110 Tage nach der Bundestagswahl lag am 12. Januar 2018 immerhin ein Sondierungsergebnis vor, dem sich möglicherweise Koalitionsverhandlungen von Union und SPD anschließen. Das Papier Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD umfasst 15 Hauptthemen auf 28 Seiten. „Klimaschutz, Energie, Umwelt“ kommt auf gut eine Seite, „Wohnungsbau, Mieten, Kommunen und ländlicher Raum“ ist nur unwesentlich länger. Die erste Bewertung der GEB-Redaktion können Sie hier nachlesen. Auch einige Verbände haben sich sehr schnell zu den beiden genannten Hauptthemen geäußert. Lob und Tadel sowie Forderungen für die Koalitionsverhandlungen aus den Mitteilungen haben wir nachfolgend zusammengefasst.
- Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff): Das Ergebnispapier enthält noch keine ausreichenden Maßnahmen zum Erreichen der Klima- und Energiewendeziele. Der Verband hofft, dass in den Koalitionsverhandlungen konkretere Vereinbarungen getroffen werden. Er verweist auf einen langjährigen, parteiübergreifenden Konsens zur zentralen Rolle der Energieeffizienz für das Gelingen der Energiewende. Die SPD habe in ihrem Wahlprogramm sogar in Aussicht gestellt, „Deutschland zur energieeffizientesten Volkswirtschaft der Welt“ machen zu wollen. Das Wort Energieeffizienz tauche in dem 28-seitigen Papier jedoch nicht auf.
Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deneff: „Vor der Bundestagswahl und in den Jahren zuvor haben sich alle Parteien dazu bekannt, dass die Steigerung der Energieeffizienz zum Erreichen der Klima- und Energiewendeziele unverzichtbar ist. In den Koalitionsverhandlungen muss darum unbedingt eine sektorübergreifende Energieeffizienzstrategie vereinbart werden. Maßnahmen wie eine angemessene Steuerförderung für energetische Gebäudesanierungen, zukunftsfähige Gebäudestandards und auch Anreize für Energieeffizienz im Industriesektor müssen jetzt kommen.“
Die Deneff begrüßt, dass die Steuerförderung für Eigenheimsanierer zwar benannt wird, die vorgesehenen Mittel seien jedoch unzureichend. Die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) für neue Gebäude müssten auch mit Blick auf die EU-Vorgaben in Richtung Nahe-Null-Energie weiterentwickelt werden. Die öffentliche Hand müsse bei Neubau und Sanierung eine Vorbildrolle einnehmen. Wünschenswert sind aus Sicht der Initiative zudem eine beschleunigte AfA für Energieeffizienzinvestitionen von Unternehmen, die Nutzung der Digitalisierung zur Steigerung der Energieeffizienz sowie eine Qualifizierungsoffensive und die Sicherung des Fachkräftebedarfs.
- Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar): „Wir begrüßen die angestrebte Beschleunigung des EE-Ausbaus. Was leider noch aussteht, ist ein klares Aufbruchssignal und Bekenntnis zur Neuen Energiewelt mit ihren enormen Chancen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Mit Homöopathie ist dem Klimaproblem nicht beizukommen. Die Energiewende darf nicht länger halbherziges Stückwerk bleiben. Eine Verständigung auf wesentliche wirksame Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaziele in allen Sektoren muss im Rahmen von Koalitionsverhandlungen dringend nachgeholt werden. Die geplanten ‚Kommissionen‘ werden dies allein nicht leisten können“, so Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar.
Die Solarwirtschaft fordert von der nächsten Bundesregierung eine Vervielfachung der Solarenergie-Nutzung im Wärme-, Strom- und Mobilitätssektor. Von zentraler Bedeutung für den Erfolg der Energiewende sei die Herstellung fairer Marktbedingungen durch Einführung einer wirksamen CO2-Bepreisung sowie die Beseitigung bestehender Marktbarrieren und Ausbaudeckel für die Solar- und Speichertechnik.
Die im Rahmen der Sondierungsgespräche beschlossenen Sonderausschreibungen verfolgen das Ziel, in den Jahren 2019 und 2020 jeweils 2 GW Solar- und Windparks zusätzlich zu errichten. Körnig: „Das ist ein Anfang, der für die Folgejahre dringend verstetigt und ausgebaut werden muss.“ BSW-Solar fordert, gleichzeitig den jährlichen Photovoltaik-Ausbaukorridor von 2,5 GW deutlich anzuheben und den 52-GW PV-Gesamtdeckel zu streichen. Andernfalls werde die Sonderausschreibung ins Leere laufen und zu einem ungewollten Einbruch der PV-Investitionen bei Gebäuden führen.
- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): „Die von CDU, CSU und SPD erzielten Ergebnisse in den Bereichen Energie- und Klimaschutz sind eine solide Grundlage für die Koalitionsgespräche. Es ist positiv, dass sich die Verhandler klar zu den Klimazielen 2030 bekennen und mit den relevanten Akteuren kurzfristig ein Aktionsprogramm mit konkreten Maßnahmen für die Zielerreichung entwickeln wollen. Hier dürfen sie keine Zeit verlieren und sollten einen strikten Zeitplan aufstellen. Die Energiewirtschaft braucht hier endlich Klarheit und Investitionssicherheit“, mahnt Stefan Kapferer, Vorsitzender der BDEW-Hauptgeschäftsführung. Zudem müsse die Bundesregierung die Weichen dafür stellen, dass sich die Investitionsbedingungen für den Bau von CO2-armen Kraftwerkskapazitäten, Speichern und sonstigen Flexibilitäten verbessern. Andernfalls werde die weitere Reduktion der Kohleverstromung nicht unter Wahrung der Versorgungssicherheit möglich sein.
Kapferer: „Die Anhebung des Ausbauziels für Erneuerbare Energien ist im Grundsatz positiv. Wichtig ist jedoch, dass der Ausbau kosteneffizient erfolgt und mit dem Netzausbau synchronisiert wird. Es ist bedauerlich, dass die zentralen Themen Netzausbau und -modernisierung, die Förderung von Speichertechnologien und der Sektorkopplung sowie der Kraft-Wärme-Kopplung bisher nur am Rande erwähnt werden. Hier müssen die Verhandler dringend nachlegen. Sträflich vernachlässigt werden zudem die Wärme- und Verkehrswende. Dabei sind genau das die Bereiche, in denen schnell und relativ kosteneffizient massive CO2-Einsparungen erzielt werden könnten. Ein schwerer Fehler ist zudem, dass die Verhandler die Vorschläge zur Reform der Finanzierung der Energiewende wieder über Bord geworfen haben. Vor allem die Senkung der Stromsteuer wäre ein wichtiger Ansatz zur Entlastung der Stromkunden gewesen.“
- Stiftung 2° - Deutsche Unternehmer für Klimaschutz: „Die angekündigte Beerdigung des 2020-Ziels ist und bleibt ein fatales Signal. Die Vereinbarungen der Sondierer zum Klimaschutz sind absolut unbefriedigend. Die Zaghaftigkeit und Mutlosigkeit von Union und SPD zeigt, dass die Wirtschaft nicht auf die Politik warten darf, wenn es darum geht, beim Klimaschutz voranzukommen und so die Innovationskraft zu stärken, die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit und die Modernisierung der deutschen Wirtschaft sicherzustellen“, sagt Sabine Nallinger, Vorständin der Stiftung 2°, zu den Sondierungsergebnissen. „Aufgabe von Union und SPD ist es jetzt, bei den Koalitionsverhandlungen nachzuarbeiten: Deutschland muss so nah wie möglich an das 2020-Klimaziel – 40% Emissionsreduktion im Vergleich zu 1990 – herankommen. In den Koalitionsvertrag gehören außerdem konkrete Fahrpläne und Vereinbarungen für alle Sektoren, wie das 2030-Klimaziel erreicht werden kann. Für 2050 darf sich Deutschland auf keinen Fall mit einer Emissionsreduktion von nur 80 % zufriedengeben, sondern es gilt, die Ambition weiter hoch zu halten und größte Anstrengungen zu unternehmen, um das 95-%-Ziel zu erreichen.“
Außerdem fordert Nallinger durch den Koalitionsvertrag neuen Schub für die Wärme- und Verkehrswende: Durch ein wirksames Anreizsystem und steuerliche Vorteile für eine beschleunigte Gebäudesanierung sowie eine verkehrsmittelübergreifende und klimafreundliche Mobilitätsstrategie, die auch die Basis dafür bildet, dass Unternehmen ihre Fuhrparks auf klimafreundliche Antriebe umstellen können.
- Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE): „Nun ist es sehr wichtig, dass zügig umfassende Maßnahmen getroffen werden, um möglichst schnell hohe Treibhausgaseinsparungen zu erzielen. Nur so lässt sich das Klimaschutzziel 2020 noch erreichen“, sagt Dr. Peter Röttgen, Geschäftsführer des BEE. Zu den Maßnahmen gehöre ein deutlich höherer Ausbau für Erneuerbare Energie im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor sowie auch ein schneller Kohleausstieg. Die Branche der Erneuerbaren Energien habe bereits bewiesen, dass es möglich ist, die Energieversorgung schnell umzustellen, wenn die Politik die richtigen Weichen stellt. Außerdem mahnt der BEE für die Koalitionsverhandlungen an, über eine spürbare, aufkommensneutrale CO2-Bepreisung marktwirtschaftliche Signale für eine Einsparung von CO2-Emissionen zu setzen.
- Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien (Eurosolar): „Statt sich auf eine zukunftsfähige Energiepolitik zu verständigen, wurden lediglich vage Maßnahmen angekündigt. Ein verbindliches Zieldatum für den Kohleausstieg wird erneut auf eine neu zu gründende Kommission abgewälzt. Notwendige Verständigungen auf gesetzliche Maßnahmen wie die Abschaffung der Deckelung im EEG, eine Ersetzung der gescheiterten Bürgerenergie-Ausschreibungen durch eine volle De-Minimis-Regelung für kleine Windparks ohne Ausschreibungen und die Abschaffung der künstlichen Verteuerung von Solarstrom durch die sogenannte Sonnensteuer fehlen in der Einigung.
Die Ankündigung einer Beschleunigung der Energiewende im Strombereich durch zusätzliche Sonder-Ausschreibungsrunden in den Jahre 2019 und 2020 ist eine scheinheilige Maßnahme mit Einmaleffekt, die zudem unter Vorbehalt der Aufnahmefähigkeit der Stromnetze gestellt wird. Gerade mit Blick auf die Bereiche Wärme, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie zeigt sich, dass die Sondierungsgruppen die Energiefrage nicht im Zusammenhang einer grundlegenden Modernisierung unserer Wirtschaft denken und damit den gesellschaftlichen Herausforderungen nicht gerecht werden können. Wir erwarten, dass die Bundesregierung eigene Studien ernst nimmt: Eine beschleunigte dezentrale Energiewende schafft mehr Arbeit und Wohlstand als eine verschleppte oder gar keine. Die Energiewende ist Jobmotor. Deshalb erwartet Eurosolar von einer künftigen Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu 100 % Erneuerbaren Energien, eine umgehende Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren mithilfe des EEG und als Sofortmaßnahme eine grundlegende Reparatur des EEG 2017.“
- Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) bewertet die Ergebnisse Sondierungsgespräche aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes als mangelhaft. Als geradezu schockierend bewertet die DUH, dass das von den beiden Vorgängerregierungen gesetzte Klimaziel einer 40%igen Treibhausgasreduktion bis 2020 faktisch aufgegeben wird. Die DUH fordert ein Klimaschutz-Sofortprogramm mit konkreten Maßnahmen, das den Einstieg in den Kohleausstieg, den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und verstärkte Anstrengungen zur Energieeinsparung bei Gebäuden vorsieht. Zudem soll sich die GroKo auf ambitionierte und verbindliche CO2-Reduktionsziele für alle Sektoren einigen. Positiv bewertet die DUH darum die Ankündigung eines Klimaschutzgesetzes und die vorgesehene Sonderausschreibung zum Ausbau der erneuerbaren Energien.
- dena-Chef Andreas Kuhlmann hat in einem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau das Ergebnis im Bereich Klimaschutz als „besser, als viele gedacht haben“ bewertet. Er schlägt auf dessen Basis ein „Sofortprogramm“ für den Klimaschutz vor, um das deutsche CO2-Ziel für 2030 erreichen zu können.
In der Tagespresse spielen die Sondierungsergebnisse zu den Themen „Klimaschutz, Energie, Umwelt“ und „Wohnungsbau, Mieten, Kommunen und ländlicher Raum“ nur eine untergeordnete Rolle. In einem auf tagesschau.de veröffentlichten Beitrag Das steht im Abschlusspapier wurden beide Themen komplett ausgespart.