Eine neue Hintergrundinformation analysiert Treiber und Hemmnisse für die weitere Verbreitung von Umweltproduktdeklarationen im Bausektor.
Bei der Erstellung von Ökobilanzen auf Gebäudeebene spielen Umweltproduktdeklarationen (EPD) eine zentrale Rolle. Um besser zu verstehen, welche Chancen und Herausforderungen sich dabei für Bauproduktehersteller ergeben, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) gemeinsam mit dem BPIE (Buildings Performance Institute Europe) die Hintergrundinformation veröffentlicht.
Lebenszyklus von Gebäuden ins Blickfeld gerückt
Die Bedeutung des Gebäudesektors für das Erreichen der Klimaziele des Pariser Abkommens ist im Bewusstsein von Politik, Marktakteuren und Öffentlichkeit weitestgehend angekommen. War man in der Vergangenheit vor allem darauf bedacht, die Energieeffizienz im Betrieb von Gebäuden zu erhöhen, rückt nun zunehmend die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus in den Fokus. Dabei tragen die eingesetzten Bauprodukte, ihre Herstellung und die damit verbundenen CO2-Emissionen wesentlich zur Klimawirkung eines Gebäudes bei.
Um fundierte Aussagen über den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes treffen zu können, spielen die Ökobilanzdaten von Bauprodukten eine wichtige Rolle. Zu diesem Zweck werden in standardisierten und extern geprüften Umweltproduktdeklarationen (kurz EPD für Environmental Product Declaration) die wesentlichen Informationen zur Umweltauswirkung von Baustoffen und Bauprodukten transparent und gemäß einheitlichen, branchenweit gültigen Regeln dargestellt.
„Die Lebenszyklusperspektive hat auch in die europäische Regulatorik Einzug gehalten und sorgt dafür, dass EPDs zunehmend verpflichtend werden“, erklärt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Demgegenüber stehen eine schlechte Informationslage und die Sorge vor hohen bürokratischen Aufwänden auf Seiten der betroffenen Unternehmen. Mit dieser Veröffentlichung wollen wir die Grundlage schaffen, dass faktenbasiert über das Thema diskutiert wird.“
Die Bestandsaufnahme basiert auf einer umfassenden Auswertung der Ökobaudat-Datenbank, der Analyse von relevanten Regelwerken und Regularien, einer Befragung von Bauprodukteherstellern sowie Interviews mit führenden EPD-Programmhaltern und Ökobilanz-Dienstleistern. Daraus abgeleitet haben die DGNB und BPIE eine Reihe konkreter Handlungsempfehlungen – sowohl für die Politik als auch für die relevanten Marktakteure.
Nachfrage und Expertise nehmen zu – wo liegt also der Hemmschuh?
Die Ergebnisse machen deutlich, dass sowohl die Nachfrage nach Produkt-Ökobilanzen für Bauprodukte als auch deren Anzahl stark gestiegen sind. Gleiches gilt für die vorhandene Expertise zur Thematik, sodass mehr Anbietende für die Erstellung von Ökobilanzen zur Verfügung stehen. Auch die Bauproduktehersteller selbst bauen immer mehr Kompetenz bei sich im Unternehmen auf. Zudem liegen Ökobilanzdaten mittlerweile für eine breite Palette an relevanten Produktkategorien vor und werden stetig erweitert.
Herausforderungen liegen vor allem im Aufwand für die Datenbeschaffung im Unternehmen und den damit verbundenen Kosten sowie der Verfügbarkeit von Verifizierern, also EPD-prüfenden Personen. Um Prozesse zu beschleunigen und Kosten zu senken, setzen sowohl einzelne Unternehmen als auch Verbände daher zunehmend auf automatisierte oder teilautomatisierte Werkzeuge, teilweise integriert in Unternehmenssoftware (EPD-Tools). Die Ökobilanz-Ergebnisse werden von Herstellern häufig in der Umweltkommunikation genutzt und stoßen in vielen Fällen interne Produktverbesserungsprozesse an.
Deutlich wird auch, dass die Erstellung von Produktökobilanzen und EPDs heute überwiegend durch Kundennachfrage aufgrund von Gebäudezertifizierungen sowie unternehmenseigenen Klimazielen und Unternehmensstrategien motiviert ist. Durch kommende Regulatorik wie die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) und die Bauprodukteverordnung wird das Thema dabei zunehmend von einem freiwilligen zu einem verpflichtenden Thema für die Unternehmen.
„Insgesamt zeigt die Bestandsaufnahme, dass viele Marktakteure und qualitätssichernde Institutionen durch freiwillige Initiativen bereits gut vorbereitet sind und den Nutzen von EPDs erkennen. Flankierende politische Rahmenbedingungen wie in anderen Ländern sind jedoch auch hierzulande empfehlenswert“, fasst Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB, die Ergebnisse zusammen.
Oliver Rapf, Executive Director von BPIE, ergänzt: „Eine frühzeitige Umsetzung der über die EPBD-Umsetzung ohnehin kommenden Offenlegung der Gebäude-Ökobilanz sollte sich auf jeden Fall im Koalitionsvertrag wiederfinden - dies verhilft dem Markt zum Aufbau der Ökobilanz-Expertise und führt zu Innovationen in der Bauwirtschaft.“ ■
Quelle: DGNB / ml