Warum Strom ein äußerst attraktiver Energieträger ist, liegt auf der Hand. Er kann ohne Verzögerung abgerufen werden, riecht nicht, benötigt keinen Lagerraum und ist fast überall verfügbar. Dass man ihn aus erneuerbaren Energien gewinnen kann, hat ihn für zahlreiche Einsatzzwecke noch charmanter gemacht. Aber trotz neuer Speichertechniken ist seine Verfügbarkeit auch begrenzt. Zwar kursiert immer wieder die Meinung, dass ein nennenswerter Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energien sowieso nicht genutzt wird. Doch die Realität sieht anders aus: derzeit werden laut Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) nur 0,3 % dieses Stroms abgeregelt. Selbst im Jahr 2032 müssten laut einer Analyse des DIW-Berlin in einem flexibilisierten Stromsystem weniger als 2 % der möglichen jährlichen Stromerzeugung aus Sonnen- und Windkraft abgeregelt werden (s. GEB-Newsletter 32-2013). Von Überfluss kann also keine Rede sein.
Schaut man jedoch einige energiepolitische Weichenstellungen an, scheint das in Vergessenheit geraten zu sein. Ein Beispiel dafür liefert der zweite Teil des Beitrags „Die ErP-Richtlinie verändert die Heiztechnik-Branche“ ab S. 35. Autor Martin Schellhorn stellt dar, dass – politisch gewollt – durch die ErP(Ökodesign)-Richtlinie fast jede Elektro-Wärmepumpe immer eine bessere Energie-Effizienzklasse als ein Gas-Brennwertheizkessel erhält – ein Impuls für den Einsatz von Strom für Wärmezwecke.Das dürfte jedoch weder die Anbieter hochwertiger Wärmepumpen, noch die Handwerker und erst recht nicht die Kunden freuen. Andreas Christmann, Leiter Produkt und Marketing bei Vaillant Deutschland: „Das bedeutet beispielsweise, dass ein Billigprodukt mit einem sehr geringen COP eine bessere Energie-Effizienzklasse als jedes Hightech-Gas-Brennwertgerät erhält – obwohl es für den Nutzer höhere Energiekosten verursacht.“Ein weiterer Impuls für die Verwendung von Strom für Wärme ist die neue EnEV. So resümiert Autor Lutz Dorsch im Beitrag „The Emissions Gap – reale Lücken im Klimaschutz“ (S. 28 ff): „Im Gebäudesektor führt ein reduzierter Primärenergiefaktor für den Energieträger Strom (1,8 ab 2016) – insbesondere in Verbindung mit einer elektrischen Wärmepumpe als Heizsystem – zwar zu einer besseren Gesamtenergieeffizienz, allerdings wird das Klima dadurch stärker belastet.“ Sein Fazit: Die Energiewende kann nicht ausschließlich eine Stromwende sein. Primärenergetisch schön gerechnete oder gelabelte Bewertungen richten Schaden an. Planer und Handwerker müssen das mit mehr Beratungsaufwand bezahlen, der Nutzer mit einer teureren Rechnung für die tatsächlich verbrauchte Endenergie. Es ist höchste Zeit, dass die Politik erkennt, dass man eine Energiewende nicht mit Rechentricks stemmen kann.
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihre
Energieberaterin und Chefredakteurin Dipl.-Ing. Britta Großmann