stromversorgung mit eigenen Photovoltaikanlagen oder Sanierungsmaßnahmen. Die Initiative spricht sich außerdem für integrierte Beratung und Umsetzung aus einer Hand aus. Dies erfordere den Aufbau von integrierten Beratungszentren, die vor Ort mit Handwerkern, Kommunen, Energieberatern und Verbraucherzentralen zusammenarbeiten. Dies müsse im Rahmen eines Bundesprogramms gefördert werden.

Verbändebündnis fordert Offensive für Gebäudetyp E

Das Verbändebündnis Wohnungsbau richtet eine 100-Tage-Forderung nach einem „Aufschwung Wohnen“ an die neue Bundesregierung. Das Bündnis setzt sich aus Gewerkschaften, dem Mieterbund, Vertretern der Wohnungswirtschaft und der Baubranche zusammen. Kernpunkt ist eine Neubau-Offensive. Um die finanziell stemmen zu können, müsse Deutschland künftig einfacher und damit um bis zu einem Drittel günstiger bauen. Dann seien für 100.000 neu gebaute Sozialwohnungen pro Jahr 11 Milliarden Euro an Förderung von Bund und Ländern erforderlich. Bei den Baugenehmigungen habe es einen enormen Einbruch gegeben. So hätten Bauämter im vergangenen Jahr nur noch knapp 216.000 Wohnungen genehmigt. Das sei ein Rückgang von 43 Prozent in nur drei Jahren.

Förderung solle es nur für einen einfachen Baustandard, den Gebäudetyp E geben, schlägt Professor Dietmar Walberg vor. Denn solche Wohnhäuser hätten weniger Extras, seien robuster und damit weniger aufwendig in der Unterhaltung. Vor allem aber seien sie günstiger. Die Chancen für eine stärkere Relevanz einfachen Bauens dürften mit dem Koalitionsvertrag wachsen. „Baustandards werden vereinfacht und der Gebäudetyp E abgesichert“, versprechen die Koalitionäre. Um den Gebäudetyp E zivilrechtlich zu ermöglichen, werde eine gesetzliche Verknüpfung mit den technischen Baubestimmungen der Länder vorgenommen. pgl