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Deutsche wollen die Energiewende – und sie wollen mitreden

Seit 2018 wird er jährlich herausgegeben, der TechnikRadar, der die Einstellung der Deutschen zu modernen Technologien zum Gegenstand hat. Eine Art „Frühwarnsystem“ soll er sein: Wo haben diese Technologien ein Akzeptanzproblem, wo sind Widerstände zu erwarten? Wie kann man die Mitwirkung der Bevölkerung beim notwendigen Wandel befördern? Das ist entscheidend, wenn es sich um Technik handelt, die für den Klimaschutz, die Energiewende, die Nachhaltigkeit eine zentrale Bedeutung hat. Wie die zur Nutzung erneuerbarer Energien und die digitalen Technologien, die es unter anderem erlauben, erneuerbare und CO2-freie oder CO2-arme Energie in Menge zu erzeugen und sie zeit- und punktgenau dorthin zu bringen, wie sie gerade gebraucht wird – Stichwort: Energiemanagement.   

Sie stehen im Mittelpunkt des diesjährigen Technikradars. Für ihn haben im Herbst 2022 acatech, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, die Körber-Stiftung sowie ZIRIUS, das Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung an der Universität Stuttgart, eine Erhebung durchgeführt. Dafür wurden gut 2.000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte, in Deutschland lebende Personen ab 16 Jahren telefonisch befragt.

Klimaschutz hat nach wie vor hohe Priorität

Ein beruhigendes Fazit zog die wissenschaftliche Projektleiterin, Professorin Cordula Kropp vom Zirius, auf Nachfrage der GEB-Redaktion bei der Präsentation der Ergebnisse am 19. Juni: „Die Bevölkerung rechnet den Maßnahmen zum Klimaschutz große Wichtigkeit zu und sieht eher Chancen als Risiken.“ Das sei umso erstaunlicher, als die Befragung ja in einer Zeit großer Verunsicherung stattgefunden habe. Dennoch sahen immer noch recht viele den Klimaschutz als eine der drängendsten Zukunftsaufgaben an. Zwar landete er insgesamt, bezogen auf alle Altersgruppen, auf Rang vier, hinter der Sicherung von Arbeitsplätzen, der „Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit“ und der „Gewährleistung des Datenschutzes im Internet“, die Abstände in der Wertung waren jedoch minimal. Unter den 16- bis 34-Jährigen kam er auf Platz zwei.       

Der Klimaschutz zählt für die Befragten nach wie vor zu den drängendsten Aufgaben der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik.

acatech / Körber-Stiftung

Der Klimaschutz zählt für die Befragten nach wie vor zu den drängendsten Aufgaben der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik.

Trotz dieses an sich erfreulichen Umstandes gibt es aber offenbar für Energieberater:innen noch viel zu tun, muss im Hinblick auf Information und Aufklärung noch einiges getan werden. Rund ein Drittel aller Befragten sieht zwar hohe Einsparpotenziale in Verhaltensänderungen beim Heizen und beim Warmwasserverbrauch, in der Gruppe der über 65-Jährigen jedoch schätzt jeder Zweite dieses Potenzial gering ein, auf zehn Prozent oder darunter.  

46 Prozent der Befragten wollen PV installieren

Geht es um den Gerätetausch, erkennen 40 Prozent der Befragten bei Heizung und Warmwasserverbrauch weniger Einsparmöglichkeiten als beim Stromverbrauch, erwarten von der Anschaffung von zum Beispiel LEDs eine höhere Energieeinsparung als von neuer Heiztechnik. Wer aber andererseits als Hauseigentümer:in entschlossen ist, seine, ihre Anlagentechnik zu modernisieren, der setzt häufig auf Solarenergie: 46 Prozent wollten demnächst eine Photovoltaikanlage installieren, 32 Prozent eine Solarthermieanlage. Sogar von denjenigen, die die globale Erwärmung als Bedrohung nicht ernst nehmen, planen trotzdem zwei Drittel eine entsprechende Maßnahme.

Gefragt wurde ebenso nach der Summe, die man investieren würde, könnte man mit Amortisation nach zehn Jahren rechnen. Hier ist der Durchschnitt von 5.200 Euro wenig aussagekräftig, denn die Unterschiede sind erheblich, die Angaben variieren zwischen 100 und 10.000 Euro, selbst in der Gruppe mit einem Haushaltseinkommen von über 5.000 Euro.

Eindeutig vom Einkommen hängt jedoch die Bereitschaft von Mieter:innen ab, sich über Mieterhöhungen an Mehrkosten für die energetische Modernisierung zu beteiligen, und zwar über die zu erzielenden Einsparungen hinaus. Ein Beitrag in Höhe der Einsparungen wäre für die Hälfte der Befragten akzeptabel.

Dem Austausch elektrischer Geräte wird ein höheres Einsparpotenzial zugetraut als der Installation neuer Anlagentechnik zur Heizung und Warmwasserbereitung.

acatech / Körber-Stiftung

Dem Austausch elektrischer Geräte wird ein höheres Einsparpotenzial zugetraut als der Installation neuer Anlagentechnik zur Heizung und Warmwasserbereitung.

Digitalisierung gewinnt an Akzeptanz  

Die Energiewende wird mit einer intensivierten Digitalisierung einhergehen, darin sind sich die Expert:innen einigermaßen einig. In den vier Wänden geht es in dieser Hinsicht voran, 21 Prozent der Teilnehmenden der Umfrage nutzen Smarthome-Geräte. 2018, zu Zeiten des ersten TechnikRadars, waren es acht Prozent. Diejenigen, die über smarte Helferlein verfügen oder welche installieren wollen, erhoffen sich von ihnen vor allem ein selbstbestimmtes Leben im Alter und einen verbesserten Einbruchschutz.  

Professor Ortwin Renn, Acatech und TechnikRadar-Co-Projektleiter
„Wir sehen ein zunehmendes Vertrauen in digitale Dienste und eine hohe Bereitschaft zum Teilen von Daten.“

acatech

Trotz eines gewissen Grundmisstrauens gegenüber der Digitalisierung und des Wunsches nach wirksamem Datenschutz wären jedoch mehr als die Hälfte der Teilnehmer:innen bereit, im Rahmen einer Smart City ihre Daten zu Energieverbrauch und Gebäude herauszugeben, in anonymisierter Form, für die digitale Stadtplanung. Was die Nutzung der Daten für eigene Zwecke betrifft, über die City-Dashboards, so sind die Jungen (16 – 34 Jahre) mit 61 Prozent erheblich stärker daran interessiert als die über 65-Jährigen (34 Prozent).

Dabei ist es nicht das um der Nachhaltigkeit willen sicher vorzuziehende Leben in der Stadt, ohne überdurchschnittlichen Flächenverbrauch, das die Menschen anstreben (nimmt man die Älteren aus, für die kurze Wege und öffentliche Plätze eine Rolle spielen). Nach wie vor ist es das Haus im Grünen, das sich die Mehrheit wünscht.    

Mitsprache wird eingefordert

Ein Punkt, der ebenfalls angesprochen wurde, war der der Bürgerbeteiligung. Die wurde durchaus hochgeschätzt. Auch zur Aussage „Über die Zukunft umstrittener Techniken sollten Bürgerinnen und Bürger stärker mitentscheiden dürfen“ konnte man sich über das ganze Spektrum hin äußern, vom negativen „stimme gar nicht zu“ bis zum positiven „stimme eher zu“ oder gar „stimme sehr stark zu“. „Eher“ und „Sehr stark“ brachten es zusammen auf immerhin 66,8 Prozent. Insbesondere ältere Menschen und solche mit geringem Einkommen pochten auf Beteiligung.      

Partizipation bei der Einführung neuer Technologien ist eines der Hauptanliegen der Teilnehmenden, besonders der unteren Einkommensgruppen.

acatech / Körber-Stiftung

Partizipation bei der Einführung neuer Technologien ist eines der Hauptanliegen der Teilnehmenden, besonders der unteren Einkommensgruppen.

Vor dem Hintergrund der emotionalen und teils irrationalen Debatte der vergangenen Wochen rund um Heizungstausch und 65-Prozent-Regel ergäbe sich hier ein klarer Hinweis darauf, wie man in Zukunft kommunizieren müsste, soll die Einführung neuer, wichtiger Technologien nicht scheitern oder sich verzögern. Vom GEB nach seinen Folgerungen gefragt, antwortete jedenfalls Professor Ortwin Renn, TechnikRadar-Co-Projektleiter und acatech-Präsidiumsmitglied: „Die Partizipationsbereitschaft ist hoch, vor allem bei den weniger Gebildeten und den Menschen mit geringem Einkommen. Das sind auch diejenigen, an die wir mit den bisherigen Möglichkeiten der Partizipation nicht herankommen. Da müssen wir an die Barrieren herangehen, damit wir diese Gruppe auch erreichen.“ ab