Der Mensch vergisst ja bekanntlich schnell. Das gilt vor allem für unangenehme Dinge. Zu den Erfahrungen der eher negativen Art gehört die Corona-Pandemie. Für die meisten von uns liegt diese Zeit schon sehr lange zurück, obwohl der erste Lockdown gerade mal viereinhalb Jahre her ist. Erst jetzt, wenn sich die Fälle mit Ansteckungen wieder häufen, fällt einem ein, dass es da ja mal diese weltweite Pandemie gab.
Einige Themen, die damals stark diskutiert wurden, sind vielen kaum noch in Erinnerung. Dazu zählt etwa das Thema Lüftung. Unzählige Zeitschriftenartikel, Fernseh- und Radiobeiträge, Blog-Posts sowie sonstige Medienformate beschäftigten sich in den Jahren 2020 und 2021 damit, wie sich vor allem Schulen, aber auch andere Einrichtungen möglichst sinnvoll mit frischer Luft versorgen ließen. Doch je harmloser das Corona-Virus wurde, desto weniger wurde über die Regelmäßigkeit der Fensterlüftung oder die Vorteile von RLT-Anlagen gesprochen.
Dabei gibt es gerade für die kontrollierte Raumlüftung auch in Nicht-Pandemie-Zeiten viele Argumente – wie der Artikel zu Lüftungskonzepten im Gebäudebestand auf Seite 14 zeigt. Schließlich bietet eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung in Sachen Energieeffizienz viel Potenzial. Die Vorteile durch die Nutzung von Lüftungsabwärme werden aber noch immer unterschätzt. Oder sie werden ignoriert, weil die Installation entsprechender Anlagen zunächst mit Kosten und Belastungen durch die Baumaßnahmen verbunden sind.
Das gilt besonders für den Einsatz von RLT-Systemen in Schulen. Dort kommt die Technik kaum voran. Kein Wunder, denn Geld fehlt im Bildungsbereich schließlich auch an vielen anderen Stellen – genauso wie häufig der politische Wille, notwendige Maßnahmen voranzutreiben. Der Neubau der Maickler-Grundschule in Fellbach ist wohl als eine positive Ausnahme zu betrachten (Seite 8). Zwei zentrale Lüftungsgeräte versorgen dort die Schüler mit frischer Luft.
Immerhin: Mit der novellierten EU-Gebäuderichtlinie wird Energieeffizienz nun eng mit dem Erreichen einer angemessenen Innenraumqualität verknüpft (Seite 18). Dies könnte den Konzepten für eine kontrollierte Lüftung von Gebäuden neuen Schwung verleihen. Denn Fensterlüftung allein dürfte häufig nicht ausreichen, um den Anforderungen der Richtlinie zu genügen.
Die RLT-Anlage in der Maickler-Grundschule ist übrigens in ein System zur Gebäudeautomation integriert. Und auch bei diesem Thema gibt es einen Aspekt, der gerne ignoriert wird, weil er viel Aufwand und Kosten verursacht. Gemeint ist die IT-Sicherheit. So groß wie die Möglichkeiten sind, mit der Automatisierung von Gebäudetechnik unter anderem Potenziale für Energieeinsparungen zu erschließen – die Digitalisierung erschafft auch eventuelle Einfallstore für Cyberkriminelle. Denn alles was vernetzt ist, lässt sich auch angreifen. Daher muss IT-Sicherheit bei der Gebäudeautomation von Anfang an mitgedacht werden. Der Beitrag auf Seite 43 gibt einen Überblick über die Maßnahmen, mit denen sich die Systeme zur Gebäudeautomation schützen lassen.
Mit diesen ist zwar ein gewisser Aufwand verbunden, doch der Schaden durch gestohlene Daten oder einen missbrauchten Internetzugang wird in der Regel deutlich größer sein. Damit lässt sich dann auch der Bogen wieder zurück zur kontrollierten Lüftung spannen. Die zahlt sich auch aus, wenn man bedenkt, was ohne sie geschieht – nämlich, dass Energie zum geöffneten Fenster hinausgeworfen wird. Der falsche Weg wäre es, diese Tatsache einfach zu vergessen – so wie andere unangenehme Dinge.
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Ihr GEB Redaktionsteam