Heutige Hochleistungs-Lithium-Ionen-Batterien bestehen ausnahmslos aus Materialien mit einem großen Nickelanteil in der Kathodenmasse, um die Energiedichte zu erhöhen. In der Herstellung kommen dabei giftige Lösungsmittel und fluorhaltige Chemikalien zum Einsatz. Dem ZSW gelang ohne giftige Lösungsmittel und fluorhaltige Binder die Herstellung der nickelreichen Kathoden mit hoher spezifischer Energie und Langlebigkeit im produktionsnahen Pilotmaßstab. Die so hergestellten Elektroden wurden in Rundzellen vom Typ 21700 verbaut. Nach 1.000 Lade-/Entladezyklen wiesen sie noch 80 Prozent der Anfangskapazität auf und sind damit für den Einsatz in Batteriefahrzeugen geeignet.
„Unsere Arbeiten sollen die Herstellung von Elektroden in Lithium-Ionen-Batterien verbessern und umweltfreundlich machen, ohne die Leistung der Batterien zu beeinträchtigen“, so Professor Markus Hölzle, Leiter des ZSW Geschäftsbereich in Ulm. „Dabei spielt die Substitution von giftigen Lösungsmitteln und biologisch nicht abbaubaren fluorhaltigen Chemikalien eine wichtige Rolle.“
Kostengünstigen und industrietauglichen Prozess entwickelt
Im Rahmen der Forschungsarbeiten hat das ZSW das Standard-Lösemittel NMP sowie das Binder-Gemisch PVDF mit einer wässrigen Formulierung ersetzt. Dadurch werden neben den positiven ökologischen Aspekten auch die Kosten bei der Zellfertigung gesenkt. Startpunkt waren eigene Arbeiten im Milliliter-Maßstab. Nun konnten die Forschenden erstmals erfolgreich auch Elektroden von rund 100 Meter Länge herstellen. Hierzu wurden die vorentwickelten Materialien im Kilogramm-Maßstab eingesetzt. Dieser sogenannte Pilotmaßstab gilt als Schlüsselschritt bei der Übertragung von Labor (Milliliter) in die großtechnische Anwendung (Kubikmeter bzw. Tonnen). Das ZSW konnte mit den 100 Meter langen Elektrodenbändern auch erstmalig vollwertige zylindrische Batteriezellen des Formats 21700 produzieren. Dieses Zellformat setzt etwa der Autobauer Tesla in seinem Model 3 ein. Diese Batterien sind aber auch für den Einsatz im E-Bike geeignet. Die Übertragung des Prozesses auf weitere Zellformate wird folgen.
Die mit dem neuen Verfahren hergestellten Batterien beinhalten ein hochaktives Kathodenmaterial mit 83 Gewichtsprozent Nickel und auf der Gegenseite, dem Minuspol beziehungsweise der Anode, Graphit. Die Zellen konnten erfolgreich bei 25 Grad Celsius 1.000-mal geladen und entladen werden, bevor sie den Energieinhalt von 80 Prozent unterschritten. Ausgedrückt in Kilometern würde dies bei heute typischen Batteriegrößen in Elektrofahrzeugen mindestens 200.000 Kilometern entsprechen.
„Mit unserem neuen Produktionsverfahren verringern wir den ökologischen Fußabdruck von Lithium-Ionen-Batterien deutlich“ ergänzt Margret Wohlfarth-Mehrens, die als Fachgebietsleiterin für die Arbeiten verantwortlich war. „Nachdem bei den Anoden bereits seit vielen Jahren auch im industriellen Maßstab mit Wasser als Lösungsmittel gearbeitet wird, haben wir das nun auch bei den Kathodenmaterialien geschafft. Der Einsatz von Wasser ermöglicht neben dem Wegfall von giftigen Lösungsmitteln auch die Nutzung von nichtfluorierten Bindern, was das Recycling von Batterien deutlich vereinfacht.“
Lithium-Ionen-Batterien sind der zentrale Baustein für den Wandel hin zur Elektromobilität. Ihre Performance wird fast ausschließlich von den verbauten Materialien bestimmt. Um Innovationen in den Markt zu bringen, müssen Entwicklungen aus dem Labormaßstab in den Pilotmaßstab skaliert werden. Von Pilotmaßstab spricht die Wissenschaft dann, wenn alle Prozessschritte seriennahe Anforderungen erfüllen.
Die Arbeiten erfolgten im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes DigiBatt Pro 4.0. Quelle_ ZSW / pgl