In den Hauptpunkten war man sich unter den Anwesenden einig, auf der Jahrestagung des Gebäudeforums klimaneutral am 26. September im Berliner Spreespeicher. So betonte es Stefan Bolln, Bundesvorsitzender des Energieberatendenverbandes GIH, am Anfang. Langweilig wurde es deswegen jedoch ganz und gar nicht. Zum einen, weil sich in vielen Vorträgen und auch in den Diskussionen und Fragerunden zeigte, dass in Sachen Energie- und Gebäudewende Gefahr im Verzug ist. Zum anderen, weil die Fehlentwicklungen und Hindernisse, die die Wende verzögern, unmissverständlich benannt wurden – nicht nur, aber auch und vor allem durch den GIH-Vertreter. Allerdings gab es ebenso Anlass zum Optimismus, denn es ging auch um vielversprechende Ansätze, dank derer bis 2045 vielleicht doch noch ein klimaneutraler Bestand verwirklicht werden kann.
Eingeladen hatte die Dena, die das Forum eingerichtet hat, die Begrüßung übernahm folgerichtig Christian Stolte, Bereichsleiter Klimaneutrale Gebäude bei der Energieagentur. Stolte führte kurz ins Programm ein, hob unter anderem den Netzwerkgedanken hervor, die Vielfalt der möglichen Wege und Lösungen, die Bedeutung des Dialogs mit den Ausführenden, mit den Praktiker:innen der Energie-, Gebäudewende, aber auch mit der Forschung.
Es schloss sich eine Keynote von Jörg Finkbeiner an, Geschäftsführer des Büros Partner und Partner Architektur, der die allen im Bereich Bau Tätigen jetzt gestellten Aufgaben skizzierte. Finkbeiner konnte mit Buckminster Fuller auf einen visionären Konstrukteur, Designer und gleichfalls Architekten verweisen, der seine Zunft und die Öffentlichkeit insgesamt bereits vor über 50 Jahren auf die planetaren Grenzen aufmerksam gemacht hatte, in seiner berühmten „Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde“ („Operating Manual for Spaceship Earth“). Offenbar ohne allzu viel Erfolg, betrachtet man das rasante Fortschreiten der Klimawandels seitdem und das wachsende Ressourcenproblem, die Tatsache, dass der Erdüberlastungstag jedes Jahr ein wenig früher stattfindet. Doch Finkbeiner hatte auch Positives zu vermelden: Immer weniger Auftraggebende stellten das ökologische, nachhaltige Bauen in Frage, jedoch eventuell auch aus Angst davor, Geld in den Sand zu setzen, in Stranded Assets zu investieren. Dabei mag zusätzlich die EU-Taxonomie eine Rolle spielen: sie belohnt Investitionen in Projekte, die im Sinne von Klimaneutralität, Ressourcen- und Energieeffizienz sowie Kreislaufwirtschaft geplant werden.
Deutliche Worte in der Podiumsdiskussion: Lesen hilft
In der folgenden Podiumsdiskussion hob Alexander Renner vom BMWK die bisherigen Erfolge der Förderpolitik hervor, die sich durchaus sehen lassen könnten, einer Förderpolitik, die mit dem Einkommensbonus der Heizungsförderung auch die finanziell schlechter gestellten Antragstellenden mit einbezieht. Insgesamt habe man vieles auf den Weg gebracht, die Programme würden sehr gut angenommen, gerade deswegen habe man ja jüngst die Förderung der Energieberatung kürzen müssen. Das musste allerdings Stefan Bolln anders sehen. Die Senkung des Fördersatzes von 80 auf 50 Prozent, die „zur Unzeit“ erfolgt sei, werde Auswirkungen auf die Praxis, die Umsetzung der Gebäudewende haben, Auswirkungen, die sich in den kommenden Monaten zeigen würden. Es werde schwer werden, die Energieberatenden wieder zu motivieren. Und es sei auch nicht gut, wenn die Verbände von solchen Aktionen „aus der Zeitung erfahren“. Energieberaterinnen und Energieberater seien diejenigen, die die Gebäudewende draußen umsetzten. „Ihr müsst uns da mitnehmen“, meinte Bolln, an Christian Stolte gewandt.
Doch nicht nur das Hin und Her der Förderpolitik bremst die Entwicklung. Wenn Ratsuchende am Ende doch auf sinnvolle oder dringend erforderliche Maßnahmen verzichten, liegt das aus Sicht des GIH-Bundevorsitzenden auch an missglückter Kommunikation oder gar an Augenwischerei und Irreführung. Bolln zog bei dieser Gelegenheit ein Pixi-Buch aus der Tasche, „Tibor und Lily auf den Spuren des Wasserstoffs“. Das habe er von seiner Tochter, und in dem stehe, was man mit dem Energieträger alles machen könne, wo man ihn einsetzen könne, in der Industrie, für die Mobilität etwa. Aber vom Beheizen „normaler Wohngebäude“ stehe da nichts. Die „H2-ready“-Aufkleber auf den Gasgeräten jedoch würden genau das suggerieren, nämlich dass man irgendwann, wenn es mit Erdgas nicht mehr ginge, mit sauberem Wasserstoff werde weitermachen können. Eine Option, die es höchstwahrscheinlich nicht geben wird, da ist die Fachwelt sich einig. Bolln weiter: „Das hat jedes Kind, das so ein Pixi-Buch liest, verstanden.“ Mehr musste er nicht sagen, der Saal hatte ebenfalls verstanden: Es sollte sich endlich auch unter Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern herumsprechen, dass Wasserstoff nicht zum Verbrennen da ist.
Und noch eine andere, weit verbreitete Fehlannahme verzögere die Gebäudewende. Viele Eigentümer:innen verstünden die Sache mit der kommunalen Wärmeplanung völlig falsch. Sie dächten, die nehme ihnen die Verantwortung fürs klimafreundliche Heizen ab, sie müssten sich demnächst einfach nur ans Netz anschließen lassen. Nicht zuletzt sei da noch die Befürchtung, eine neue Regierung könnte die bisherigen Regelungen wieder zurücknehmen. Alles das, zusammen mit den Querelen ums GEG, habe zu Attentismus geführt, zu einer zögerlichen, abwartenden Haltung, die die Gebäudewende unnötig aufhalte. Bolln lobte die von der Dena initiierte, bundesweite Veranstaltungsreihe „Woche der Wärmepumpe“ vom 4. bis zum 10. November, vermisste allerdings eine vergleichbare Aktion zum Thema Gebäudeeffizienz.
Panel 1: Konsequenzen aus der EPBD
Panel Nummer eins der Veranstaltung stand unter dem Motto „Umsetzen“, es drehte sich um die aktuell und demnächst geltenden Verordnungen. Eröffnet wurde es von Dr. Sibyl Steuwer vom Brüsseler Thinktank Buildings Performance Institute Europe (BPIE). Sie ging in ihrem Vortrag auf die EU-Gebäuderichtlinie ein, die Energy Performance of Buildings Directive (EPBD). Bis Mai 2025 muss sie in deutsches Recht umgesetzt werden, nicht mehr viel Zeit, auch angesichts ihres umfassenden Geltungsbereichs und ihrer Komplexität. Die Vorgaben beim Bauen und Sanieren werden anspruchsvoller. Nicht nur muss ein Gebäude nach neuem Standard nun ein Nullemissionsgebäude sein, für bestehende Nichtwohngebäude werden sogenannte Minimum Energy Performance Standards festgelegt (MEPS), die in Sanierungspflichten münden. Wohngebäude dagegen werden nach EPBD nicht individuell, sondern kollektiv bewertet, ein schon im Vorfeld der Novellierung heftig kritisierte Aufweichung der gebäudescharfen Vorgaben für die Worst Performing Buildings (WPB). Dafür werden bald auch die Treibhausgas-Emissionen über den kompletten Lebenszyklus eines Gebäudes mitberücksichtigt werden müssen. Bis zum 31.12. 2025, so Steuwer, müsse Deutschland dann der EU-Kommission den Entwurf zu seinem ersten nationalen Gebäuderenovierungsplan vorlegen, mit nachvollziehbaren, kontrollierbaren und verbindlichen Effizienzzielen, basierend auf Daten zum Gebäudebestand, die es noch zu sammeln gelte. Die Vorgaben der EPBD erstreckten sich ebenfalls auf eine weitgehende Nutzung von Neu- und Bestandsbauten zur Solarenergieerzeugung, außerdem auf die Aspekte Gesundheit und Soziales. Die Expertin wies darüber hinaus auf die voraussichtlich ab 2027 stark steigenden Kosten fossiler Energien hin, ausgelöst durch die Ausdehnung des Emissionshandels auf den Gebäudebereich, Stichwort ETS 2 (Emission Trading System 2).
Zur Umsetzung er Solarpflicht, die einige Bundesländer bereits eingeführt haben, konnte Elisa Förster berichten, Leiterin des Solarzentrums Berlin. In der Hauptstadt sind seit Anfang 2023 Neubauten mit einer Solaranlage auszurüsten, Bestandsbauten nur im Fall einer „grundständigen Sanierung“ des Daches. Beim Solarzentrum stelle man aber trotzdem auch darüber hinaus Interesse für solche Anlagen fest, auch bei Wohnungseigentümergemeinschaften. Nach wie vor aber sei die Wahl des richtigen Betreibermodells gerade in Mehrfamilienhäusern schwer.
Peter Pannier, Leiter des Fachteams Gebäudeforum klimaneutral, ging in seinem Beitrag auf die im GEG festgelegte 65-Prozent-Regel ein, und stellte anhand der Erfüllungsanforderungen das Angebot des Forums heraus, das unter anderem eine Hotline für Anfragen aus der Beratungs-, Planungs- und Ausführungspraxis beinhaltet.
Energiepreissteigerungen als sozialer Sprengstoff?
In der anschließenden Fragerunde klärte Elisa Förster offene Punkte bezüglich der Solarpflicht. So könne etwa ein Einspruch des Denkmalschutzes von der Pflicht zur Installation einer Anlage entbinden. Peter Pannier dämpfte überzogene Erwartungen an die KI in der Beratung: Laut den IT-Fachleuten müsste das System vorab von zehn Experten wie ihm ein Jahr lang trainiert werden, um arbeiten zu können.
Eine der Fragen entpuppte sich als perfekte Überleitung zum zweiten Panel, denn sie berührte ein zentrales Problem der Gebäude-, der Energiewende – die soziale Dimension. An Steuwer gewandt, wollte Marita Klempnow, ein Teil der Doppelspitze des Deutschen Energieberater-Netzwerks (DEN), wissen, wie man mit der erwähnten Ausdehnung des Emissionshandels auf Gebäude umgehen werde. Die damit ausgelösten CO2- und Energiepreissteigerungen würden einkommensschwache Bürger:innen noch stärker belasten, eine Studie des Münchner Forschungsinstituts für Wärmeschutz (FIW) untermauere das. In diesen Preisanstiegen stecke „Bürgerkriegspotenzial“, man müsse sich nur einmal die jüngsten Wahlergebnisse in den neuen Bundesländern anschauen. Wie könne man „ein Desaster wie beim Heizungsgesetz“ vermeiden? Wie gingen andere EU-Staaten mit diesem Problem um? Steuwer konnte hierzu nicht weit ausholen. Sie führte das Beispiel des Klimabonus‘ in Österreich an, der an alle Bürger:innen ausgezahlt wird, finanziert durch die Einnahmen aus den CO2-Abgaben. Zugleich wies sie auf die Chancen hin, die ein hoher CO2-Preis mit sich bringe. Er mache die energetische Modernisierung noch lohnender, wirtschaftlicher. Außerdem gebe es Hinweise darauf, dass eine umfassende energetische Sanierung eines Quartiers auch den sozialen Zusammenhalt vor Ort verbessern könne, zumindest deuteten Begleitstudien zu entsprechenden Projekten in Dänemark darauf hin.
Panel 2: Alle mitnehmen – eine Frage der Gerechtigkeit
Wie besorgniserregend die soziale Schieflage in den Bereichen Wohnen, Heizen und Modernisieren tatsächlich ist, wurde aus dem Beitrag von Beatrice Kuhn ersichtlich, Leiterin Fachkommunikation & Netzwerke, Klimaneutrale Gebäude bei der Dena, zur Eröffnung des zweiten Panels, „Umdenken“. Sie fasste die Ergebnisse einer aktuellen Arbeit aus ihrem Haus zusammen („Soziale Aspekte der Gebäude-Energiewende“), konzentrierte sich dabei auf die Lage des unteren Einkommensdrittels.
Nicht wenige Angehörige dieser Gruppe müssten 30, 40 Prozent oder mehr ihrer Einkünfte fürs Wohnen aufwenden, Energiepreissteigerungen brächten sie daher schnell in finanzielle Bedrängnis. So lenkte Kuhn den Blick auf das Phänomen der Energiearmut, das sich gerade in unsanierten Gebäuden bemerkbar macht. Über acht Prozent der Haushalte hätten 2023 angegeben, ihre Wohnungen nicht mehr angemessen heizen zu können, mehr als doppelt so viele wie 2021.
Nur weitgehende energetische Modernisierung, am besten die Komplettsanierung, könne die Menschen aus der Energiekostenfalle holen. So eine umfassende Sanierung befördere beispielsweise ein Einfamilienhaus der Effizienzklasse G in die Klasse B, mittels Heizungstausch und Wärmeschutz, und senke die jährlichen Heizkosten von rund 3.000 auf rund 800 Euro. Eine solche Maßnahme aber könnten sich in der Regel nur die oberen Einkommensklassen leisten, die unverhältnismäßig stark von der Förderung profitierten. Gering verdienende Haushalte dagegen müssten immer noch drei oder mehr ihrer Jahresgehälter einplanen. Selbst der Einkommensbonus im Rahmen der Heizungsförderung helfe nur bedingt. Noch bedenklicher ist die Situation der Mieter:innen mit niedrigem Einkommen, wobei in Deutschland insgesamt immerhin 58 Prozent aller Haushalte zur Miete wohnen.
Wie umfassende energetische Maßnahmen für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen können, erfuhr man von Guillaume Behem vom Institut Wohnen und Umwelt (IWU). Behem präsentierte das Beispiel der Sanierung eines Mehrfamilienhauses in Darmstadt zum Passivhaus Sozial Plus, 2019 erfolgt, für Menschen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt so gut wie chancenlos waren. Mit den Miethöhen kamen alle Beteiligten im modernisierten Gebäude dennoch gut zurecht, eben vor allem aufgrund der minimalen Heizkosten.
Thomas Zwingmann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ging auf die Energieberatung gerade für die bislang vernachlässigte Gruppe der Mieterinnen und Mieter mit geringem Einkommen ein. Die habe man vor Ort nach Beginn der Ukraine- und damit der Energiekrise verstärkt in Angriff genommen. Energiearmut (siehe oben) werde bei uns erst seit Kurzem thematisiert, ganz anders als zum Beispiel in Großbritannien, wo Initiativen wie die Plymouth Energy Community sie seit längerem offensiv bekämpften.
In der Diskussion wurde gefordert, die finanzielle Unterstützung endlich sozial gerechter zu gestalten. Man gab zu bedenken, dass Mieterinnen und Mieter eher wenig machen könnten. Einen Schub für die Gebäudewende bringe aber sicher die Modernisierung der vielen Ein- und Zweifamilienhäuser, das war Konsens. Deren Eigentümer:innen jedoch sind häufig ebenfalls finanziell eher schlecht ausgestattet. Insbesondere die Älteren unter ihnen bekämen oft keine Kredite von den Hausbanken. Man müsste in dieser Sache wohl noch einmal mit den Kreditinstituten reden. Eine Vernachlässigung dieser Aspekte werde negative Folgen für die soziale Akzeptanz der Wende haben.
Panel 3: Nachhaltige Modernisierung
Das drittel Panel hatte mit „Umnutzen – Ansätze aus der Praxis“ ein etwas ungenaues Motto, ging es doch auf theoretischer Ebene einerseits um Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit, wie sie eingangs von Jörg Finkbeiner gefordert worden war, andererseits um die Beschleunigung der in der Realität äußerst zäh verlaufenden Transformation. Prof. Elisabeth Broermann von Architects for Future (A4F) erläuterte, was hinter der Forderung des Vereins nach einem Abriss-Moratorium steckt. Der Gebäudebestand gebe genug Raum zum Wohnen und Arbeiten her, so Broermann, 4,3 Millionen Wohneinheiten ließen sich schaffen. In diesem Zusammenhang ging sie auf die von den A4F angeregten UMbauordnungen ein, die das Umbauen, Modernisieren und Umnutzen vereinfachen und beschleunigen und nachhaltiges Bauen erleichtern sollen. Niedersachsen und Bremen haben diese Anregungen jüngst umgesetzt, ihren Landesbauordnungen entsprechend geändert: Dachgeschossausbau ist nun genehmigungsfrei, Holzbau ist auch in höheren Gebäudeklassen möglich, bei Errichtung neuer Wohneinheiten entfällt die (schon lange nicht mehr zu rechtfertigende) Stellplatzpflicht und es sind in bestimmten Fällen Abweichungen von Normen zulässig, in Anlehnung an die Vorgaben für den Gebäudetyp e (e wie „einfach“).
Dominik Campanella, Geschäftsführer von Concular, konzentrierte sich auf den Aspekt der Kreislauffähigkeit unserer Gebäude. Die Baubranche verursache weltweit rund 60 Prozent des gesamten Abfallaufkommens – und nur ein Prozent der bei Abriss oder Rückbau gewonnenen Materialien würden wiederverwertet. So bringt jeder Neubau einen erheblichen Treibhausgasausstoß mit sich. Den gelte es allerdings rapide zu senken: „Die Klimakrise wird auf der Baustelle entschieden“. Ein gutes Vorbild sei Dänemark, mit seinen Grenzwerten für Menge der in Bauwerken enthaltenen grauen THG-Emissionen. Die hiesige Praxis müsse sich entsprechend ändern. Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz sei übrigens durchaus strikt in baulicher Hinsicht, doch werde es offensichtlich noch nicht befolgt, viele der derzeit erfolgenden öffentlichen Ausschreibungen seien rechtlich anfechtbar. Es komme jetzt darauf an, die Gebäude wenn nicht zu erhalten, so doch als Ressourcen zu sehen, die in ihnen enthaltenen Bauteile und Materialien und ebenso die Inneneinrichtungen zu erfassen – Concular habe eine Software dafür entwickelt. Campanella zeigte unter anderem das Beispiel eines Verwaltungsbaus in Düsseldorf, vom Anfang des 20. Jahrhunderts, dessen Ausbaumaterialien und Inneneinrichtung gerettet wurden. Teile der Inneneinrichtung wurden für eine neue Verwendung vom Hersteller rezertifiziert. Von einem weiteren Objekt in Düsseldorf konnten schwere Fassadenplatten aus Granit gewonnen werden, heute unter Umständen gar nicht mehr zu bezahlen, die nun, gesägt und geschliffen, als schwimmend verlegter Bodenbelag einer neuen Nutzung zugeführt werden. Die nicht die letzte sein muss. In Berlin hat das Unternehmen ein Zwischenlager für Material aus Rückbauprojekten eingerichtet, weitere solcher „Urban Mining Hubs“ sollen folgen. Concular hat darüber hinaus die Norm DIN SPEC 91484 gestaltet, „Verfahren zur Erfassung von Bauprodukten als Grundlage für Bewertungen des Anschlussnutzungspotentials vor Abbruch- und Renovierungsarbeiten (Pre-Demolition-Audit)“. Campanella dazu: „Normen entwerfen macht Spaß!“ Anscheinend so viel, dass bereits die nächste in Arbeit ist, DIN SPEC 91525, „Rückbaukonzept bei Bestandsgebäuden“.
Modernisierungs-Booster: Standardisieren und Vereinfachen
Zu guter Letzt machte Raffael Rackwitz vom DEN einen Vorschlag, wie man die Modernisierung vor allem der WPB, der Worst Performing Buildings, der ineffizientesten Gebäude, flächendeckend beschleunigen könnte. Hierbei bürstete er das Klischee vom individuellen Altbau mit Charme und Charakter kräftig gegen den Strich. Der Bestand sei zum großen Teil geprägt von Typenbauten, mit immer wiederkehrenden Konstruktionsweisen, die man je nach Epoche und Region recht detailliert beschreiben könne. Das erlaube es, die Beratung der Eigentümer:innen, die Modernisierungsplanungen und schließlich die Durchführung zu standardisieren und zu vereinfachen. Es sei zum Beispiel nicht einzusehen, warum in Reihenhaussiedlungen die Maßnahme für jede Einheit individuell geplant werden solle. Oder: Bei Schrägdächern habe man es fast immer mit den gleichen Sparrenabständen zu tun, eine Standard-Modernisierung, mit einer Zwischensparrendämmung von zwölf Zentimetern Holzfaserdämmung und zusätzlich einer Aufsparrendämmung aus Holzfaserunterdeckplatten, schließe rasch und unkompliziert eines der schlimmsten Wärmelecks von WPB. Um die Sache voranzubringen, müsse man Fachwissen und Erfahrungen bündeln, auch die Digitalisierung vorantreiben, um Gebäudedaten zu sammeln und zu klassifizieren.
Die Baustellen der Gebäudewende
Sicher drängt auch in Sachen Nachhaltigkeit die Zeit, die Mengen an grauer Energie, die für Neubau wie für Umbau und Modernisierung aufgewendet werden, müssen so schnell wie möglich reduziert werden. Doch brennender ist aktuell das Problem der sozialen Gerechtigkeit, so der Eindruck nach einem inhaltsreichen Tag im Spreespeicher. Für immer mehr Menschen, die in unsanierten Gebäuden leben müssen, ob als Mieter:innen oder als finanzschwache Eigentümer:innen, wird es im Laufe der kommenden Jahre eng werden, nicht erst ab 2027. Finanziell und gesundheitlich eng, denn zu kalte vier Wände im Winter sind wie zu heiße im Sommer eine Gefahr für die Gesundheit, können sogar lebensbedrohlich sein. Was es jetzt braucht: eine verlässliche, stabile und sozial ausgeglichene Förderpolitik; eine bessere Kommunikation der gesetzgebenden und der Förder-Institutionen; Standardisierung und Vereinfachung der Modernisierung (auch dort, wo sie nicht seriell erfolgen kann); offensives Angehen gegen Falsch- und Fehlinformationen in den „sozialen“ Medien. Und selbstverständlich sollten alle, nicht nur die Menschen in den schlecht isolierten, fossil beheizten Häusern, mehr seriöse Sach- und Fachbücher lesen – und seien es Pixi-Bücher. Quelle: ab