Ja, kleine Dinge können Großes bewegen – wenn alle mitmachen wollen oder unwissend einfach mittun. So wie in der Metrostation Miromesnil im Herzen von Paris. An zwei Tagen im vergangenen Jahr haben dort die Passagiere einen Teil des Stroms, mit dem die U-Bahn fährt, selbst erzeugt. Einfach indem sie gelaufen sind – und zwar durch die Drehkreuze am Stationseingang. Einige dürften sich über deren ungewohnte Form gewundert haben. Was in ihnen steckte, blieb aber allen verborgen.
Der spanische Windanlagenhersteller Iberdrola hatte mit Student:innen der französischen Ingenieurschule Junia Hei sechs Prototypen neuartiger Drehkreuzturbinen gebaut. Sie erhielten die Form von Windradflügeln und erzeugten mit jedem durchgehenden Passagier 0,2 Watt Energie. Was sich wenig anhört, macht bei einigen Millionen Pendlern, die jeden Tag die Drehkreuze der Metrostationen passieren müssen, eine Menge.
So nutzen täglich 4,5 Millionen Menschen die Pariser Metro. Das macht 900.000 Watt Leistung oder 900 Kilowatt, also fast ein Megawatt, und reicht aus, um eine ganze U-Bahn-Linie mit Strom zu versorgen und die Kohlendioxidemissionen um mehr als 30.000 Tonnen pro Jahr zu senken. Bei 1,7 Milliarden Drehkreuzbewegungen im Jahr würde also einiges zusammenkommen.
Leider handelte es sich bei dem Projekt zunächst um eine Marketingaktion des Unternehmens aus Spanien, das mit der pfiffigen Idee vor allem seinen Bekanntheitsgrad in Frankreich steigern wollte, wohin es 2019 expandiert hat. Mit Erfolg: Nicht, dass die französischen Medien angesichts der simplen Energieerzeugung vor Ort fast durchgedreht wären, aber einige Zeilen war ihnen das Vorhaben schon wert.
Bleibt zu hoffen, dass es nicht bei einem Werbegag bleibt und die unerschöpfliche Bewegungsenergie der Metropassagiere nicht weiterhin ungenutzt in den U-Bahn-Schächten entschwindet. Schließlich könnte man ein Geschäftsmodell daraus machen. Die Pendler könnten für ihren Anteil an der Stromerzeugung ein verbilligtes Ticket bekommen, eine Art Einspeisevergütung fürs U-Bahn-Fahren. Wer die Metro häufiger nutzt, dadurch mehr Drehkreuzstrom erzeugt, sodass die Metro längere Strecken fahren kann, der muss weniger fürs Einsteigen zahlen.
Ein staatlich garantierter Tarif für Solarstrom hat in Deutschland der Photovoltaik immerhin auf die Sprünge beziehungsweise in die Spur geholfen. Und so wie heute Nachbar:innen stolz ihre Photovoltaikanlagen vorführen, könnten die Metronutzerin oder der Metronutzer selbstbewusst auf ihr oder sein Zutun zur Energiewende hinweisen. Iberdrola, bitte bleib dran! Lass die vielen kleinen Dinge Großes bewegen. jb