Das wird wohl in mehreren Branche nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen: „Der energetische Zustand des älteren Ein- und Zweifamilienhausbestands in Deutschland ist beeindruckend gut. Vor diesem Hintergrund erscheint die politisch gewollte Verdoppelung der jährlichen Sanierungsrate von 1 auf 2 % unrealistisch. Zu diesem Ergebnis kommt das empirica Institut in einer Studie für den Verband der Privaten Bausparkassen. Allein um die aktuelle Sanierungsrate aufrecht zu erhalten, seine weitere Maßnahmen erforderlich.“
Nur bei der Dämmung im Rückstand
Laut der Studie sind 81 % der Heizungsanlagen „hoch oder höchst effizient“, 96 % aller Fenster sind bereits mindestens zweifach verglast. In 69 % der Häuser ist schon zum Dach oder zur oberen Geschossdecke hin gedämmt worden. Nur bei der Außenwanddämmung und der Kellerdecken-/Fußbodendämmung weise mit 35 bzw. 24 % erst eine Minderheit der Häuser entsprechende Maßnahmen auf.
„Energetische Sanierung wurde zum Selbstzweck erklärt“
Nach Angaben von Prof. Dr. Harald Simons, Vorstandsmitglied von empirica, sind die oben aufgeführten hohen Anteile über die Jahre hinweg durch kleinteilige, bauteilbezogene Sanierungsmaßnahmen erreicht worden. Anlass der energetischen Sanierungen waren vor allem Komforterhöhungen in Kombination mit ohnehin notwendigen Sanierungen. Simons: „Hier hat sich die Investition oft auch gerechnet. Mit dem Ziel, bis zum Jahr 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, ist die energetische Sanierung jedoch zum Selbstzweck erklärt worden.“
„Verdoppelung der Sanierungsrate ist unrealistisch“
Obwohl die Frage der Wirtschaftlichkeit von fundamentaler Bedeutung sowohl für die Eigentümer als auch für die Gesetzgebung sei. Wirtschaftlichkeitsberechnungen würden zeigen, dass energetische Sanierungen bestenfalls innerhalb eines natürlichen Sanierungszyklusses wirtschaftlich seien. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund und des guten allgemeinen energetischen Zustands erscheine die politisch erwünschte Verdoppelung der jährlichen Sanierungsrate von 1 auf 2 % unrealistisch.
Ein Sanierungsstau, den es aufzulösen gelte, existiere im Ein- und Zweifamilienhausbestand nicht. Die Zahl der „verpassten Chancen“ sei vernachlässigbar. Simons: „Die aktuelle Sanierungsrate von rund ein Prozent ist vielleicht niedrig im Vergleich zu den politischen Zielen, nicht aber im Hinblick auf den baulichen Zustand der Objekte.“ Angesichts des hohen Standards müsse in Zukunft sogar eher mit einer sinkenden Sanierungsrate gerechnet werden.
Rentabilitätslücke müsste geschlossen werden
Da aktuell kein Sanierungsstau existiere, erfordere eine Erhöhung der Sanierungsrate, dass Sanierungen vorfällig durchgeführt werden müssten. In diesem Fall würden diese aber unwirtschaftlich, da dann die vollen Kosten anzusetzen seien. Diese Rentabilitätslücke müsste geschlossen werden, solle die Sanierungsrate steigen. Allein zur Aufrechterhaltung der aktuellen energetischen Sanierungsrate sind laut empirica weitere Maßnahmen notwendig. Die typischen Investitionszeitpunkte für Sanierungen liegen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr nach dem Kauf bzw. zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr nach einer weitgehenden Entschuldung der Immobilie.
Andreas J. Zehnder, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Privaten Bausparkassen, plädiert für einen „neuen Realismus“ in der Debatte über den möglichen Beitrag des Gebäudebestands zur energiepolitischen Wende. Darauf seien die Instrumente abzustellen. Man müsse die Menschen dort abholen, wo sie stehen. Über 90 % der Maßnahmen seien Teilmaßnahmen. Zehnder: „Die Menschen investieren klug – nämlich dann, wenn es geboten ist und die Finanzierung steht. Freiwillig. Nur so ist der Erfolg des aktuellen Sanierungszustands zu erklären.“ GLR
PDF-Download der empirica-Studie
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