Man muss kein Fachmann sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass Rollläden und Sonnenschutzanlagen die Energiebilanz eines Gebäudes eher verbessern denn verschlechtern. Im Winter reduzieren sie nachts die Wärmeverluste, indem sie nachts ein dämmendes Luftpolster zwischen Behang und Fenster einschließen. Wenn die Sonne während der Heizperiode bei schönem Wetter in flachem Winkel auf die Fensteröffnungen trifft, verbleiben Rollladen und Jalousien tagsüber in ihren Gehäusen und lassen solare Energie ins Gebäude – zumindest die nach Süden und Westen orientierten Räume profitieren von dieser kostenlosen Heizungsunterstützung, was sich nicht zuletzt positiv im Jahresbudget niederschlägt. Im Sommer verringert der herabgelassene Sonnenschutz als beschattendes Element den Wärmeeintrag durchs Fenster und macht teure und energieintensive Klimageräte überflüssig. Das funktioniert natürlich nur dann perfekt beziehungsweise bringt die größtmöglichen Einspareffekte hervor, wenn die Beschattungssysteme automatisch per Zeitschaltuhr und Sensorik gesteuert werden – also unabhängig davon, ob die Bewohner zuhause sind, um auf die jeweiligen Witterungs- beziehungsweise Raumklimabedingungen zu reagieren.
Der Industrieverband Technische Textilien, Rollladen, Sonnenschutz e. V. (ITRS) hat das renommierte Ingenieurbüro Hauser (ibh) beauftragt, die Effekte eines solchen „dynamisch gesteuerten Wärmeschutzes“ zu simulieren und zu berechnen, um mit einer solchen Studie in Zahlen belegen zu können, was man schon immer gefühlt wusste.
Rahmenbedingungen der Untersuchung
Um verlässliche Daten und seriöse Durchschnittswerte zu erhalten, floss eine Reihe von Parametern in das Simulationsmodell ein. Einbezogen wurden unter anderem verschiedene Fensterflächenanteile, Fassadenausrichtung, Art der Verglasung sowie typische Rollladen- und Sonnenschutzbehänge aus unterschiedlichen Materialien. Außerdem legte man die Raumgeometrie eines Einraummodels mit den klimatischen Gegebenheiten am Standort Essen zugrunde. Die Simulationen wurden jeweils mit und ohne dynamisch gesteuerten Wärmeschutz durchgeführt, um die Ergebnisse vergleichen zu können.
Ergebnisse übertreffen Erwartungen
Die Ergebnisse der ITRS-Studie belegen, dass automatische Rollladen- und Sonnenschutzsysteme im Winter erheblich dazu beitragen können, die Wärmeverluste zu reduzieren (Abb. 1) – vor allem, wenn von einem alten Fenster mit Zwei-Scheiben-Isolierverglasung und einem Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) von 3 W/(m2K) ausgegangen wird. Ein Standard, der heute noch im überwiegenden Teil des Gebäudebestands zu finden ist. Sind solche Fenster mit Rollläden ausgestattet, ergibt sich ein Energieeinsparpotenzial von 16 Prozent der eingesetzten Heizenergie im Gebäude. Bei Fenstern, die bereits den U-Wert der aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) erfüllen (1,3 W/(m2K)), lassen sich immer noch acht Prozent Heizenergie einsparen. Bei älteren Fenstern, die aber mit sehr guten Rollladen- und Sonnenschutzsystemen kombiniert sind (allerdings eine energetisch eher unvernünftige Konstellation), erreichen die Einsparwerte maximal 44 Prozent. Ein Spitzenwert, der die Branche zu Werbezwecken freuen mag, aber doch sehr theoretisch anmutet – denn wer optimiert schon energetisch den Sonnenschutz, lässt aber die alten Fenster mit schlechter Verglasung unberührt?
Auch beim sommerlichen Hitzeschutz (Abb. 2) vermögen automatisch gesteuerte Rollladen- und Sonnenschutzsysteme kostensparende Effekte zu entfalten, die deutlich über die Mindestanforderungen der Norm DIN 4108-2 hinausgehen. Wird beispielsweise der Eckraum eines Wohngebäudes, der zur Westseite orientiert ist und einen Fensterflächenanteil von 70 Prozent aufweist, mit einer optimierten Sonnenschutzvorrichtung ausgestattet, reduziert sich der Jahresnutzkältebedarf nochmals um bis zu 12 kWh/(m2a). Bei einer durchschnittlichen Wohnfläche von 120 m2 und dem angenommenen Preis einer Kilowattstunde von 0,28 Euro spart ein Bewohner damit ca. 400 Euro pro Jahr ein. In jedem Fall aber sind automatische Verschattungen den teuren und wenig nachhaltigen Technologien zur Raumkühlung eindeutig vorzuziehen – dem entgegen steht allerdings der Trend zu immer mehr Kleinklimaanlagen in den Haushalten: So haben sich nach Angaben des Klimabarometers der gemeinnützigen Beratungsgesellschaft co2online von 2010 bereits 21 Prozent der Deutschen ein Kühlgerät angeschafft oder können es sich vorstellen, in naher Zukunft eines zu erwerben. Eine an sich unsinnige Tendenz, die ganz klar im Widerspruch zu den Klimazielen der Bundesregierung steht.
Aufnahme in EnEV sinnvoll
Die ITRS-Studie zeigt, dass in automatisch bewegten Rollladen- und Sonnenschutzsystemen ein sehr hohes Energieeinsparpotenzial steckt. Ihre dynamische Anpassung an Wetterbedingungen beziehungsweise den steten Rhythmus von Tages- und Jahreszeiten tragen dazu bei, die Schwäche des Fensters als statisches Element und energetische Lücke in der Gebäudehülle auszugleichen. Für den Industrieverband belegen die Ergebnisse der Untersuchung zweifelsfrei, dass ein dynamisch gesteuerter Wärmeschutz auch bei der energetischen Bewertung von Gebäuden nach DIN V 18599 berücksichtigt werden sollte. Über diesen Umweg könnte der energiesparende Effekt automatischer Rollladen- und Sonnenschutzsysteme auch in die EnEV einfließen. Denn sie verweist auf die jeweilige aktuelle Fassung der DIN V 18599. Unter energetischen Gesichtspunkten wäre das jedenfalls ein enormer Fortschritt. Denn wie ITRS-Studie nahelegt, würde die Aufnahme von dynamischem Wärmeschutz in die EnEV einen wichtigen Baustein bilden, um die ambitionierten politischen Klimaschutzziele zu verwirklichen. Die komplette Studie steht zum Download bereit unter http://www.itrs-ev.com