Die aktuellen Diskussionen rund um die Energie- und Wärmewende rücken innovative Ansätze der Wärmeversorgung immer deutlicher in den Fokus. Für einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen braucht es nachhaltige Gebäudekonzepte, die den Belangen des Klimaschutzes gerecht werden und veraltete Technik in den Gebäuden ersetzen. Dies betrifft auch die verschiedenen Lösungen und Modelle des Contractings. Zugleich zeigen jedoch zahlreiche und zum Teil sehr gravierende Missstände aus der Praxis, dass gerade Contractingvarianten unterschiedlicher Ausprägung an Akzeptanz verlieren und oftmals nicht geeignet sind, die zunächst in sie gesetzten Erwartungen auch nur näherungsweise zu erfüllen (siehe auch GEB 01-2020: „In hohem Grade ausgeliefert“). Der Begriff des Contracting selbst ist weder in Gesetzen, noch in Verordnungen hinreichend konkret bestimmt und wird aktuell in der immobilienwirtschaftlichen Praxis nach Möglichkeit sogar vermieden. Hier findet sich dann der Hinweis etwa auf die „gewerbliche Wärmelieferung durch Dritte“ oder, verkürzt: Lösungsansätze der „Wärme-Services“.
Vorteilnahme oder win-win?
Eine kritische Konstellation kann sich insbesondere dann ergeben, wenn in den Händen des Wärmelieferanten fernwärmeversorgter Immobilien auch die Anlagentechnik und die Betriebsführung liegt: Er stellt dann nicht nur die Hausanschlussstationen bereit, sondern ihm obliegt es unter anderem auch, die relevanten Betriebsparameter festzulegen. Da entsteht leicht der Verdacht, der Wärmelieferant könnte versucht sein, den Bestands- oder Neubau nicht hinreichend effizient zu betreiben bzw. zu versorgen und lediglich den eigenen Wärmeabsatz maximieren – sprich: nur in die eigene Tasche zu wirtschaften. Zugleich finden sich jedoch auch „Wärme-Service-Modelle“, die die Interessen aller betroffenen Marktteilnehmer – Gebäudeeigentümer, Nutzer (Mieter) und Contractor (Versorger) – angemessen berücksichtigen und auch im langjährigen Verlauf zu einer win-win-win-Situation führen können.
Nach traditionellem Verständnis stehen Eigentümer bzw. Vermieter in der Pflicht, ihre Immobilien ordnungsgemäß energetisch zu bewirtschaften. Dabei ist dem mietrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung zu tragen, ohne dass es hierbei zu einer Unterversorgung kommt – etwa bei temporären Lastspitzen oder extremen Witterungsbedingungen. Tritt eine weitere Vertragspartei – hier ein seriöser und qualifizierter Wärmedienstleiter – zu diesem herkömmlichen Zwei-Parteien-Vertragsverhältnis hinzu, kann eine win-win-win-Situation für nunmehr drei Vertragsparteien regelmäßig dann entstehen, wenn der Dienstleister tatsächlich mehr Einsparungen und Effizienzsteigerungen erreicht, als er selbst an zusätzlichen Kosten verursacht.
Neue Ansätze für Contracting-Modelle
Die eingangs benannte Energie- und Wärmewende – aktuell und langfristig modifiziert um die zunehmende Bedeutung der CO2-Vermeidung – erfordert grundlegend neue Ansätze auch unter Prüfung überkommender Sichtweisen und Marktstrukturen. Hierzu gehört nicht zuletzt der Schulterschluss zwischen der Immobilienwirtschaft und Unternehmen der Energieversorgung. Beide sollten sich nicht länger wechselseitig als „Marktgegenseite“ im kartellrechtlichen Sinne verstehen, sondern vielmehr bestrebt sein, innovative Lösungsansätze gemeinsam zu entwickeln, die eine solche Bezeichnung auch tatsächlich verdienen. Bei fremdgenutzten Immobilien kommen erschwerend die berechtigten Belange der Mieter hinzu, die im Sinne des Verbraucherschutzes angemessen zu berücksichtigen sind.
Das Bremer Modell
Ein solches kooperativ ausgelegtes Modell haben das Bremer Wohnungsbauunternehmen GEWOBA AG und das örtliche Energieversorgungsunternehmen, die swb AG mit ihren Unternehmenstöchtern wesernetz und Wärme-Services, ausgearbeitet. Die GEWOBA verfügt in Bremen und Bremerhaven gegenwärtig über mehr als 30 000 fernwärmeversorgte Mietwohneinheiten. Beide Partner vereinbarten im vergangenen Jahr einen neuartigen Wärmelieferrahmenvertrag für die angeschlossenen Immobilien, der nicht nur die Preiswürdigkeit, Preistransparenz (Preisgleitformeln) und die Versorgungssicherheit garantiert, sondern auch Belange des Klimaschutzes und der Effizienz fokussiert. Hierzu gehört beispielsweise ein jährlicher Brennstoffreport, aus dem für Eigentümer und Nutzer hervorgeht, wie die anliegende Wärme tatsächlich erzeugt wird und welche Fortschritte bei der Dekarbonisierung – etwa durch einen stufenweisen Kohleausstieg – erreicht werden.
Hinzu tritt eine variable Ausgestaltung des Verhältnisses von Arbeits- und Leistungspreis, welches u. a. auch den Stand der energetischen Gebäudesanierung berücksichtigt und auch innerhalb vereinbarter Rahmenvertragslaufzeiten fortlaufend angepasst werden kann. Somit wird aus wohnungswirtschaftlicher Sicht gewährleistet, dass sich Investitionen in die energetische Gebäudesanierung zeitnah nach deren Abschluss auf den Gebäudeanschlusswert auswirken. Hier kommt ein systemimmanenter Vorteil der Fernwärmeversorgung zum Tragen, da eine Flexibilität genutzt werden kann, die vergleichbar bei einer örtlichen Wärmeerzeugungsanlage nicht besteht. Denn bei vielen Gebäudesanierungen bleiben weiterhin die nun deutlich überdimensionierten Heizkessel in Betrieb, weil deren technische Lebensdauer eben noch nicht erreicht ist.
Anschlusswerte anpassen, Wärmenetz verdichten
Bei einer Fernwärmeversorgung bietet das Reduzieren der Anschlusswerte bei den energetisch sanierten Gebäuden die Chance, die nicht mehr benötigte Anschlussleistung für andere Immobilien zu nutzen und so die Abnahmestrukturen im örtlichen Wärmenetz zu verdichten. Somit kann ein (noch) bestehendes Heizkraftwerk künftig mehr Liegenschaften versorgen, was der win-win-Situation insgesamt zugute kommt.
Die allgemein angestrebte Absenkung des Fernwärmetemperaturniveaus – nicht zuletzt auch aus Gründen der Betriebssicherheit – findet hierbei ihre Grenzen an den aktuellen Anforderungen des vorhandenen Gebäudebestandes. Insoweit ist eine Absenkung stets so zu planen und umzusetzen, dass bestehende
Altanlagen nicht Gefahr laufen, unterversorgt zu werden. Dieser innovative partnerschaftliche Ansatz sichert langfristig die Bedeutung der leitungsgebundenen Wärmeversorgung in Bremen und Bremerhaven. Zugleich profitiert die Wohnungsbaugesellschaft von der dringend gebotenen Planungssicherheit, gerade in Zeiten sich rasch ändernder Markt- und Rahmenbedingungen. So können beispielsweise auch Wohneinheiten an Wärmenetze angeschlossen werden, die bisher noch gebäudeeinzeln – etwa durch Ölkessel – versorgt werden oder die, historisch gewachsen, der direkten Wärmeversorgung ohne eigenen Sekundärkreislauf innerhalb der einzelnen Gebäude unterliegen.
Analyse der Versorgungsstruktur
Nach Abschluss und Umsetzung der Rahmenverträge wurde in einer weiteren Stufe die konkrete Versorgungsstruktur vor Ort analysiert. Dabei zeigte sich, dass bei sehr vielen direkt versorgten Gebäuden das Heizwasser aus den Wärmeerzeugungsanlagen unmittelbar mit bis zu 130 °C und mit bis zu 10 bar Druck an den einzelnen Heizkörpern der Wohneinheiten anliegt. Soweit – ebenfalls historisch gewachsen – bereits Hausanschlussstationen mit einem Sekundärkreislauf in der nachgelagerten Gebäudeeinheit vorhanden waren, sind diese zum Teil mehr als 40 Jahre alt. Punktuell wurden hier bei Bedarf einzelne Komponenten, wie etwa Pumpen oder Ventile, ausgetauscht. Insgesamt jedoch war oftmals eine überkommene Technik zu attestieren, die den künftigen Anforderungen nicht mehr genügt.
Betriebsführung in der Hand des Gebäudeeigentümers
Neben den anfallenden Nebenkosten achtet die GEWOBA auch auf die Belange des Klima- und Ressourcenschutzes, und dabei insbesondere auf den mit der Beheizung ihrer Liegenschaften verbundenen CO2-Ausstoß. Auch diesbezüglich zeigen sich die Vorteile des innovativen Contractingmodells, das mögliche Interessenkonflikte gar nicht erst aufkommen lässt: Der Energieversorger swb liefert die leitungsgebundene Wärme, errichtet und betreibt die Anlagentechnik, derweil die GEWOBA verbindlich die relevanten Einstell- und Betriebsparameter vorgibt. Hierzu gehört zunächst die Vorgabe des technischen Anforderungsprofils der zu errichtenden Stationen, um sicherzustellen, dass die Betriebsvorgaben auch vor Ort umgesetzt werden können.
In der laufenden Betriebsführung werden dann – gebäudespezifisch und unter Berücksichtigung des Nutzerverhaltens in der Vergangenheit – die Einstellparameter vom Wohnungsbauunternehmen festgelegt. Hierzu gehören u. a. die Heizkennlinien, Nachtabsenkung, Festlegung der jeweiligen Heizperiode und das Innenraumtemperaturniveau. Soweit die Fernwärmeversorgung auch die Trinkwarmwasserbereitung umfasst, kommen noch Betriebsparameter hinsichtlich TWW-Temperaturniveau, Zirkulationsbetrieb und Legionellenschutz hinzu.
Stark vereinfacht sieht das Modell vor, die traditionell anliegende Fernwärme langfristig weiter zu nutzen und dabei die gebäudeinternen Anlagen so zu steuern, als wäre es der „eigene Heizkessel“.
Das Bremer Contractingmodell – eine vertragliche Kooperation zwischen Energieversorger und Wohnungswirtschaft, die neben dem Preisniveau und der Versorgungssicherheit auch den Ressourcen- und Klimaschutz in den Vordergrund rückt
Dr. Torsten Köhne, Vorsitzender des Vorstands der swb AG:
„Das Besondere an diesem Vertrag ist, dass in enger Abstimmung zwischen beiden Unternehmen zum einen nur die Gebäudeanschlusswerte vorgehalten werden müssen, die tatsächlich zur ordnungsgemäßen Versorgung erforderlich sind, und zum anderen der Gebäudeeigentümer bzw. die Mieter mit ihrem individuellen Nutzerverhalten verstärkt Einfluss auf den Wärmeverbrauch nehmen können. Wir freuen uns besonders, auf diese Weise die Kundenperspektive im Rahmen unserer leitungsgebundenen Wärmeversorgung deutlich individueller und mit größerer Flexibilität einbinden zu können. Das neue Konzept fügt sich nahtlos in unsere Wärmestrategie ein, die auf den Ausbau der Versorgung unter Wahrung ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit ausgerichtet ist.“
Peter Stubbe, Vorstandsvorsitzender der GEWOBA AG Wohnen und Bauen, Bremen
„Dieser Vertrag für den Einbau und Betrieb neuer Hausanschlussstationen ist ein weiterer bedeutsamer Schritt für die Erreichung der Bremer Klimaschutzziele. Gemeinsam haben wir, swb und GEWOBA, ein weiteres Vertragswerk ausgehandelt, welches das Nutzerverhalten in den einzelnen Häusern unmittelbar berücksichtigt und eine Überversorgung vermeidet. In Abhängigkeit vom Fortschritt der energetischen Gebäudesanierung im Bestand werden nur noch die Hausanschlussleistungen gebunden, die zur Versorgung tatsächlich erforderlich sind. Freiwerdende Kapazitäten der Wärmeerzeugung können somit für die Versorgung anderer Liegenschaften verwendet werden, sodass der gleiche Wärmeerzeuger weitaus mehr Flächen versorgen kann als zuvor. Derartige innovative Konzepte der Wärmeversorgung sind nur möglich, wenn Unternehmen der Wohnungswirtschaft und der örtlichen Energieversorgung kooperieren.“