„Die strittigen Aspekte beruhen teilweise auf Grundüberzeugungen, die sich nicht oder nur schwer verändern lassen, teilweise aber auch auf unterschiedlichen analytischen Einschätzungen“, so Katherina Reiche, Vorsitzende des NWR. Eine objektive Annäherung an diese unterschiedlichen Positionen sei sinnvoll und notwendig. Für die dringend notwendigen Entscheidungsprozesse in der Politik liefere der NWR mit seinem Papier eine solide Grundlage.
Das Grundlagenpapier „Farbenlehre“ klärt zunächst einige grundlegende Definitionen: Zum einen wird Wasserstoffproduktion aus fossilen Energieträgern durch Dampfreformation oder Pyrolyse nach deren ökologischem Fußabdruck kategorisiert, d. h. nach dem Umgang mit dem bei der Herstellung entstehenden Treibhausgas Kohlendioxid (grauer, blauer, türkiser Wasserstoff). Zum anderen werden die strombasierten Verfahren mit Hilfe von Elektrolyse zur Wasserstoffproduktion erläutert, deren Unterscheidung sich aus der jeweiligen Art der Stromerzeugung ableitet (gelber, roter, grüner Wasserstoff). Katherina Reiche: „Eine Klarheit der Begriffe ist das Fundament einer sachlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Grundüberzeugungen.“
Der NWR erläutert in einem zweiten Schritt die wesentlichen Einflussgrößen von grauem, grünem, rotem, blauem und türkisem Wasserstoff, wobei Kosten-, Technik- und Akzeptanzfragen im Mittelpunkt stehen. Auf dieser Basis ordnet das Expertengremium die Arten der Wasserstoffproduktion schließlich in sieben Kategorien ein, die je nach Standpunkt zu unterschiedlichen Ergebnissen führen:
Die entscheidende Kategorie ist die umweltpolitische Betrachtung. „Unbestritten ist, dass für den Zustand der umfassenden Klimaneutralität grüner Wasserstoff notwendig ist. Unklar ist aber, welche Rolle die unterschiedlichen Wasserstoff-Erzeugungsrouten für die Übergangsprozesse zur umfassenden Klimaneutralität haben“, so die NWR-Vorsitzende. Dies gelte insbesondere auch für die Beurteilung der Abtrennung und Speicherung des anfallenden CO2 (Carbon Capture and Storage – CCS) bei der Nutzung fossiler Grundlagen für die Wasserstoffproduktion.
Mit Blick auf die zukünftigen Mengen und die mittel- bis langfristig bestehenden Kostendifferenzen zwischen grünem Wasserstoff und Wasserstoff aus anderen Herstellungsrouten ergibt sich ebenfalls ein differenziertes Bild. Katherina Reiche betont jedoch in diesem Zusammenhang, dass die unterschiedlichen Positionen weniger auf Grundüberzeugungen, sondern eher auf fehlende Daten zurückzuführen seien. Durch detailliertere Datengrundlagen könnten sie einander angenähert werden.
Wasserstoff spielt nach Überzeugung des NWR auch eine wichtige industrie- und innovationspolitische Rolle. Während die Position von grünem Wasserstoff hier unbestritten ist, gibt es unterschiedliche Meinungen bezüglich der anderen Herstellungspfade. Ein Teil der NWR-Mitglieder sieht einen Vorteil, wenn ein breiteres Portfolio von Wasserstoff-Produktionsarten gefördert wird: Damit werde einerseits der Markthochlauf im In- und Ausland dynamischer und flexibler, andererseits würden im internationalen Kontext auch andere Technologien wie CCS und Methanpyrolyse stärker als in Deutschland nachgefragt.
In geopolitischer Sicht ist weitgehend unstrittig, dass die Bereitstellung von grünem Wasserstoff im europäischen und internationalen Kontext einen attraktiven Markt eröffnet. Ob und wie aus geopolitischer Sicht die Förderung von nicht grünem Wasserstoff sinnvoll und vorteilhaft sein kann, bleibt jedoch umstritten.
Abschließend wirft der NWR einen Blick auf so genannte Lock-in-Effekte. Damit wird eine Situation beschrieben, in der die Entscheidung für bestimmte Investitionen dazu führt, dass ein späterer Wechsel zu anderen Lösungen unmöglich ist oder unverhältnismäßig erschwert wird. Hier gehen die Meinungen insoweit auseinander, dass ein Teil der Experten davor warnt, mit der Förderung anderer Herstellungspfade die Hochlaufdynamik für grünen Wasserstoff nachhaltig geschwächt werde.
Die NWR-Vorsitzende betont, dass in einigen Bereichen die aufgezeigten Differenzen durch vertiefte Analysen und einen umfassenden Monitoringprozess teilweise abgebaut werden können. In anderen Bereichen sei die Bewertung jedoch auf schwer veränderbare Grundüberzeugungen zurückzuführen. Daher bedürfe es bei der Farbenlehre einer Reihe politischer Entscheidungen. Katherina Reiche: „Der NWR gibt mit seinem neuen Grundsatzpapier Regierung und Parlament einen klaren Bezugsrahmen. Die Politik ist nun gefordert, auf dieser Grundlage eine umfassende und transparente Ableitung der notwendigen Grundsatzentscheidungen vorzunehmen.“ Quelle: NWR /pgl
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