Solarmodule, die vollständig in Fassaden und Dachflächen integriert sind, besetzen bisher nur einen kleinen Teil des Photovoltaik-Markts. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE geht jedoch davon aus, dass sich ein weltweiter Massenmarkt dafür entwickelt. Denn bauwerkintegrierte Photovoltaik, kurz BIPV, bietet einige Vorteile: Neben der solaren Stromerzeugung zählen dazu beispielsweise Wärmedämmung sowie Wind- und Wetterschutz. Vertikal eingebaute Module nutzen im Winter die tiefstehende Sonne besser aus als Dachanlagen. Ihre Ertragsspitzen liegen bei entsprechender Ausrichtung in den Morgen- oder Nachmittagsstunden, was sich oft positiv auf den Eigenverbrauch auswirkt. Die integrierte Photovoltaik ist zwar teurer als andere Gebäudehüllen, bei Fassaden oder Dachflächen, die ohnehin saniert werden, und bei Neubauten reduzieren sich diese Mehrkosten jedoch deutlich.
Auch die optischen Gestaltungsmöglichkeiten können sich sehen lassen. Module im Einheitsdesign und mit Standardabmessungen sind für Architekten nicht unbedingt die erste Wahl. Daraus ergibt sich eine Chance für europäische Hersteller, die bauwerkintegrierte Module nach den individuellen Wünschen der Kunden fertigen, erklärt Dr. Tilmann E. Kuhn vom Fraunhofer ISE: „Aufgrund der engen Verflechtung mit dem Bauprozess und der individuellen Herstellung nach Kundenwunsch ist in diesem Markt eine Abwanderung der Produktion in das Ausland keine Gefahr.“
Große Fassadenflächen nutzen
Vor allem an großen Gebäuden ist viel Platz für die solare Stromerzeugung. So bringen es die PV-Module an der fünfgeschossigen Fassade des Freiburger Rathauses im Stühlinger (Abb. 1) auf eine Leistung von 220 kWp. Auch Industriegebäude bieten sich an: Am Getreidesilo der Schneller Mühle in Donauwörth (Abb. 2) haben die Lechwerke (LEW) und Heliatek einen Pilotversuch gestartet. In rund 20 m Höhe wurden Solar-Elemente mit Abmessungen von je 6 × 0,32 m aufgeklebt. Vor dem geplanten Start der Serienproduktion im kommenden Jahr wird dort in einem Langzeittest die Technologie auf rauem Beton untersucht. Dadurch, dass die Solarfolie leicht und biegsam ist, kann sie auf unterschiedlichsten Fassadenformen und -oberflächen angebracht werden.
In Verbindung mit Membran-Architektur funktioniert die Integration klassischer Module nur eingeschränkt. Dass Photovoltaik dennoch möglich ist, zeigt ein Projekt, das von Opvius und Taiyo Europe umgesetzt wurde: An einer Membranfassade auf dem Merck-Firmengelände in Darmstadt (Abb. 3) präsentiert sich eine Lösung mit gedruckter organischer Photovoltaik.
Bei Bestandsgebäuden kann die Photovoltaik einen erheblichen Teil zur Reduzierung des Energiebedarfs beitragen. Im Zuge der Sanierung zum KfW-Effizienzhaus 55 erhielt ein 1972 errichtetes Mehrfamilienhaus in Bremen (Abb. 4) eine vorgehängte hinterlüftete Glasfassade. Auf einer Fläche von 569 m2 liefern rahmenlose, im Format skalierbare BIPV-Module von Lithodecor Solarstrom.
PV-Anlage bei der Sanierung ins Dach integrieren
Die geplante Sanierung oder der Neubau eines Dachs ist ein günstiger Zeitpunkt, über die Integration einer PV-Anlage in die Dachhaut nachzudenken. Die Aufzeichnung eines Webinars zu diesem Thema steht unter www.bit.ly/geb1630 . Für das Dach einer Kirche in Georgensgmünd in Franken (Abb. 5) fiel die Wahl auf schwarze Glas-Glas-Module von Solarwatt. Bei der Dachsanierung eines Musterhauses in Worms (Abb. 7) kam eine rahmengebundene Lösung mit PV-Indax von Braas zum Einsatz. Wer die PV-Anlage in ein Schieferdach integrieren möchte, findet bei Rathscheck passende Produkte (Abb. 9).
Konzept für möglichst hohen Eigenverbrauch
In Industriebetrieben wie der Mayer Gruppe aus Heidenheim spielen energieintensive Prozesse eine große Rolle. Deshalb hat das metallverarbeitende Unternehmen seine PV-Anlage, die 2010 in Betrieb genommen wurde, um eine fassadenintegrierte PV-Anlage und ein Speichersystem ergänzt (Abb. 10). Die BIPV-Anlage mit einer Leistung von 90,3 kWp steigert die solare Ausbeute, gleichzeitig konnten die Kosten für eine konventionelle Fassade eingespart werden. Der Lithiumionenspeicher von Varta hat eine Lade- und Entladeleistung von 36 kW und eine nutzbare Kapazität von 75 kWh. Durchschnittlich erzeugt die Kombination aus PV-Anlage und Speicher eine Kilowattstunde Strom für 12 Cent. Der Return on Investment für das Projekt wurde mit ca. 13 Jahren berechnet.
Vielfältige Lösungen für unterschiedliche Anforderungen
Die Palette der Möglichkeiten reicht von der vorgehängten hinterlüfteten Fassade bis zum Wärmedämm-Verbundsystem mit integrierter PV. Letzteres wurde bei der Sanierung eines Wohngebäudes der Frankfurter Wohnbaugesellschaft ABG in der Putzebene des Gebäudes verlegt (Abb. 11). Das Projekt ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen DAW und Opvius.
Beispiel für Ersteres ist ein Supermarkt in Norwegen (Abb. 12), an dessen Fassade schwarze, rahmenlose Module von Nice Solar Energy Strom erzeugen. Außer den Modulen im Standardmaß von 600 × 1200 mm wurden für das Projekt Module in Sondergrößen geliefert.
Inzwischen sind Solarmodule in allen erdenklichen Farben zu haben. Beim Labenwolf Gymnasium in Nürnberg (Abb. 14) war die rotbraune Farbe der BIPV-Elemente eine Auflage des Denkmalschutzamtes. Integriert sind sie in eine vorgehängte hinterlüftete Glasfassade.
Galaxy Energy bietet lichtdurchlässige Indach-Module, die wie in Abb. 13 auch als Fassade montiert werden können. Bei dem Projekt wurde ein Bürogebäude um einen Neubau erweitert. Mit dem Indachsystem wurde eine vorgehängte Fassade so errichtet, dass Bestand und Neubau trotz unterschiedlicher Geschosshöhen und unregelmäßig angeordneter Fenster nicht mehr zu unterscheiden sind.
Die Beispiele zeigen, dass die gebäudeintegrierte Photovoltaik eine große Bandbreite an Möglichkeiten bietet, die Stromerzeugung mit der Dämmung und dem Witterungsschutz zu verbinden.