Verklebungen sind allgegenwärtig – ob im Haushalt, der Industrie oder im Baubereich: es wird geklebt, was das Zeug hält, denn geklebte Verbindungen versprechen ein schnelles Ergebnis und erscheinen langlebig.
Gerade auf dem Bau, wo Zeit pures Geld bedeutet und somit möglichst kurze Bauzeiten gefordert sind, haben sich in den letzten Jahren Verklebungen in allen Gewerken etabliert. Leider nicht unbedingt mit immer zufriedenstellenden Resultaten – insbesondere was das luftdichte Bauen angeht (Abb. 1).
Nicht zuletzt deshalb, weil man hier auf Klebetechniken und -materialien gesetzt hat, die nicht für luftdichte Verklebungen nach DIN 4108-7 geeignet waren. Wie kann man also ein geeignetes Verbindungsmittel für dauerhaft luftdichte Verklebungen von einem ungeeigneten Produkt unterscheiden?
Nicht alles, was klebt, hält was es verspricht
Diese Frage stellte sich auch der Normenausschuss, nachdem er die Überarbeitung der DIN 4108-7 („Luftdichtheit von Gebäuden“) abgeschlossen hatte. Was war der Grund für die Zweifel? Nun, die gerade abgesegnete Norm forderte zwar die Dauerhaftigkeit von luftdichten Verklebungen, sie gibt jedoch keine Hinweise darauf, wie genau diese zu erreichen ist. Oder welche Eigenschaften die dazu erforderliche Verbindungstechnik aufweisen muss.
Wer sich also auf die luftdichte Klebetechnik verlassen wollte, musste darauf vertrauen, dass der Lieferant schon die richtigen technischen Eigenschaften bei der Entwicklung beispielsweise eines Klebebandes festgelegt hat, um dauerhaft luftdichte Verklebungen von Bauteilen zu ermöglichen. Blower-Door-Messdienstleister können ein Lied davon singen, welche die Konsequenz dieser „Freibrief“ nach sich zog: Es kam zu erheblichen Qualitätsunterschieden in der Klebetechnik bzw. den zugehörigen Materialien und Systemen. In der Folge konnten Luftdichtheitsmessungen nicht die gewünschte Gebäudedichtheit bestätigten.
Norm regelt Anforderung an Verbindungstechnik
Es war also höchste Zeit für eine neue Norm, welche die „Mindestanforderungen an die Dauerhaftigkeit von Klebeverbindungen mit Klebebändern und Klebemassen zur Herstellung von luftdichten Schichten“ definiert: Dies war die Geburtsstunde der DIN 4108-11, die dann Ende 2018 schließlich in Kraft trat.
Ob sich ein luftdichtes Klebemittel für den vorgesehenen Zweck eignet, hängt davon ab, dass es auf den bauüblichen Untergründen gut haftet. Den Ausschlag hierfür gibt die Adhäsionskraft: Von ihr hängt es ab, wie gut die Verbindung ist, die ein Kleber mit einem Untergrund eingeht.
Es war bald klar, dass es im Rahmen einer Normenprüfung kaum möglich sein wird, alle nur erdenklichen Untergründe zu testen – nicht zuletzt deshalb, weil diese in einer gleichbleibenden Qualität verfügbar sein müssten. Nur dann können bei den angestrebten Wiederholungsprüfungen bei geprüften Produkten vergleichbare Ergebnisse erzielt werden. Daher wurden als relevante Untergründe ein genormtes Buchenholz nach DIN EN 205, eine Polyesterfolie mit klar definierten Eigenschaften sowie die in einem Luftdichtungssystem enthaltenen Bahnen als Möglichkeiten festgelegt.
Planmäßige Zugkräfte sind bei der DIN-Norm zur Verklebung ausgeschlossen
Im Regelfall schließen Hersteller planmäßige Zugkräfte auf die Klebeverbindungen in ihren Anwendungsempfehlungen aus. Das erfolgt nicht ohne Grund, denn die luftdichtende Klebetechnik ist nicht dazu da, das Gebäude zusammen zu halten. Die DIN 4108-7 gibt dazu folgenden Hinweis: „Anschlüsse sind spannungsfrei herzustellen. Dauernde Zugkräfte auf Klebeverbindungen und Luftdichtheitsbahnen sind zu verhindern.“
Jeder Praktiker weiß indes, dass es sich nie vermeiden lässt, dass geringe Zugkräfte auf die Klebeverbindung einwirken. Man denke nur an das Eigengewicht von Dämmstoffen, das eine Scherbeanspruchung in der Klebebandebene erzeugen kann.
Luftdichtheitsanschlüsse am Übergang vom Dach an die Wand beanspruchen dagegen die Klebeverbindungen vornehmlich auf Abschälen. Dabei kann der Schälwinkel variieren – je nachdem wie stark die angeschlossene Bahn durchhängt. Schälbeanspruchungen sind gegenüber Scherbeanspruchungen deutlich kritischer, da diese eine Verklebung schneller bzw. mit geringerem Kraftaufwand lösen können. Inwieweit ein Klebeband den Scher- oder Schälbeanspruchungen entgegenwirken kann, hängt von dessen innerer Festigkeit ab, der sogenannten Kohäsionskraft: je höher der Wert, desto besser die Wirkung.
Die Kunst bei der Kleberentwicklung ist es demnach, eine hohe innere Festigkeit (Kohäsion) mit einer guten Anfangshaftung (Adhäsion) zu kombinieren. Dann lässt sich das Klebeband leicht verarbeiten und bietet eine hohe Dauerhaftigkeit.
DIN-Norm gibt Werte für Haft-Zug-Festigkeiten bei Verklebung vor
Die DIN 4108-11 gibt sowohl Prüfverfahren als auch Mindestwerte für Haft-Zug-Festigkeiten vor. Im Fokus standen dabei die luftdichten Verklebungen von Bahnenüberlappungen, Fugen zwischen Plattenmaterialien sowie deren Anschlüsse an angrenzende Bauteile, wie z. B. Wände oder jegliche Form von Durchdringungen.
Um überprüfen zu können, ob ein Klebemittel für die beiden Lastfälle Abscheren und Abschälen ausreichende Festigkeiten aufweist, schreibt die Norm folgende Testreihen vor:
Es ist bekannt, dass die für Klebebänder verwendeten Acrylatkleber altern und somit die Dauerhaftigkeit begrenzen. Zugesetzte Harze beeinflussen diesen Effekt: Sie erhöhen zwar die Anfangshaftung (und suggerieren damit eine höherwertige Verklebung), neigen jedoch zum Verspröden, was sich negativ auf die Dauerhaftigkeit der Verklebung auswirkt.
Zur Überprüfung der Alterungsstabilität der Klebemittel werden diese einer beschleunigten Alterung durch hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten unterzogen. Dazu werden sie in einem Klimaschrank für einen Zeitraum von 120 Tagen bei 65 °C und 80 % relativer Luftfeuchtigkeit gelagert. Anschließend erfolgen die T-Schälprüfung für Klebebänder bzw. der 180°-Schältest für Klebemassen. Dieser simulierte Alterungsprozess bildet jedoch nicht die gesamte Lebensdauer einer Klebeverbindung ab.
Wechsellastverfahren für wiederkehrende Lasten
Für alle Prüfungen sind Mindestwerte der Zugfestigkeiten in der Norm angegeben. Die Werte der geprüften Produkte müssen höher sein, damit sie die Normenanforderungen einhalten. Eine Besonderheit ist das sogenannte Wechsellastverfahren, das im informativen Anhang der Norm zu finden ist. Mithilfe dieses Verfahrens kann die Beständigkeit der Klebeverbindungen mit variierenden wiederkehrenden Lasten (z. B. Windsog und Winddruck) überprüft werden.
Aktuell ist dieser Anhang noch nicht normativ, d. h. die Durchführung ist im Rahmen der DIN 4108-11 freiwillig. Um die Wechsellast normativ festzuschreiben, braucht es eine ausreichende Datenbasis für die Auswertung. Diese war zum Zeitpunkt, als die Norm verabschiedet wurde, noch nicht gegeben.
Das klebt ja wie …Wer kennt diesen Satz nicht, an dessen Ende anstatt der drei Pünktchen regional ganz unterschiedlich mit Borsten- oder Wildtieren bzw. kreativen Kunstworten abschließt und anerkennend zum Ausdruck bringen soll: Was für eine tolle Verklebung! Er fällt auch gerne mal im Zusammenhang mit dem sogenannten Fingertack-Test.
Bei Anfangshaftung ist Klebetest mit dem Daumen nicht relevant
Es ist allerdings ein weit verbreiteter Mythos, dass mit dem Fingertack die Klebkraft eines Klebers bewertet werden kann. Manche sind jedoch davon überzeugt, dass sich die Haftung eines Klebebandes ermitteln lässt, indem man bevorzugt den Daumen auf die Klebefläche drückt, und das Klebeband dann wieder abzieht.
Abgesehen davon, dass es nicht die Aufgabe von Luftdichtheitsklebern ist, möglichst gut am Daumen zu kleben, kann dieser sehr kurze Klebetest keine Aussage dazu treffen, ob und wie gut das Verbindungsmittel nach der Applikation über viele Jahrzehnte klebt. Aus diesem Schnelltest lässt sich also maximal eine Aussage zur Haftung kurz nach dem Auftragen ableiten – und dann auch noch auf einem Untergrund, der sicherlich nicht baurelevant ist. Folgerichtig schließt die DIN 4108-11 im Anwendungsbereich die Anfangshaftung mit dem Hinweis aus, dass „eine hohe Anfangshaftung […] mit niedrigen Schälfestigkeiten verbunden sein [kann]“.
Endfestigkeit ist wichtig für dauerhafte Verbindung
Ein gutes dauerhaftes Verbindungsmittel kombiniert demnach eine für die Verarbeitung ausreichende Anfangshaftung mit einer hohen Endfestigkeit. Eine hohe Endfestigkeit wiederum ist die Voraussetzung für eine dauerhafte Verbindung, während die Anfangshaftung nur dazu dient, dass sich ein Verbindungsmittel nach dem Auftragen nicht vom Untergrund löst.
So vielfältig die Untergründe sind, auf denen luftdichte Verklebungen vorgenommen werden, so reichhaltig variieren auch die Strukturen der Oberflächen. Während eine Kunststoffoberfläche oder gehobeltes Holz augenscheinlich recht glatt sind, können Holzwerkstoffplatten oder mineralische Untergründe erhebliche, deutlich sichtbare Rauigkeiten aufweisen.
Die beiden Fotos zeigen, wie sich die Festigkeit über die Zeitdauer nach der Verklebung aufbaut. Hier wurde ein Klebeband verwendet, das sich für die Luftdichtung innen und die Winddichtung außen eignet. Links – nach 20 Minuten – ist die Anfangshaftung sichtbar, rechts die deutlich festere Verbindung nach 24 Stunden.
Für alle Untergründe gilt: Je mehr Oberfläche von einem Klebemittel benetzt werden kann, desto höherwertiger ist am Ende die Verklebung. Es kann also einige Zeit dauern, bis die Klebeverbindung ihre Endfestigkeit erreicht hat. Die Klebekraft baut sich in der Regel innerhalb von Stunden auf. Unterstützt wird dieser Prozess durch sorgfältiges Anreiben. Je intensiver dieses erfolgt, desto kürzer ist die Zeitspanne bis zum Erreichen der Endfestigkeit. Von Vorteil sind dabei Anreibhilfen, die einige Hersteller ihren Produkten beifügen.
Die DIN 4108-11 begegnet diesem Verhalten, indem die Prüfkörper nach einem definierten Ablauf vorbereitet und anschließend zwischen 2 und 7 Tagen bei festgelegter Temperatur gelagert werden, damit die Klebebänder oder Klebemassen ihre Endfestigkeiten erreichen können.
Sicherlich ist die Veröffentlichung der DIN 4108-11 ein Meilenstein, legt sie doch genau fest, welche Anforderungen an die luftdichte Klebetechnik gestellt werden. Dies gibt Verarbeitern, Planern und Energieberatern mehr Sicherheit bei der Auswahl der richtigen Verbindungstechnik. Ergo: Man sollte tunlichst keine Materialien verwenden, welche die Prüfungen nicht erfolgreich absolviert haben. Auch wenn diese noch so preisgünstig zu haben sind.
Besser als die DIN-Norm geht auch
Wie schon im Titel der DIN 4108-11 angegeben, definiert die Norm nur Mindestanforderungen. Es ist also sicherlich von Vorteil, eine Verbindungstechnik zu wählen, die bessere Werte aufweist als in der Norm gefordert, z. B. indem sie eine verlängerte beschleunigte Alterungsprüfung absolviert hat und somit nachweislich alterungsbeständiger ist.
Es ist zudem empfehlenswert, möglichst wasserfeste Kleber auszuwählen, denn je nach Bauweise enthalten die Rohbauten erhebliche Feuchtemengen – insbesondere Putze und der Estrich erhöhen die Raumfeuchte deutlich, was vielerorts hinsichtlich der Verklebungen unterschätzt oder gar vergessen wird.
Zu guter Letzt hängt das Ergebnis einer Verklebung auch von der Sauberkeit und Qualität der zu beklebenden Oberflächen ab. Wer die Flächen vor dem Verkleben abwischt oder absaugt, wird zweifellos ein besseres Klebeergebnis erreichen. Wer eine hochwertige Verbindungstechnik nach DIN 4108-11 auswählt und auf einen kompetenten und zuverlässigen Verarbeiter besteht, beschert seiner Bauherrschaft ein Gebäude, das über viele Jahrzehnte seine luftdichte Funktion zuverlässig erfüllt.
Dieser Artikel von Michael Förster ist zuerst erschienen in GEB Ausgabe 9 / 2020. Michael Förster leitet die pro clima Anwendungstechnik. Er ist Bauingenieur und Zimmerer und davon überzeugt, dass eine gute Luftdichtung für die Bauschadensfreiheit einer Konstruktion essenziell ist. In diversen Verbänden und Ausschüssen engagiert er sich für die Rahmenbedingungen guten Bauens.