Die Bundesregierung hat das Ziel gesetzt, mittelfristig 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen. 2022 wurde der Bau von 354.400 Wohnungen genehmigt, was einen Rückgang von 6,9 Prozent zum Vorjahr ausmacht. Das zeigt eine Erhebung des statistischen Bundesamtes zur Entwicklung von Baugenehmigungen. Die Zahlen gehen auf Wohneinheiten in Neu- und Bestandgebäuden für Ein- Zwei- und Mehrfamilienhäuser ein. In fest allen Bereichen ist ein Rückgang zu erkennen.
Von August bis November schwache Monate
26.300 Wohnungen wurden 2022 weniger genehmigt als im Vorjahr, bei dem mit 380.700 der höchste Wert seit 1999 erreicht werden konnte. Die Errichtung neuer Wohngebäude verringerte sich um 7,3 Prozent auf 304.600 Wohnungen. Eine wichtige Entwicklung dabei ist das deutlich schwächere zweite Halbjahr. Wurden im ersten Halbjahr nur 2,1 Prozent weniger Neubauwohnungen genehmigt, waren es in der zweiten Jahreshälfte 12,6 Prozent im Vergleich zu 2021. Für den saisonbedingt starken Monat Dezember wurden zwar rund 8.000 Wohnungen mehr als im November genehmigt. Das sind jedoch 20 Prozent weniger als im Dezember 2021.
Besonders deutlich war im Jahr 2022 der Rückgang der Baugenehmigungen für Einfamilienhäuser. Baubehörden genehmigten mit 78.100 neuen Einfamilienhäusern 16,8 Prozent oder 15.800 weniger. Hierbei ist in den Quartalen jedoch eine gegengesetzte Entwicklung zum Gesamtbild zu erkennen. Im 1. Quartal wurden deutliche 26,2, in den Quartalen zwei bis vier jedoch insgesamt nur 12,9 Prozent weniger Einfamilienhäuser genehmigt, als im Vorjahreszeitraum. Diese Entwicklung kann durch das Auslaufen des Baukindergeldes im März 2021 erklärt werden. Eine große Rolle spielt auch das Hin und Her in der Förderung der Effizienzhäuser. Zunächst gab es zu Beginn von 2022 einen Boom an Neubauanträgen, vor allem im Segment Effizienzhaus 55, der dann zu einem Förderstopp und dem Einbruch führte. Seit dem 21. April 2022, mit dem Start des derzeit geltenden Förderprogramms, wurde es dann insgesamt ruhiger.
Mehrfamilienhäuser halten Wert
Neubauwohnungen, die zu 63 Prozent in Mehrfamilienhäusern entstehen, sind besonders in Zweifamilienhäusern zurückgegangen. Dort wurden mit 27.700, 13,8 Prozent weniger Wohnungen genehmigt. Im Vergleich dazu ist der Rückgang bei Mehrfamilienhäusern eher gering. Lediglich 1,6 Prozent weniger im Vergleich zum Vorjahr bestätigten Baubehörden 2022 mit 190.400.
Bauanträge stellten auf ähnlichem Niveau zum größten Teil Unternehmen oder Privatpersonen. Dabei ist der Unterschied, dass Unternehmen mit 147.900 nur 3,3 Prozent weniger genehmigt bekamen, wohingegen Privatpersonen mit 141.100 12,6 Prozent Rückgang zu 2021 zu verbuchen haben. Eine entgegengesetzte Entwicklung machten die Zahl der Bauanträge der öffentlichen Hand, die auf geringem Niveau (12.200) um 17,8 Prozent wuchsen.
Leichter Anstieg für Nicht-Wohngebäude
Der zentrale Indikator für die künftige Bauaktivität bei Nichtwohngebäuden ist der umbaute Raum als Fläche anstatt der Anzahl an gebauten Einheiten. Bei den im Jahr 2022 genehmigten neu zu errichtenden Nichtwohngebäuden erhöhte sich der umbaute Raum gegenüber dem Vorjahr um 0,6 Prozent auf 236,7 Millionen Kubikmeter. Mit 70 Prozent den größten Anteil am umbauten Raum haben nicht-landwirtschaftlichen Betriebsgebäude, deren Fläche um 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr anstieg. Dagegen der stärkste Rückgang mit 30,1 Prozent war für Anstaltsgebäude, wie Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen zu verzeichnen, die von Jahr zu Jahr stark schwankende Werte aufweisen. Büro- und Verwaltungsgebäude beobachteten außerdem einen Rückgang von 16,7 Prozent. Das ist vermutlich anhand des verminderten Bedarfs an Büroplätzen durch das verstärkte Arbeiten im Homeoffice im Zuge der Corona-Pandemie zu erklären.
Bauüberhang könnte langsam schrumpfen
Ausschlaggebend für die deutliche Verringerung der genehmigten Bauanträge ist vermutlich vor allem der russische Angriffskrieg in der Ukraine, wodurch Unsicherheiten in der Energie- und Rohstoffversorgung herrschten. Dazu kommen hohe Baukosten. Waren es im Januar 2022 noch 9,4 Prozent mehr Neubauten in Deutschland als in 2021, waren es im August 10,5 Prozent weniger. Im größeren Rahmen betrachtet, sollte die tatsächliche Bauaktivität entgegen der Zahlen noch stabil bleiben. Der Bauüberhang, die Zahl der Bauvorhaben, die genehmigt wurden, aber noch nicht begonnen oder abgeschlossen sind, nimmt seit einigen Jahren zu. Das zeigt die Unsicherheit: für viele Vorhaben werden Bauanträge gestellt, aber nicht umgesetzt. Dieser große Bauüberhang und die langen Projektrealisierungszeiten könnten den Neubaumarkt stabilisieren, ab 2024 dürften die Folgen der großen Zurückhaltung aufseiten der Projektentwickler und Wohnungsunternehmen sich aber immer stärker durchschlagen, meint Ludwig Dorffmeister, Fachreferent für Bau- und Immobilienforschung des ifo-Instituts im Januar: „Für das laufende Jahr ist im Wohnungssektor, der ja auch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden umfasst, noch ein kleines Plus denkbar. Danach geht es bergab“. Die tatsächliche Entwicklung der Bautätigkeit kann erst nach einer Ermittlung der Baufertigstellungen ermittelt werden. Diese wird das statistische Bundesamt voraussichtlich Ende Mai 2023 veröffentlichen. Quelle: Destatis / fk