Springe zum Hauptinhalt Springe zum Hauptmenü Springe zur SiteSearch

Stellschrauben im Stall

Wie in jeder Branche werden auch in der Landwirtschaft längst noch nicht alle Potenziale zur Steigerung der Energieeffizienz genutzt. Meistens handelt es sich um „kleine Stellschrauben“, die nicht zum Kerngeschäft des Unternehmens gehören. Deshalb steht das Thema viel zu selten im Fokus der Entscheidungsträger, obwohl in etlichen Betrieben erhebliche Einsparungen möglich sind. Um dies zu ändern, initiierte die Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum Schwäbisch Gmünd (LEL) ein Kommunikationsprojekt, durch das Landwirte auf das Thema Energieeffizienz aufmerksam gemacht werden sollten (s. Infokasten links). Gleichzeitig wurden Berater ausgebildet, die gezielt über die speziellen Möglichkeiten der Branche informieren können.

Ein besonderer Synergieeffekt ergab sich dadurch, dass das Bundeslandwirtschaftsministerium 2016 über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) das „Bundesprogramm zur Förderung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in der Landwirtschaft und im Gartenbau“ auflegte, mit dem sowohl landwirtschaftliche Energieberatung als auch Investitionen im Bereich Energieeffizienz gefördert wurden. Dieses Programm lief zunächst von 2016 bis 2018 und wurde für eine weitere Dreijahresperiode von 2019 bis 2021 verlängert (s. Infokasten rechts).

Basisqualifikationen für Berater

Bereits 2010/11 hatten an der LEL die ersten Teilnehmer die Weiterbildung für eine Basisqualifikation zur „Energieeffizienzberatung in der Landwirtschaft“ absolviert. Auf dieser Basis wurden zwischen 2016 und Anfang 2019 sechs weitere Basisqualifikationen durchgeführt. Im Rahmen des Projekts vermittelten die Experten rund 160 Beratern die spezifischen Anforderungen an eine qualifizierte Energieeffizienzberatung in der Landwirtschaft.

Obwohl sich die angewandten Technologien in den Bereichen Wärme, Kälte, Strom und Kraftstoffe nur wenig von anderen Branchen unterscheiden, stellt die Landwirtschaft spezielle Anforderungen an das Wissen und Können der Berater, da meist Tiere oder Pflanzen und damit lebende Organismen von den Beratungsentscheidungen betroffen und abhängig sind. Darauf wurde in den Schulungen zur Qualifizierung besonders eingegangen.

Die Teilnahme diente den Beratern auch als Nachweis der Fach- und Sachkunde für ihre Akkreditierung beim Bundesprogramm Energieeffizienz. Nicht zuletzt erhielt das „Networking“ der Experten und Berater durch die Basisqualifikationen einen wichtigen Impuls.

Wahrnehmung der Entscheider stärken

Im Lauf des Projekts profitierten bundesweit 18 Leuchtturmbetriebe von Energieeffizienzberatungen. Dazu gehören Unternehmen mit Milchvieh-, Schweine-, Puten-, Hühner- oder Pferdehaltung sowie Biogaserzeuger und Betriebe mit Sonderkulturen wie Weinbau oder Hopfenanbau (  www.bit.ly/geb1575  ). Um Effekte der Betriebsgröße erkennen zu können, waren unter den Teilnehmern beispielsweise Milchviehbetriebe mit 70 bis 1500 Milchkühen. Bezogen auf die Bundesländer lagen die Betriebe in 11 der 13 Flächenländer.

Die Aufgabe bestand darin, die jeweiligen Effizienzpotentiale zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Durch die Veröffentlichung der Ergebnisse in Fachartikeln, über www.energieeffizienz-landwirtschaft.de und im Rahmen von Leuchtturmveranstaltungen sollten landwirtschaftliche Unternehmer und Entscheidungsträger auf die Möglichkeiten zur Energieeinsparung aufmerksam gemacht werden. Darüber hinaus dienten die Veranstaltungen dazu, interessierten Beratern die empfohlenen Maßnahmen aufzuzeigen.

Energieeffizienzpotentiale in der Landwirtschaft

Wie die Auswertung zeigt, lassen sich neben Energie auch in ganz erheblichem Umfang Kosten und CO2-Emissionen einsparen (Abb. 1). In den beratenen Produktionsbereichen konnten Energieeinsparungen zwischen 4 und 46 % realisiert werden. Der Durchschnitt über alle Betriebe lag bei 20 %. Die Wirkung der Maßnahmen auf Kosten und CO2-Emissionen war noch ausgeprägter: Die Energiekosten gingen um durchschnittlich 28 % zurück, die CO2-Emissionen sogar um 42 %. Letzteres liegt vor allem daran, dass z. B. die Umstellung der Wärmeerzeugung von fossilen Energieträgern auf Holz und die Nutzung von Eigenstrom aus PV-Anlagen oder BHKWs überproportionale Einsparpotentiale im Bereich Kosten und direkte CO2-Emissionen ermöglicht.

Nominal lag die Einsparung der einzelnen Betriebe je nach Größe und Betriebsart zwischen 7000 und 260 000 kWh/Jahr. In Summe konnte in den 18 Leuchttürmen eine jährliche Energieeinsparung von rund 1,1 Mio. kWh/Jahr aufgezeigt werden.

Insgesamt verringerten sich die Energiekosten um rund 230 000 Euro, die einzelnen Betriebe konnten ihre Kosten um 2000 bis 32 000 Euro reduzieren. Die jährliche CO2-Einsparung von 8,5 bis 280 Tonnen je Betrieb summierte sich auf eine Gesamt-CO2-Einsparung von 1260 Tonnen CO2/Jahr.

Beratungsbeispiel Milchviehbetrieb

In der Milchviehhaltung wird häufig 60 bis 70 % des gesamten Strombedarfs für die Milchgewinnung aufgewendet. Alle Stufen des Prozesses – Melken, Kühlen und Reinigung – bieten erhebliche Effizienzpotentiale. Im Beratungsprozess werden vor allem folgende Fragestellungen bearbeitet:

  • Gibt es energieeffizientere Maschinen bzw. Aggregate? In Betracht kommen z. B. Vakuumpumpen, Ventilatoren, automatische Melksysteme, Kühl- und Kälteaggregate, Warmwasser- und Heizwärmeerzeuger.
  • Sind die Systeme und Komponenten optimal ausgelegt und abgestimmt? Aufmerksamkeit verdienen u. a. Milchkühltechnik, Milchvorkühlung, Eiswasserspeicher, Wärmerückgewinnung, Wärmespeichertechnik, Reinigungssystem, Druckluftsystem, Lüftungstechnik und LED-Beleuchtung.
  • Birgt das Nutzerverhalten Einsparpotentiale? Wie ist der Reinigungs- und Wartungszustand der Anlagen? Werden automatische Ein-/Abschalteinrichtungen genutzt? Wurden die Laufzeiten optimiert?
  • Gibt es Potentiale für die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung oder regenerativer Energie? Kann beispielsweise Wärme aus Biogas erzeugt werden? Soll ein PV-System, eine Kleinwindkraftanlage oder ein BHKW für die Eigenstromnutzung installiert werden?

Nach der Aufnahme des Ist-Zustands wird ein Ziel skizziert und ein Maßnahmenkatalog festgelegt. Mithilfe des eigens für die „Energieeffizienz Beratung Landwirtschaft“ (EBL) entwickelten EBL-Tools können die Energieverbräuche, Kosten und CO2-Emissionen der Ist- und der Ziel-Situation dargestellt werden. Im Abschlussgespräch am Ende des Beratungsprozesses erhalten die Ansprechpartner in den Betrieben Beratungsprotokolle für die einzelnen Maßnahmen.

Rentable Einzelmaßnahme

Ein Beispiel für eine Einzelmaßnahme ist der Einbau einer Milchvorkühlung. Sie macht sich zunutze, dass eine Kuh, von der ca. 20 bis 40 kg Milch am Tag gemolken werden können, einen täglichen Wasserbedarf von 80 bis 120 Litern hat.

Beaufschlagt man einen Vorkühler im Gegenstrom mit 1,5 bis 2 Liter Kühlwasser (ca. 10 bis 12 °C) je kg Milch, lässt sich diese von ca. 33 °C auf etwa 16 °C abkühlen. Die Vorkühlung reduziert die erforderliche Kälteleistung des Kühlaggregats am Milchtank auf 40 bis 50 %. So werden 6 bis 7 kWh Strom je 1000 kg gemolkener Milch eingespart.

Zeitnah lässt sich das erwärmte Wasser problemlos zur Tränke der Tiere einsetzen, sodass keine zusätzlichen Kosten durch den Wasserverbrauch entstehen. In manchen Fällen wird sogar auf eine Zwischenlagerung des Wassers verzichtet, da Kühe direkt nach dem Melken erhebliche Wassermengen trinken.

Neben der energetischen Darstellung wird bei solchen Maßnahmen sowohl die Wirtschaftlichkeit mittels Life-Cycle-Cost-Analyse (LCC) als auch die Wirkung auf die CO2-Emissionen berechnet. Die Ergebnisse für ein konkretes Beispiel zeigt Abb. 3. Für die Analyse steht neben dem EBL-Tool ein LCC-Tool zur Verfügung.

Fazit

In Summe konnte mit dem Kommunikationsprojekt „Klimaschutz durch Steigerung der Energieeffizienz in der Landwirtschaft“ aufgezeigt werden, dass in jedem landwirtschaftlichen Betrieb erhebliche Energieeffizienzpotentiale schlummern. Besonders interessant kann auch die Nutzung regenerativer Energien (PV-Eigenstrom, ggf. Strom aus Kleinwind) oder der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung sein.

Die in den Fortbildungen zur Basisqualifikation verwendeten Programme und Unterlagen stehen zum kostenlosen Download im Werkzeugkasten unter www.energieeffizienz-landwirtschaft.de. Insgesamt konnte in Zusammenspiel mit dem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ausgelobten Programm erheblicher Schwung in die landwirtschaftliche Energieeffizienzberatung gebracht werden. Gleichwohl gilt festzuhalten: Es gibt noch viel zu tun.

Kommunikationsprojekt für den Klimaschutz

Das Kommunikationsprojekt „Klimaschutz durch Steigerung der Energieeffizienz in der Landwirtschaft“ wurde von der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und Ländlichen Raum Schwäbisch Gmünd (LEL), Baden-Württemberg initiiert und in den Jahren 2016 bis Anfang 2019 in bundesweiter Kooperation umgesetzt. Projektziel war es, die Wahrnehmung der Entscheidungsträger in landwirtschaftlichen Betrieben für das Thema Energieeffizienz zu stärken. Parallel dazu wurde eine „Beratungslandschaft“ aufgebaut, um qualifizierte und kompetente externe Hilfe für die Bearbeitung des (Rand-)Themas anzubieten.

Als Partner für das durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderte Projekt waren Experten der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum Rheinland-Pfalz, des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen, der Landwirtschaftskammern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, der LMS Agrarberatung Mecklenburg-Vorpommern sowie des Sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie mit im Boot.

www.energieeffizienz-landwirtschaft.de , www.bit.ly/geb1576

Bundesprogramm Energieeffizienz läuft bis 2021

Die „Richtlinie zur Förderung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in der Landwirtschaft und im Gartenbau“ wurde am 29. Oktober 2018 im Bundesanzeiger veröffentlicht (BAnz AT 20.11.2018 B2). Gefördert werden Unternehmen, die in der landwirtschaftlichen Primärproduktion tätig sind. Förderfähig sind Investitionsmaßnahmen, Energieberatung und Informationsveranstaltungen zum Wissenstransfer. Die Energieberatung hat durch eine von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zugelassene sachverständige Person zu erfolgen. Auch die Förderung von Wissenstransfer ist an Eignungskriterien gebunden.

Investitionen können mit bis zu 40 % gefördert werden (max. 500.000 Euro), Energieberatung mit bis zu 80 % der zuwendungsfähigen Beratungskosten (max. 6000 Euro). Für den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. Juni 2021 sind 75 Mio. Euro Fördermittel vorgesehen. Antrags- und Bewilligungsbehörde ist die BLE. Weitere Informationen unter www.ble.de bzw. www.bit.ly/geb1574

Erste Kosten des Klimawandels?

Kommentar Werner Schmid:

Keine andere Branche verspürt schon heute so stark die Vorboten des Klimawandels (will man sie als solche anerkennen) wie die Landwirtschaft. Das Klima des Jahres 2018 prägte in Deutschland mit dem Begriff „Heißzeit“ ein eigenes „Wort des Jahres“. Für die Landwirtschaft in der Mitte und im Norden Europas brachte diese „Heißzeit“ Ernteeinbußen und Ernteausfälle, welche sich auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag summierten. Manche Experten beziffern die Schadenshöhe sogar auf eine Milliarde Euro und mehr.

Über ein vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gemeinsam mit den Bundesländern aufgelegtes Programm „Dürrebeihilfe“ mit einem Fördervolumen von bis zu 340 Millionen Euro wird versucht, die größten Schäden zu mildern. Aber auch in den Jahren zuvor war die Landwirtschaft bereits von Wetterkapriolen wie außergewöhnlichen Frostereignissen (2017) oder Hochwasser und Überschwemmung aufgrund von Starkregenereignissen (2013) betroffen. Auch in diesen Jahren war Hilfe der öffentlichen Hand nötig. Der Klimawandel lässt grüßen …

Energieverbrauch weltweit

Ist unsere Bemühung, den Klimawandel zu verlangsamen oder zu stoppen annähernd ausreichend? Dazu einige Zahlen der IEA (International Energy Agency, Paris): Der Welt-Energieverbrauch belief sich nach Zahlen der IEA im Jahr 2015 auf 571 ExaJoule bzw. 158 600 TWh (1 EJ = 1018 Joule 277,8 TWh). Fünf Jahre zuvor waren es noch 532 EJ bzw. 147 800 TWh. Damit stieg der Energieverbrauch um 39 EJ bzw. knapp 1,5 % jährlich. Im gleichen Zeitraum steigerte sich die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien ebenfalls um 1,5 % jährlich von 71,4 auf 76,5 EJ.

Fazit: Der Verbrauch fossiler Energieträger wächst trotz aller Bemühungen auch heute noch deutlich. Weder die Entwicklungen im Bereich der erneuerbaren Energien noch der Energieeffizienz reichen bislang aus, den wachsenden weltweiten Energieverbrauch zu stoppen oder ihn zumindest klimafreundlich umzubauen.

Carla Schied

Carla Schied, LEL Schwäbisch Gmünd; Referat 42; Team Energieeffizienz; Leitung, Organisation, Projektkoordination

carla.schied@lel.bw.l.de

Werner Schmid

Werner Schmid, LEL Schwäbisch Gmünd; Referat 42; Team Energieeffizienz; fachliche Expertise, Entwicklung; Projektbearbeitung

werner.schmid@lel.bwl.de