Nachhaltige Gebäude stiften langfristig einen hohen soziokulturellen Nutzen und reduzieren bzw. vermeiden ökologische und ökonomische Kosten über die gesamte Lebensdauer. Da jedoch bei den meisten energetischen Sanierungen die Investitionen stärker als die Verbrauchskosten gewichtet werden, fällt die Wahl oft auf Produkte mit möglichst geringen Investitionskosten. Eine ganzheitliche, an den Lebenszykluskosten orientierte Betrachtung könnte dazu beitragen, dass häufiger energieeffiziente, nachhaltige und damit umweltschonende Sanierungslösungen umgesetzt werden.
Die Bestimmung der Lebenszykluskosten ist in der VDI 4703 festgelegt. Zu den Produktmerkmalen, die dafür relevant sind, zählen z. B. die Stromleistungsaufnahme oder die Anschaffungskosten einer RLT-Anlage. Für diese Merkmale werden sogenannte Berechnungsfaktoren ermittelt, die sich wiederum aus dem Finanz-, Nutzungs- und Preisfaktor zusammensetzen. Der Finanzfaktor beinhaltet die Nutzungsdauer in Jahren, die erwartete Preissteigerungsrate sowie den Kalkulationszinssatz. Der Nutzungsfaktor gibt an, wie viel das betreffende Gerät tatsächlich genutzt wird, also beispielsweise die jährlichen Betriebsstunden eines Ventilators. Der Preisfaktor entspricht den Kosten pro verwendeter Einheit, etwa für eine Kilowattstunde Strom oder pro Kubikmeter durch den Ventilator verlorener Raum im Gebäude. Die Lebenszykluskosten der einzelnen Produktmerkmale werden für die Berechnung der Gesamtkosten aufaddiert. Um sie zu optimieren, wird die Berechnung für mehrere Anlagenvarianten durchgeführt und das Ergebnis für den Betrachtungszeitraum verglichen.
Zu diesem Zweck bietet Hottgenroth ein Modul zur Lebenszykluskosten-Analyse (LCAA) sowohl für Lüftungsgeräte als auch für die energetische Simulation von Gebäuden an. In der Software Lüftungs-Check kann dafür eine raumlufttechnische Anlage (RLT-Anlage) nach § 12 EnEV bzw. DIN SPEC 15240 eingegeben werden. Anschließend müssen einige der oben erwähnten relevanten Daten wie die erwartete Nutzungsdauer, der Betrachtungszeitraum, Energiekosten, erwartete Preissteigerungsfaktoren sowie Konstruktionsdaten eingegeben werden (Abb. 1). Anschließend werden unterschiedliche Sanierungsmethoden für die Anlage durchgerechnet und die resultierenden Kosten über die Lebenszeit graphisch angezeigt. So lassen sich die Lebenszykluskosten der bestehenden Anlage sofort mit denen verschiedener Sanierungsalternativen vergleichen. Entsorgungskosten betrachtet die Software bisher allerdings standardmäßig noch nicht.
Im Programm werden einige Parameter für die Berechnung direkt optimiert. Es ermittelt beispielsweise die optimale Rückwärmezahl für die Lüftungsanlage, wobei der minimale bzw. maximale Durchmesser des Wärmetauschers einbezogen wird. Das heißt, das Programm gibt die Rückwärmezahl aus, welche die Kosten über die Nutzungsdauer minimiert. Soll über den Austausch von Ventilatoren entschieden werden, bestimmt es den am besten geeigneten Ventilator-Typ und optimiert seine Leistung. Hierzu wurden für die entsprechenden Komponenten Kostenfunktionen hinterlegt, die u. a. vom Wirkungsgrad für die Wärmerückgewinnung und den Ventilatoren-Typen abhängen. Die Lebenszykluskosten der Sanierungsmaßnahme – in diesem Fall der Erneuerung des Ventilators – werden dann mit den optimalen Parametern – hier also Typ und Leistung des Ventilators – berechnet und mit der bestehenden Anlage verglichen.
Als Ergebnis werden die Lebenszykluskosten der Sanierungsvorschläge grafisch dargestellt (Abb. 2), wobei nach Kosten für Strom, Wärme-, Kälte- und Dampferzeugung sowie Kapitalkosten unterschieden wird. Oft sind z. B. die Anschaffungskosten für neue Ventilatoren sehr viel geringer als die Energiekosten, die durch den Austausch eingespart werden können. Langfristig ist also in diesem Fall der Austausch die günstigere Variante. Als Ergebnisse der Anlagenoptimierung gibt die Software für Wärmerückgewinnung und Ventilatoren folgende Werte aus:
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In der Software sind typische Preise verschiedener Anlagen hinterlegt, es kann aber auch ein tatsächliches Angebot für die Preisermittlung eingegeben werden. Alle Ergebnisse lassen sich als CSV-Datei exportieren und in einer Tabellenkalkulation weiterverarbeiten. Das Amortisationsdiagramm ermöglicht dann, zwei Sanierungsvorschläge direkt miteinander zu vergleichen. Die Darstellung zeigt, wie viele Jahre es dauert, bis eine bestimmte Investition sich amortisiert.
Unter diesen Gesichtspunkten können nicht nur Klima- und Lüftungsanlagen, sondern die Gebäudehülle optimiert und verschiedene Anlagentypen für Heizungsanlagen verglichen werden. Die Hottgenroth-Software zur Gebäude-Simulation wurde dafür um ein Modul für die Lebenszykluskosten-Analyse und -Optimierung erweitert. Damit kann ein Gebäude grafisch (mit HottCAD) oder tabellarisch erfasst bzw. aus anderen Programmen übernommen werden und der Energiebedarf mit Standardbauteilen oder mit manuell eingegebenen Bauteilen und weltweiten Klimadaten simuliert werden. Verschiedene Anlagen zur Beheizung des Gebäudes sowie Sanierungsmaßnahmen für Baustoffe und Bauteile lassen sich definieren, analysieren und vergleichen.
Dabei kann generell eine Spanne möglicher Parameter, für Bauteile beispielsweise maximale und minimale U-Werte, eingegeben werden, sodass trotz detaillierter Analyse bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden (Abb. 5). Dadurch können u. a. gesetzliche Vorgaben berücksichtigt werden, wie sie etwa die EnEV definiert. Im nächsten Schritt optimiert das Programm automatisch die resultierenden Lebenszykluskosten, wobei es die Heizkosten für unterschiedliche U-Werte in der angegebenen Spanne einbezieht. So wird automatisch der U-Wert ermittelt, bei dem die Kosten am geringsten werden.
Weil die Kosten der Sanierungsmaßnahmen von den Produkten, dem konkreten Angebot, dem Standort und vielen anderen Gegebenheiten abhängen, können Anwender wählen, ob sie die Kosten frei eingeben oder auf hinterlegte Kostenfunktionen zugreifen wollen.
Zukünftig wird das Programm noch weiterentwickelt werden um zu ermöglichen, dass es zusätzlich z. B. die Entsorgungskosten berücksichtigt oder den Einfluss des CO2-Ausstoßes gewichtet.
Die neue Software ermöglicht TGA-Fachplanern und Energieberatern erste Berechnungen zur Lebenszykluskosten-Analyse und -optimierung, ohne dass sie wesentlich mehr Daten eingeben müssen als bei einer normalen Gebäudeenergieberatung. Von Vorteil ist dabei ein übersichtlicher Aufbau der Software, die einfach in die BIM-Methodik implementiert werden kann.
Dr. Iris Reichenbach
war mehrere Jahre als Physikerin am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden und an der TU Bergakademie Freiberg in der Forschung tätig. Seit 2015 arbeitet sie bei der Hottgenroth Software GmbH & Co. KG und ist dort für die Entwicklung der Simulationssoftware zuständig.