Das Themenspektrum des DEN-GRE-Kongresses reichte von der ersten Novelle des Gebäudeenergiegesetzes GEG über aktuelle Fragen der Normung bis hin zu stadtklimatischen Aspekten und vorbildlichen Beispielen aus dem Bereich Passivhäuser. Es war die insgesamt 13. Veranstaltung dieser Art. Die diesjährige Tagung war nach einer vierjährigen, coronabedingten Pause die erste größere Präsenzveranstaltung, welche das Deutsche Energieberater-Netzwerk DEN e.V. in Zusammenarbeit mit seiner wissenschaftlichen Abteilung GRE, der ehemaligen „Gesellschaft für Rationelle Energieverwendung e.V.“, realisierte.
„Ziel ist es, Theorie und Praxis zu verbinden“
„Wir verstehen den DEN-GRE-Kongress als eine Plattform für Perspektivenwechsel und manchmal sogar auch für Paradigmenwechsel“, stellt Prof. Dr. Anton Maas fest, der an der Universität Kassel einen Lehrstuhl für Bauphysik innehat. Maas hat den wissenschaftlichen Teil der Tagung organisiert. „Wir bieten in der Kasseler Orangerie ganz bewusst eine Mischung aus aktuellen Neuigkeiten und grundlegenden wissenschaftlichen Fragestellungen aus dem Gebäudebereich. Ziel ist es, Theorie und Praxis zu verbinden und Inhalte aus Forschung und Anwendung möglichst transparent und nachvollziehbar zu präsentieren.“
Die DEN-Vorstände Dipl.-Ing. Marita Klempnow und Dipl.-Ing. Hermann Dannecker stimmen dem Professor zu. Klempnow: „Auch für uns Energieberaterinnen und Energieberater steht der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis im Vorderpunkt. In Kassel kommen normalerweise im zweijährigen Rhythmus Menschen zusammen, welche die Energieeffizienzdebatte im Gebäudebereich prägen und mitgestalten. Dieser Kongress ist also eine wunderbare Gelegenheit für den fachlichen, aber auch für den persönlichen Austausch. Leider ist diese Tagungsreihe mit ihrem besonderen Charakter die letzte ihrer Art in unserer Branche.“ Dannecker ergänzt: „Innovationen spielen bei unseren gemeinsamen Kongressen ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Forschenden brauchen schließlich Praktiker und deren Erfahrung, um die Tauglichkeit ihrer Ergebnisse im Alltag überprüfen und testen zu können. Insofern erweitern diese Tagungen mit ihren vielfältigen Inhalten unser aller Horizont.“ Zum Tagungsprogramm gehörte auch in diesem Jahr wieder ein gesellschaftlicher Teil. Bei angenehmer Live-Musik genossen die Kongressteilnehmer in der Kasseler Brüderkirche ein Diner in festlichem Rahmen.
Vielfältige Fachvorträge
Eine vielfältige Mischung an Vorträgen bot der DEN-GRE-Kongress auch in diesem Jahr wieder. So stellte der Referatsleiter „Rechtsfragen Gebäudeenergie“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Martin Schöpe, die erste Novelle zum Gebäudeenergiegesetz im Einzelnen vor. Er zeigte sich überzeugt: „Die Energiewende kommt mit dieser Regierung deutlich in Fahrt.“ An die Adresse der Energieberaterinnen und Energieberater fügte er hinzu: „Das schaffen wir aber nur mit Ihnen! Sie müssen das alles umsetzen!“
In seinem Update zur Gebäudestrategie zeigte sich Benedikt Empl M. Sc. vom Forschungsinstitut für Wärmeschutz in München vorsichtig. Er vertrat seinen Institutsleiter Prof. Dr.-Ing. Andreas Holm. Empl sprach mit Blick auf die zahlreichen politischen Initiativen und Gesetze der vergangenen Jahre von „sehr ambitionierten Zielen“. „Um diese zu erreichen, müssen wir alle Trümpfe ziehen“, sagte er und nannte beispielhaft deutliche Einsparungen beim Flächenverbrauch, weniger Neubauten sowie die Ertüchtigung des Altbestandes. „Diese Kombination von Maßnahmen schaffen wir nur miteinander“, gab Empl zu bedenken. Meilensteine des energiesparenden Bauens stellte Hans Erhorn vom Fraunhofer Institut für Bauphysik in Stuttgart vor. Im Vergleich zu Gebäuden aus den 90er Jahren sparten die heutigen 70 Prozent Energie ein. Er beklagte jedoch die politische Sprunghaftigkeit in der Gesetzgebung. Seine Botschaft und sein Rat an die Kongressteilnehmer: „Bauen braucht Zeit! Halten Sie durch!“
Professor Dr.-Ing. Bert Oschatz vom Institut für Technische Gebäudeausrüstung in Dresden referierte über Studien-Ergebnisse zur DIN-Norm 18599 und deren Validierung. Diese Norm befasst sich mit der Berechnung der verschiedenen Energiebedarfe für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung von Gebäuden und ist für Energieberatende von großer Bedeutung. Darüber hinaus ging er auf den neuen Normenteil 14 der DIN/TS 18599 ein, in dem künftig die Berechnungsregeln bezüglich der GEG-Mindestanforderungen für den Einsatz erneuerbarer Wärme aufgenommen werden.
Einen ungewöhnlichen Blick auf klimaneutrale Häuser und Quartiere warf Prof. Dr.-Ing. Ingo Stadler vom „Cologne Institute for Renewable Energies“. Aus Sicht der Netzinfrastruktur beleuchtete er nämlich insbesondere Kapazitätsfragen vor dem Hintergrund der wachsenden Anzahl von E-Autos und Wärmepumpen. Hier könne intelligentes Management Entlastung bringen, ersetze jedoch nicht die Ertüchtigung von Netzen – insbesondere im Niederspannungsbereich.
Klima und Gebäudenutzung
Der Wandel des Stadtklimas durch kleinräumige Effekte in Quartieren war Thema von Prof. Dr. Lutz Katzschner vom Institut für Klima und Energiekonzepte in Lohfelden. So könne die Wärmedämmung von Gebäuden durchaus Konsequenzen auf das Mikroklima in deren Umgebung haben. Mit der Betrachtung des einzelnen Gebäudes sei es also nicht getan. Katzschner plädierte für möglichst viel Begrünung im Umfeld und für den Erhalt von Freiflächen. Dies sei auch eine dringende Botschaft an die politischen Entscheider, so der Meteorologe.
Über die Vermeidung sommerlicher Überhitzung referierte Dipl.-Ing. Lutz Dorsch vom „Department Green Engineering and Circular Design“ an der FH Salzburg, der auch langjähriges Mitglied im DEN ist. Er warnte davor, die vorhandenen Normen im Baubereich als ausreichend für zukünftige Wetterdynamiken zu halten. Hitzewellen seien in diesen Daten nicht erfasst und überraschten immer wieder. Insbesondere sollten Sanierungen und Neubauten mit Blick auf vulnerable Gruppen und deren Bedürfnisse ausgelegt werden. Nur durch eine über die vorhandenen Vorschriften hinausgehende Entwicklung von sommerlichen Extremszenarien ließen sich angemessen dimensionierte und zukunftsfähige Gebäude realisieren.
Sommerlicher Wärmeschutz stand auch im Mittelpunkt des Vortrags von Prof. Dr. Martin Spitzner von der Hochschule Biberach über die neue Fassung der DIN 4108-2. Diese Vorschrift regelt die Anforderungen an die Wärmedämmung von Gebäuden. Die Herausforderung bestehe darin, heute Gebäude zu schaffen die noch in Jahrzehnten den dann geltenden Erfordernissen entsprächen, sagte Spitzner. Ziel jeglicher Planung müsse es sein, für die Behaglichkeit und für die Gesundheit der Bewohner zu sorgen. Spitzner: „Wir müssen mehr machen, als uns die Normen abverlangen.“
Mit der Trinkwarmwasserbereitung im Effizienzhaus beschäftigte sich Prof. Dr.-Ing. Kati Jagnow von der Hochschule Magdeburg-Stendal. Eine wichtige Aufgabe sei es, warmes Wasser und durch kluge Wärmerückgewinnung auch Energie zu sparen. Eine besondere Herausforderung stelle jedoch die Vermeidung von Legionellen dar, wenn allgemein in Effizienzhäusern niedrigere Temperaturen für die Warmwasserbereitung üblich werden. Solche Aspekte gelte es, bei Sanierungen und Neubauten in Rechnung zu ziehen.
Als „Energiesparkommissar“ ist Dipl.-Bauing. Carsten Herbert bekannt, der „Wärmepumpen in der Energieberatung“ in den Mittelpunkt seines Vortrags stellte. Auch er gehört dem DEN seit vielen Jahren an. Herbert monierte, dass viele Energieberatende auf das Thema Wärmepumpe noch nicht vorbereitet seien und forderte, bei deren Einsatz unbedingt einen gesamtheitlichen Blick auf die Immobilie zu werfen. „Wir dürfen die Menschen, also die Bewohner eines Gebäudes, nicht vergessen, denn sie sind für die Auslegung von Heizsystemen entscheidende Faktoren“, mahnte Herbert. Rein ingenieurtechnische Aspekte führten nicht zu einer umfassenden Beratung. Deshalb seien Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation für Energieberatende ausgesprochen wichtig.
Bauen der Zukunft schon heute
Einen Blick über die deutschen Grenzen warfen Dipl.-Ing. Harald Malzer und seine Frau Emese Malzer-Papp aus Innsbruck, welche die „Neue Heimat Tirol“ vertraten. Dieser österreichische Wohnbauträger hat über 6.000 Passivhäuser in seinem Bestand, die von Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen bewohnt werden. Deren Verhalten im Passivhäusern und deren Verhältnis zur Frage der Energieeffizienz hat das Unternehmen in einem großangelegten Monitoring untersucht. Das Ergebnis: Die Lebenswelt der Menschen bestimmt ihre Wahrnehmung und ihr energetisches Verhalten. Deshalb seien Kommunikation und Information für Erfolge in der Energieeffizienz entscheidende Treiber, so die beiden Referenten.
Welche Potentiale kann man nutzen, um aus einem lediglich energieeffizienten ein klimaneutrales Gebäude zu machen? So lautete die Frage von Dipl.-Ing. Bernd Landgraf vom Steinbeis-Transfer-Institut Bau- und Immobilienwirtschaft in Dresden. Er sah klimatechnisch noch deutliche Verbesserungsmöglichkeiten, wenn der tatsächliche Flächen- und Raumbedarf einer Gebäudenutzung zugrunde gelegt wird. Er plädierte auch für Sanierung vor Neubau. Zudem trat er für deutlich mehr Photovoltaik an Fassaden sowie für Dachbegrünungen ein.
Erste Erfahrungen nach einem Jahr Betrieb der Passivhausklinik in Frankfurt Höchst stellte Dr. Berthold Kaufmann vom Passivhaus Institut in Darmstadt vor. Er schilderte die Geschichte eines hochkomplexen, aber insgesamt erfolgreichen Medizin-Neubaus, der auf vielfältige Weise die Potentiale des Passivhauskonzeptes auch in Krankenhäusern vor Augen führt. Sein Fazit: Sowohl der Betrieb als auch die Rückmeldung der Nutzer der Frankfurter Klinik sind positiv.
Motivierende und inspirierende Tagung
„Solche Vorträge und solche Erfahrungen sind es, welche mit konzentrierten Informationen und im Dialog zwischen Theorie und Praxis das Besondere unserer DEN-GRE Kongresse ausmachen“, resümiert DEN-Vorstand Hermann Dannecker. „Auch dieser Kongress hat wieder viel dazu beigetragen, die in unserem Netzwerk organisierten Energieberaterinnen und Energieberater zu motivieren und gleichzeitig jungen Leuten die attraktiven beruflichen Möglichkeiten innerhalb der Energieberatung aufzuzeigen. Eine rundherum inspirierende Tagung, die wir in zwei Jahren, also 2026, neu auflegen wollen!“ Quelle: DEN / ab