Fünf Wissenschaftler haben die Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor gegründet. In einem Manifest kritisieren sie die einseitige Fokussierung auf immer höhere Energieeffizienzstandards und fordern einen politischen Richtungswechsel. Die aktuellen Ansätze, die sich auf maximale Energieeffizienz und umfassende Sanierungsmaßnahmen stützten, seien weder finanzierbar noch klimawirksam genug. Die Initiative, die unter anderem die Professoren Elisabeth Endres und Norbert Fisch von der TU Braunschweig und der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen Professor Werner Sobek gegründet haben, fordert den zügigen Aufbau einer emissionsfreien Wärmeversorgung, den konsequenten Einbau von Wärmepumpen bei maßvoller Sanierung und einen klaren Emissionsminderungspfad, der auch die graue Energie von bestehenden Gebäuden in der CO2-Bilanz berücksichtigt. Die Wissenschaftler rufen die Politik dazu auf, die Klimapolitik für den Gebäudebereich auf realistisch erreichbare CO2-Reduktionsziele auszurichten – und nicht den Weg durch einen Dschungel von Gesetzen und Verordnungen dahin vorzuschreiben. Außerdem fordern sie Wirtschaft und Wissenschaft, ihrer Initiative beizutreten. Der GdW – Bundesverband der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen gehört ihr bereits an. Andere verbände dagegen reagieren mit Kritik auf das Manifest.
„Der Energiebedarf muss sinken, um erneuerbar gedeckt werden zu können.“
So wendet sich die Baustoffindustrie gegen die Initiative, das sie als von der Wohnungswirtschaft initiiert bezeichnet. Thomas Drinkuth, Leiter der Branchenvertretung Repräsentanz Transparente Gebäudehülle zeigt sich irritiert über die Analyse, es gebe eine einseitige Fokussierung auf Energieeinsparung im Gebäudesektor: „Tatsächlich dominiert der Wechsel von Öl und Gas zu erneuerbaren Energien längst die Diskussion und die Förderprogramme.“ Das Manifest suggeriere, man könne die Herausforderungen einer bezahlbaren Energieversorgung und des Klimaschutzes in der Energieerzeugung lösen, ohne sich nennenswert um den Verbrauch des Gebäudes zu kümmern. Die Frage, woher die enorme Menge an erneuerbarer Energie für den Bedarf des Gebäudebestandes kommen solle, bleibe unbeantwortet. „Daher ist auch die Forderung, gesetzliche Anforderungen künftig ausschließlich auf die Minderung von CO2-Emissionen auszurichten, nicht zielführend“, sagt Drinkuth. Es müsse eine Mindestanforderung an die Effizienz geben. Eine weitere Schwachstelle sei, dass die Autoren hauptsächlich die Bestände der Wohnungswirtschaft in den Blick nehmen würden. Die energetisch im Durchschnitt viel schlechteren Ein- und Zweifamilienhäuser würden außer Acht gelassen.
Verbände bezeichnen Strategie als sozial gefährlich
Auch die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizient (Deneff) und der Energieberatendenverband GIH kritisieren das Manifest. Ihrer Ansicht nach würde die Strategie zu hohen Transformationskosten führen und Mietende dauerhaft mit hohen Energiekosten belasten. „Der alleinige Fokus auf CO2-Werte und eine Absage an Effizienzanforderungen ist kurzsichtig. Was auf den ersten Blick für Vermieter kostengünstiger erscheinen mag – schließlich können sie die Heizkosten auf die Mietenden umlegen –, entpuppt sich für Mietende als unkalkulierbares Kostenrisiko, da diese die Verbrauchskosten tragen“, erklärt GIH-Geschäftsführer Benjamin Weismann. Wie Drinkuth weist Professor Andreas Holm, Leiter des Forschungsinstituts für Wärmeschutz und Deneff-Beirat, darauf hin, dass ein vollständiger Umstieg auf erneuerbare Wärme ohne Senkung des Energiebedarfs enorme Investitionen und Importe von synthetischem Gas und Öl erfordern würde. Die Kosten für den Ausbau von Strom- und Wärmenetzen würden ins Unermessliche steigen. Deshalb sei eine höhere Energieeffizienz dringend notwendig. Deneff und GIH fordern daher, im Gebäudesektor auf Energieeffizienz als wichtiges Mittel zur CO2-Senkung zu setzen. Priorität müsse insbesondere die Sanierung der Bestandsgebäude mit den höchsten Energiekosten haben. Nur so könne die klimafreundliche Transformation bezahlbar und sozial gerecht gestaltet werden. Effizienz sei keine Option, sondern eine unabdingbare Voraussetzung für eine sichere und bezahlbare Energiewende. Quelle: Verbände / jb