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Schwarzes Gold und Grüner Strom

Der Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Strommix steigt rasant – im vergangenen Jahr lag er bereits bei 27 %, und spätestens im Jahr 2050 sollen – gemäß der Energiewende-Roadmap – vornehmlich Windräder und PV-Anlagen sogar 80 % unseres Strombedarfs abdecken. Indes begeben wir uns mit der konsequenten Abkehr von den klimaschädlichen CO2-Emittenten Öl, Kohle und Gas in eine witterungsabhängige Energieversorgung, die bei Sturm und purem Sonnenschein für beträchtliche Angebotsspitzen auf dem deutschen Strommarkt sorgt. Eine Situation, die zumindest so lange anhält, wie fossile Kraftwerke mangels wirtschaftlichen Stromspeichern die Grundlast gewährleisten müssen. Das treibt an der Strombörse einerseits das Adrenalin der Händler nach oben, anderseits fallen bei Stromüberkapazitäten die Preise ins Bodenlose. Wer in solchen Zeitfenstern als Abnehmer für den Billigstrom bereitsteht, spart Energiekosten.

Diesem Gedanken liegt das Power-to-Heat-Konzept zugrunde, also die Wandlung von Strom in Wärme, wenn der günstig beziehbare Strom nicht direkt oder nicht wirtschaftlich nutz- oder speicherbar ist. Dass ein derartiges Konzept auch in einem Privathaushalt mit geringem Aufwand wirtschaftlich umsetzbar ist, zeigt ein IWO-Pilotprojekt in einem Einfamilienhaus in Berlin-Spandau. Die ersten Zwischenergebnisse des im August 2014 gestarteten Projekts sind vielversprechend und übertreffen sogar die ursprünglichen Annahmen.

263 Euro im Jahr durch Einnahmen und Einsparung

Durch die Bereitstellung sogenannter negativer Regelleistung (siehe Infokasten) sowie dadurch vermiedene Brennstoffausgaben konnte in dem Pilotprojekt von August 2014 bis Mitte April 2015 der Heizkosten-Saldo um 197 Euro verbessert werden. Hochgerechnet auf ein Jahr ergibt dies 263 Euro. Dies entspricht 26 % der jährlichen Heizkosten des Gebäudes. Im Saldo verringern sich die Ausgaben für Raumwärme und warmes Wasser also um ein gutes Viertel pro Jahr.

In dem Berliner Einfamilienhaus wurde für das Heizkonzept ein modulierendes Öl-Brennwertgerät mit einer elektrischen Heizeinrichtung kombiniert – beide Geräte verfügen über eine eigene Umwälzpumpe und sind mit einem 500 l fassenden Pufferspeicher verbunden. Beide Komponenten sind mit einer separat installierten Kommunikationsbox verbunden, die via Mobilfunknetz mit der Leitwarte eines Stromhändlers verknüpft ist. Sie bezieht immer nur dann Strom, wenn im Netz gerade zu viel vorhanden ist und die Annahme dieses Stroms finanziell vergütet wird, um damit den 500 l fassenden Pufferspeicher aufzuheizen. Ist gerade kein günstiger Strom beziehbar, aber der Speicher ausgekühlt, springt die Öl-Brennwerttherme ein und bedient sich der im Öltank eingelagerten fossilen Energie. Scheint die Sonne, speist die zur Südseite orientierte PV-Anlage auf dem Dach den erzeugten Solarstrom komplett ins Netz ein. Die knapp 40 m2 große Anlage trägt dann mit ihrem Leistungsvermögen von 6 kWp wiederum dazu bei, dass im Netz Lastspitzen entstehen, die einen günstigen Strombezug ermöglichen – ein Kreislauf, der permanent Energiekosten einspart.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass Power-to-Heat in ölbasierten Hybridheizungen nicht nur eine wichtige Dienstleistung zur Stabilisierung der Stromnetze bereitstellen kann, sondern Hausbesitzern auch ermöglicht, von der Energiewende finanziell zu profitieren“, unterstreicht IWO-Ingenieur Christian Halper. Das belegen auch die Ergebnisse einer Studie zu den wirtschaftlichen Potenzialen von Power-to-Heat, die das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) erstellt hat. Demnach könnten sich die bei einer Heizungsmodernisierung für Power-to-Heat notwendigen Mehrkosten in weniger als zehn Jahren amortisieren.

Strommarkt im Umbruch

Überlegenswert ist ein solches Konzept insbesondere für Altbauten, die bislang mit Öl beheizt wurden und in deren Kellern noch ein Öltank steht. Womöglich findet sich sogar bereits ein Pufferspeicher, weil die Ölheizung zwischenzeitlich um einen Solarkollektor für die Trinkwarmwasserbereitung erweitert wurde. Der preistreibende Haken an der Sache ist allerdings die noch zu teure Kommunikationstechnik – würde diese künftig bereits in die Elektronik von Heizgeräten integriert oder wäre sie als Großserienprodukt auf dem Markt bereits verfügbar, fielen die Investitionen deutlich niedriger und die Amortisationszeiten geringer als die kalkulierten zehn Jahre aus.

Hinderlich sind zudem die Umlagen und Entgelte für die Nutzung des Überschussstroms – die Gestaltung des Strommarktes müsste entsprechend angepasst werden: „Derzeit wird diskutiert, das Strommarktdesign zum Beispiel durch das Angebot variabler Stromtarife für private Haushalte zu verändern“, berichtet IWO-Projektleiter Simon Jastrzab. „Bei Änderungen muss jedoch beachtet werden, dass ausschließlich strombasierte Heizsysteme Reserve-Kraftwerke notwendig machen. Deren Kosten sollten verursachergerecht verteilt werden, zum Beispiel durch eine Kostenkomponente für die Vorhaltung gesicherter Leistung.“

Die Vorteile einer Hybrid-Heizung auf Ölbasis könnten dann alsbald noch weitere Perspektiven eröffnen – zum Beispiel, indem man das Wasser im Pufferspeicher mit dem Überschussstrom aus der hauseigenen PV-Anlage erwärmt, anstatt ihn ins Netz einzuspeisen. Dies würde das Netz im Falle von regenerativ verursachten Überkapazitäten entlasten. An neblig-trüben Wintertagen sichert bei erkaltetem Pufferspeicher wiederum das im Tank gebunkerte Öl die Energieversorgung im Haus. So wird die Lösung der witterungsabhängigen Energieversorgung vom Großen ins Kleine miniaturisiert – was indes bleibt, ist die Spekulationslust an den Strombörsen  sowie die CO2-Belastung der Atmosphäre durch viele kleine private Backup-Öl-Brennwertgeräte anstatt einiger großer fossiler Reserve-Kraftwerke.

Weitere Infos: www.zukunftsheizen.de/pth

Objektdaten

Nutzfläche: 149,7 m2

Baujahr: 1972

Anzahl Bewohner: 2

Heizsystem: – modulierendes Öl-Brennwertgerät, 5 bis 15 kW Leistung

– elektrische Heizeinrichtung mit 9 kW Leistung

Solarstromanlage: 6 kWp, 40° Neigung, 39,4 m2 Fläche, Südausrichtung

Wärmespeicher: 500 Liter Pufferspeicher

Öltank: kellergeschweißter Tank mit Innenhülle, 4000 Liter

Wie Strombörsen funktionieren

Mit der Liberalisierung der Strommärkte im Jahr 2000 entstanden auch die Strombörsen. Maßgeblich für den deutschen Strommarkt sind die EEX (European-Energy-Exchange) mit Sitz in Leipzig und die in Paris ansässige EPEX (European-Power-Exchange). Die beiden Börsen decken jeweils unterschiedliche Märkte ab: Der kurzfristige Handel, also wenn zwischen dem Kauf und der Lieferung nicht mehr als ein Tag liegt, findet auf dem Spotmarkt der EPEX statt. Hier können die Marktteilnehmer kurzfristig benötigte Mengen kaufen oder nicht mehr benötigte Mengen verkaufen. An der EEX wird dagegen auf Termin gehandelt, das heißt der Erfüllungszeitpunkt der getätigten Geschäfte liegt in der ferneren Zukunft.

Der Hauptzweck von Strombörsen liegt darin, einen transparenten und zuverlässigen Preisbildungsmechanismus für den Großhandelsmarkt sicherzustellen, indem Angebot und Nachfrage bei einem fairen Preis zusammengeführt und die an der Börse getätigten Transaktionen tatsächlich geliefert werden. Der Strompreis kommt dabei durch zwei Mechanismen zustande: die Auktion und den kontinuierlichen Handel. Bei der Auktion ergibt sich der Marktpreis aus dem Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve. Die Angebotskurve ist ansteigend, da mit steigendem Preis die angebotene Menge zunimmt. Die Nachfragekurve ist hingegen fallend, da umso mehr Strom nachgefragt wird, je niedriger der Preis ist. Da sich Angebot und Nachfrage ständig ändern, variieren auch die Strompreise von Stunde zu Stunde. Im Jahr 2014 ist das Handelsvolumen am sogenannten „Day-Ahead-Markt“ auf mehr als 260 Mrd. kWh angestiegen, was rund der Hälfte des deutschen Stromverbrauchs entspricht. Beim kontinuierlichen Handel im „Intraday-Markt“ kommt anders als bei der Auktion ein Geschäft und damit ein Preis immer dann zustande, wenn ein Käufer der Börse einen Kaufpreis nennt, der mindestens so hoch ist wie ein der Börse vorliegendes Verkaufsangebot oder wenn ein Verkäufer der Börse einen Preis nennt, der nicht höher ist als ein der Börse vorliegendes Kaufangebot.

Die zweite wichtige Funktion von Strombörsen ist, es den Marktteilnehmern zu ermöglichen, sich gegen Preisänderungen abzusichern – Käufer gegen steigende und Verkäufer gegen fallende Preise. Hierzu dienen die Terminmärkte für längerfristige Stromlieferungen von sechs Wochen bis zu sechs Jahren. Das Geschäft verpflichtet den Käufer zu dem in der Zukunft liegenden Lieferzeitpunkt, den Kaufpreis an die Börse zu bezahlen. Der Verkäufer erhält von der Börse zum Lieferzeitpunkt den vereinbarten Kaufpreis.

Die dritte wichtige Aufgabe der Strombörsen ist es, das sogenannte Kontrahentenausfallrisiko zu übernehmen. Damit ist gemeint, dass die Strombörse dafür garantiert, dass die getätigten Geschäfte unter allen Umständen erfüllt werden. Die Börse fungiert dabei als Vermittler und verlangt dafür von beiden Seiten ausreichend hohe Sicherheiten, damit das Geschäft auch im Falle der Insolvenz von Käufer oder Verkäufer trotzdem erfüllt wird.

Die sogenannten „Marketmacher“ gewährleisten an der Strombörse, dass zu jedem Zeitpunkt ein Verkäufer einen Käufer beziehungsweise ein Käufer einen Verkäufer findet, indem sie zu jedem Zeitpunkt gleichzeitig ein marktpreisnahes Angebot zum Verkauf und Kauf einstellen.

Regelenergie und negative Regelleistung

Der Ausbau fluktuierender Stromquellen wie Windkraft oder Photovoltaik erhöht die Wahrscheinlichkeit für Prognosefehler bei der Planung des Stromangebots. Um einen stabilen Betrieb des Stromnetzes zu ermöglichen, müssen Angebot und Nachfrage jedoch stets genau ausbalanciert sein. Um bei Bedarf nachsteuern zu können, halten die deutschen Übertragungsnetzbetreiber schnell aktivierbare Regelleistung vor. Übersteigt das Stromangebot die Nachfrage, etwa aufgrund unerwartet hoher Windstromproduktion, können sie negative Regelleistung aktivieren, um die Abweichung auszugleichen. Die vorgehaltene Regelleistungsmenge wird auf dem Regelenergiemarkt täglich ausgeschrieben. Anbieter, die einen Zuschlag für die von ihnen angebotene Regelleistung erhalten, werden einmal für die Bereithaltung ihrer Leistung und bei Aktivierung auch für die bereitgestellte Energiemenge vergütet. Power-to-Heat-fähige Ölhybridheizungen können durch die Kombination von Wärmespeicher und Elektroheizer negative Regelleistung mit höchster Flexibilität bereitstellen. Durch eine Bündelung in virtuellen Kraftwerken kann deren Regelleistungspotenzial in den Regelleistungsmarkt einbracht werden.