Herr Rau, was wird als bauwerkintegrierte Photovoltaik (BIPV) bezeichnet?
Bei der bauwerkintegrierten Photovoltaik geht es, wie der Name schon sagt, um die Integration von Photovoltaikmodulen in die Hülle eines Gebäudes oder auch eines anderen Bauwerkes. Dabei wird das Solarmodul zu einem multifunktionalen Bauelement und übernimmt zusätzlich zur Stromerzeugung weitere Funktionen, beispielsweise Witterungsschutz, Wärmeisolation, Licht- oder Schallschutz. Als Definition gilt, dass das Modul ein herkömmliches Bauteil, z. B. ein konventionelles Dach- oder Fassadenelement, ersetzt. Wird es entfernt, muss die entstehende „Lücke“ durch ein alternatives Element ersetzt werden, um eine funktional geschlossene Gebäudehülle zu erhalten.
Das Solarmodul muss sowohl die technische Funktionalität als Solar- und als Bauelement erfüllen, als auch, und das ist hier besonders wichtig, sich ästhetisch in das Gebäude integrieren. BIPV-Module müssen daher vorrangig auch gestalterische Anforderungen wie Farbe, Transparenz, Form und in gewissen Maßen auch Materialität erfüllen.
Wie lange gibt es schon BIPV? Was ist der Unterschied zwischen früheren und heutigen Produkten und Praxisbeispielen?
Die ersten BIPV-Projekte wurden bereits vor mehr als drei Jahrzehnten realisiert. Leider hat, entgegen der ursprünglichen Erwartung, die BIPV kein auch nur ansatzweise ähnliches Wachstum erfahren wie die klassische Photovoltaik auf Dach- und Freiflächen. Die erforderliche Multifunktionalität führt automatisch zu einer höheren Komplexität. Die hohen Anforderungen an kundenspezifische Lösungen konnten, vor allem in der Vergangenheit, nur selten zu adäquaten Kosten realisiert werden. Heute ist die Produktpalette breiter geworden. Es gibt Konzepte und Lösungen für Standards, mit denen eine wirtschaftlichere Lösung angeboten werden kann.
Wie steht es um die Akzeptanz der BIPV bei Architekten und Planern? Gibt es Vorbehalte bzw. Vorurteile?
Die Ursache für die geringe Verbreitung von BIPV ist nicht einfach die mangelnde Akzeptanz, es ist vor allem auch das fehlende Wissen über die Möglichkeiten, die BIPV-Produkte bereits bieten können. Den initialen Akteuren von Bau- und Sanierungsvorhaben sind oft die vielfältigen gestalterischen Lösungen für die Integration von Photovoltaik in das Gebäude nicht bekannt. So wissen beispielsweise viele nicht, dass es farbige, ja sogar weiße Solarmodule gibt, dass nicht nur klassische, „gekachelte“ Solarmodule verwendet werden können, sondern auch flächig homogen gefärbte Module. Neben den gestalterischen Aspekten gibt es die Sorge vor einer zu großen Komplexität in der Planung und der Bauausführung sowie Respekt vor und Unklarheit bei den zusätzlichen regulatorischen Randbedingungen. Diese Vorbehalte, Vorurteile, Randbedingungen und die fehlende Kenntnis der Möglichkeiten sind konkrete Hemmnisse, die den Einsatz von BIPV häufig schon zu Beginn eines Vorhabens verhindern. Aber Wissen kann vermittelt werden, Möglichkeiten und Chancen können offenbart werden und gezielte Beratung kann helfen, Architekten und Planern die Werkzeuge und die Sicherheit zu geben, Solarmodule in eine Gebäudehülle zu integrieren.
Wie sehr stehen dabei Ästhetik und Ertrag im Widerspruch?
Ein hoher ästhetischer Anspruch ist im Regelfall mit Abstrichen beim Ertrag verbunden. So wird bei farbigen oder teiltransparenten Modulen naturgemäß ein geringerer Anteil des Sonnenlichtes genutzt. Je nach Installation beispielsweise in einer Fassade sieht das Solarmodul im Laufe eines Tages bzw. Jahres weniger Sonnenlicht. Hier ist entscheidend, in welche Himmelsrichtung und in welchem Winkel ein Modul ausgerichtet ist. Zusätzlich dazu muss eine mögliche temporäre Verschattung durch Nachbargebäude oder Bäume bedacht werden.
Aber wenn man berücksichtigt, dass mit integrierten Solarmodulen zusätzliche Flächen für die Stromerzeugung erschlossen werden können, sollte der erste Vergleich nicht mit einem ideal ausgerichteten, ertragsoptimierten Modul erfolgen, sondern eher mit einem passiven Dach- oder Fassadenelement ohne stromerzeugende Eigenschaften.
Welche Gewerke sind beim Einbau von BIPV beteiligt? Wie sieht es mit der Haftung aus?
Die Integration von Photovoltaik in die Gebäudehülle sollte möglichst frühzeitig in einem Planungsprozess berücksichtigt werden und daher die Fachplaner für Dach- bzw. Fassadenbau auch früh beteiligt werden.
Je nach Integrationsart sind verschiedene Gewerke beteiligt, im Regelfall aber zumindest der Architekt, ein Dachdecker bzw. Fassadenbauer und ein Elektroinstallateur. Im Bauprozess selbst übernimmt später beispielsweise der Fassadenbauer den Hauptauftrag zur kompletten Fassade. Er verantwortet dann auch die Leistungen seiner Unterauftragnehmer aus den Bereichen Modulherstellung und Elektroinstallation. Wo die Leistungsgrenzen liegen, insbesondere zur bauseitigen Haustechnik, hängt maßgeblich vom Bauherrn ab.
Ist BIPV nur im Neubau sinnvoll oder gibt es auch Lösungen für den Altbau?
Im Neubau ist die Integration von PV-Modulen natürlich einfacher, da sie von vornherein berücksichtigt werden und somit das gestalterische Potenzial am besten genutzt werden kann. Außerdem kann die Gebäudeplanung die erforderlichen Zusatzinstallationen (Verkabelung, Platzierung von begleitenden Komponenten wie Wechselrichter und Speicher) effizienter berücksichtigen. Aber auch bei Sanierungen im Bestandsgebäude kann BIPV angewandt werden. Insbesondere im Zusammenhang mit energetischen Sanierungen bietet sich eine vorgehängte, hinterlüftete Solarfassade mit entsprechender Wärmedämmung an. Bei der Sanierung von Gebäuden mit Ziegeldächern können Dachziegelsysteme mit integrierten Solarmodulen genutzt werden und somit den Charakter des Gebäudes erhalten.
Was muss bei der BIPV baurechtlich beachtet werden?
Wenn ein Solarmodul ins Gebäude integriert werden soll, gelten automatisch auch baurechtliche Regelungen und Verordnungen. Je nach Art der Installation, der Montage und der weiteren bauelement-bezogenen Funktionen sind sie verschieden. Außerdem sind sie im Normalfall standortabhängig. Im Planungsverfahren gilt es auch zu beachten, dass die verplanten Solarmodule bzw. solaraktiven Bauelemente eine abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) besitzen sollten oder ggfs. eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich ist.
Wo und wie können sich Energieberater über BIPV informieren?
Es gibt mittlerweile regelmäßig Fachpublikationen und Veranstaltungen der Branche. Allerdings sind aus unserer Sicht einfache, allgemein verständliche Informationsmöglichkeiten über BIPV heute noch zu wenig verfügbar. Daher bietet das Helmholtz-Zentrum Berlin seit kurzem eine Beratungsstelle für BIPV (BAIP) an. Darüber hinaus können sich interessierte Energieberater beispielsweise direkt an die Allianz BIPV wenden.
Was macht die BAIP, wer sind die Partner/Unterstützer?
Die Beratungsstelle für bauwerkintegrierte PV ist eine von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderte Initiative des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie. Wir bieten eine kostenfreie und produktneutrale Beratung insbesondere für die initiale Akteursgruppe von Bau- und Sanierungsvorhaben, also für Architekten, Bauherren, Planer und Investoren. Ziel ist es, ihr die Chancen und Möglichkeiten von BIPV näherzubringen und hinsichtlich Potenzialen, technischen Lösungen und regulatorischen Randbedingungen zu beraten. Um dies effektiv zu realisieren, bieten wir neben der individuellen Beratung auch Weiterbildungsformate an, die wir beispielsweise zusammen mit den Landesarchitektenkammern entwickeln. Außerdem veranstalten wir regelmäßig eigene Workshops. Weitere Partner des BAIP sind die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW), das Reiner Lemoine Institut sowie die Allianz BIPV.
Wer ist die Allianz BIPV und was macht sie?
Die Allianz BIPV ist eine Interessensvertretung der verschiedenen Akteure der BIPV-Branche. Ihre Mitglieder reichen von Architekten und Planern über Fassadenbauer, Material- und Komponentenhersteller, Solarmodulhersteller und Forschungsinstitutionen bis hin zum Energiedienstleister. Das zentrale Ziel der Allianz BIPV ist es, die bauwerkintegrierte Photovoltaik zu einem selbstverständlichen Element zukünftiger Bauvorhaben werden zu lassen. Durch aktive Kommunikation, Messeauftritte und Netzwerktreffen fördert die Allianz BIPV den Informationsaustausch innerhalb der Branche und in Richtung Politik und Behörden. Sie entwickelt Richtlinien und Empfehlungen und vermittelt bei Anfragen und Projekten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen zur bauwerkintegrierten Photovoltaik erhalten Sie bei der Beratungsstelle für bauwerkintegrierte Photovoltaik (www.hz-b.de/baip) und bei der Allianz bauwerkintegrierte Photovoltaik e. V. (www.allianz-bipv.org).