Die zweiteilige Studie Energetische Gebäudesanierung in Deutschland vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) [Teil 1: Entwicklung und energetische Bewertung alternativer Sanierungsfahrpläne] und dem Forschungscenter Betriebliche Immobilienwirtschaft an der Technischen Universität Darmstadt (FBI) [Teil 2 Prognose der Kosten alternativer Sanierungsfahrpläne und Analyse der finanziellen Belastungen für Eigentümer und Mieter bis 2050] im Auftrag des Instituts für Wärme und Oeltechnik (IWO) warnt vor sozialem Sprengstoff, weil die energetische Sanierung von Gebäuden das Wohnen teils erheblich verteuere, wovon Haushalte mit unterdurchschnittlichem Einkommen überproportional betroffen wären und die nötigen finanziellen Mittel für die Haussanierung nicht aufbringen könnten.
Ein wesentlicher Aspekt der Studie ist allerdings, den Kostenunterschied eines technologieoffenen und eines technologiegebundenen Ansatzes für den Sanierungsfahrplan aufzuzeigen, denn gegenwärtig stehen für die Umsetzung energetischer Ziele im Gebäudesektor primär zwei unterschiedliche Regulierungsansätze zur Verfügung: Beim technologieoffenen Regulierungsansatz, sind die Immobilieneigentümer in der Art der Energieeinsparmaßnahmen frei, solange die Energieeinsparziele final erreicht werden. Beim technologiegebundenen Regulierungsansatz schreibt der Gesetzgeber den Eigentümern die Energieeinsparmaßnahmen nach Art und spätestens möglichem Zeitpunkt etappenweise vor.
dena widerspricht Ergebnissen der TU Darmstadt
Nach der Vorstellung der Studie hat die Deutsche Energie-Agentur (dena) den Ergebnissen der TU Darmstadt, dass die Gebäudesanierung „sozialer Sprengstoff“ und für weite Teile der Bevölkerung unbezahlbar ist – vehement widersprochen. Energetische Gebäudesanierungen sind nach Aussage der dena das einzige Mittel gegen hohe Kostenbelastungen durch steigende Energiepreise. dena-Studien an realen Gebäuden würden zudem zeigen, dass die Sanierung vielfach warmmietenneutral durchgeführt werden könne, betont Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung. „Die TU Darmstadt stellt die Kosten der energetischen Sanierung unrealistisch hoch dar. Sie spricht nur über die unter ungünstigsten Bedingungen berechneten Maximalkosten. Dabei verschweigt sie erstens, welche Kosten in den nächsten 40 Jahren für Instandhaltung und Modernisierung ohnehin anfallen werden sowie zweitens, welche gravierenden Kostensteigerungen gerade auf Mieter selbst bei moderaten Energiepreissteigerungen zukommen werden, wenn nicht oder nur wenig saniert wird.“ [Anmerkung der Redaktion: In der Langfassung der Studie wird der Einbezug der Kosten für Instandhaltung und Modernisierung mit dem Hinweis auf ein Kopplungsgebot und die entscheidungsgerechte Abbildung der aus der Sanierung resultierenden Kosten für die Akteure erläutert.]
„Unrealistische Kosten und Mietsteigerungen“
Die dena kritisiert, dass die Kosten der Sanierung in der Studie durchweg sehr hoch angesetzt sind. Beispielsweise kämen Berechnungen der dena für eine energetische Top-Sanierung eines Einfamilienhauses auf rund 73.000 Euro – in der Studie werden 140.000 Euro angesetzt. Zudem zitiere die TU Darmstadt Daten aus einer dena-Sanierungsstudie unzulässig. Es werden extrem hohe Investitionszahlen aus der dena-Studie verwendet, ohne zu berücksichtigen, dass diese auch Kostenanteile für Anbauten oder Dachgeschossausbauten enthalten. Die Studie verschweige ferner, dass ohne energetische Sanierung die Warmmieten aufgrund der Energiekostensteigerung mindestens in gleichem Maße steigen würden, möglicherweise sogar noch stärker. Auch basierten die Berechnungen darauf, dass das gesetzlich zulässige Maximum von 11 %/a der Sanierungskosten flächendeckend auf die Miete umgelegt wird – obwohl in der Studie selbst stehe, dass eine so hohe Umlage in weiten Teilen Deutschlands unrealistisch ist. Auch die staatliche Förderung für energetisches Sanieren, die die Umlage auf die Mieter reduziert, bleibe vollkommen unberücksichtigt.
„Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung nicht aussagekräftig“
Die Studie beziffert die Obergrenze der Kosten für die Gebäudesanierung mit 2,1 Bio. Euro über die nächsten 40 Jahre. Darin enthalten sind allerdings auch alle Kosten für Instandhaltung und Modernisierung, also auch neue Bäder, Balkone und Treppenhäuser, kritisiert die dena. Diese Investitionen hätten mit der energetischen Sanierung aber nichts zu tun. Zudem fehle der nackten Zahl – 2,1 Bio. Euro – ohne Vergleichsmöglichkeit mit anderen Szenarien jegliche Aussagekraft. Allerdings enthält die Langfassung der Studie ein Basisszenario, das von einem Beibehalten des jetzigen, sehr mäßigen Sanierungstempos ausgeht und die Kosten selbst dafür bereits auf 1,1 Bio. schätzt. Wobei unberücksichtigt bleibe, dass dieses Basisszenario zu höheren Energiekosten als eine engagierte Sanierungsstrategie führt. Vor diesem Hintergrund verwundere es nicht, dass die Autoren der Studie die Finanzierbarkeit der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung für den Gebäudebereich in Zweifel ziehen.
Kohler: Die Ziele bis 2050 sind richtig gesetzt
Kohler: „Die in der Studie dargestellten Kosten halten wir sämtlich für stark überzogen. Wir glauben, dass die Ziele der Bundesregierung für den Gebäudebereich richtig gesetzt sind. Bis zum Jahr 2050 soll und kann durch sinnvolle energetische Sanierungen, die zum richtigen Zeitpunkt und mit Augenmaß ausgeführt werden, ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand erreicht werden. Zudem gilt: Wenn gar nicht saniert wird, ist das für den Mieter die teuerste Variante, da seine Warmmiete durch die steigenden Energiepreise erheblich stärker steigen wird, als wenn sein Haus saniert wird.“
Anmerkungen der Redaktion
Die Langfassung der Studie Energetische Gebäudesanierung in Deutschland umfasst 396 Seiten. Sie beinhaltet Management Summarys zur Studie und zu den jeweiligen Studienteilen. Lesenswert ist auch „9. Fazit und Ausblick“ aus dem IBP-Teil (im PDF-Dokument Seite 124 im Teil 1 Seite 109). Zitat: „Es kann festgestellt werden, dass die vielfach diskutierte und teilweise in Frage gestellte, anspruchsvolle Zielsetzung einer Primärenergieeinsparung der Wärmeerzeugung im Wohngebäudebestand von 80 % bis 2050 (gegenüber 2008) möglich ist.“ In Teil 2 wurde die Energiepreissteigerungsrate von den Autoren (wie in der Studie „Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung“) mit 1,43 %/a (oberhalb der Inflationsrate, also reale Preissteigerungsrate) bis 2050 angenommen (wobei für die Studie die Inflation auf 0,0 %/a gesetzt wurde, um die zeitlich versetzten Maßnahmen der beiden Sanierungsfahrpläne frei von Inflationseinflüssen vergleichen zu können). Für Wirtschaftlichkeitsberechnungen an einzelnen Objekten werden oft deutlich höhere Steigerungsraten benutzt. GLR
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