Sieben Kontinente zählt unser Planet, deren jeweils höchste Gipfel zu erklimmen unter Bergsteigern bis heute als Herausforderung gilt. Der erste, der das schaffte und überhaupt die Idee für diesen steinigen Wettbewerb gebar, war der US-Amerikaner Dick Bass. Man schrieb den 30. April 1985, als er mit dem Mount Everest schließlich den letzten Gipfel und einzigen Achttausender unter den Seven Summits auf seiner Liste abhaken konnte. Die Bergsteigerlegende Reinhold Messner war zwar schon 1978 auf den höchsten Punkten von sechs Kontinenten, schaffte aber mit dem Mount Vision (Antarktis) den siebten Gipfel erst knapp zwei Jahre nach Bass. Allerdings war er wiederum der erste, der alle diese Gipfel ohne zusätzlichen Flaschensauerstoff bestieg. Die Liste der weiteren Rekorde ist lang – 1992 stand mit der Japanerin Junko Tabei die erste Frau auf allen Seven Summits, der Österreicher Christian Stangl war mit dem Besteigen aller sieben Gipfel der Schnellste (58 Stunden und 45 Minuten), der US-Amerikaner Jordan Romero war mit 15 Jahren der Jüngste und so weiter und so fort.
Derlei Eifer für Rekorde und Ambitionen sucht man bei einem anderen Gipfel vergeblich – seit der ersten „Weltklimakonferenz“ im Februar 1979 schleppen sich die Erfolge um den Schutz des Klimas mühsam dahin: In Rio de Janeiro schaffte man mit der Agenda 21 erstmals eine globale Klimarahmenkonvention, im Dezember 1997 folgte dann das Kyoto-Protokoll, das rechtlich verbindliche Ziele für Emissionshöchstmengen von Industrieländern festlegte Dann zog der Tross weiter, nach Buenos Aires, Bonn, Den Haag, Marrakesch, Neu Delhi, Montreal, Bali, Kopenhagen, Cancún und so weiter, bis schließlich das Übereinkommen von Paris die Nachfolge des Kyoto-Protokolls sicherte. Das war 2015 – es brauchte dann zwei weitere Jahre, bis in Bonn ein 200 Seiten langer Kompromiss für die Umsetzung des Pariser Abkommens erarbeitet wurde. Wow! Trippelschritte sind dagegen ein Höllentempo. Kein Wunder, dass die Generation, die ein solches Versagen ausschwitzen muss, allmählich die Geduld mit ihren Volksvertretern verliert, die wiederum vollkommen überrascht sind, wie wichtig den Menschen eine lebenswerte Erde ist. Wie kommt man sich wohl vor, als Präsident eines Landes, als UN-Generalsekretär, als Umweltministerin, als Manager großer Unternehmen, wenn man von einem 16 Jahre jungen Mädchen in seiner Popularität rechts überholt wird, wenn es ums Thema Klimaschutz geht? Das Nachrichtenmagazin Time hat Greta im letzten Jahr zur Person of the Year gewählt – und sie damit auf Augenhöhe mit Angela Merkel (2015), Barack Obama (2012), Johannes Paul II. (1994), Michail Gorbatschow (1989), dem Computer (1982), Willy Brandt (1970) und Martin Luther King (1963) gestellt. Viele Männer, wenige Frauen und einige Dinge, die Geschichte geschrieben haben (Donald Trump kam 2016 vermutlich versehentlich auf die Liste). Thunberg hat jedenfalls etwas bewegt, die Öffentlichkeit wachgerüttelt, den Druck bei den Anstrengungen zum Klimaschutz erhöht.
Doch der Protest ist noch nicht bei all jenen angekommen, an die er gerichtet ist. Das hat nun Ma-drid gezeigt – ein Gipfel mit sogenanntem „Minimalerfolg“, eine mühsam erarbeitete Einigung, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Einzig Polen zieht nicht mit. Aber auch für dieses Land gilt: Bis 2030 haben wir noch Zeit, die Erderwärmung durch entsprechendes Handeln auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Bis 2050 ist es nicht mehr lange hin – gerade mal dreißig Jahre. Genau die Zeit, die von 1989 bis 2019 ausreichte, um etwa die Hälfte des Kohlenstoffdioxids auszustoßen, das die Menschheit jemals in die Atmosphäre gepustet hat (SZ vom 14./15. Dezember: „Ernüchternder Gipfel“). Es gilt für den Klimaschutz das Gleiche wie für die Seven Summits: Jeder Gipfel zählt. Versteht die Klimakonferenzen endlich als Anreiz, nicht länger als Kompromisswettbewerb. Es steht nichts Geringeres als die Zukunft auf dem Spiel. Und die Glaubwürdigkeit nachhaltigen Handelns einer Generation, die um die Probleme weiß, die sie zu lösen hat. Das betrifft Politiker ebenso wie Pauschalreisende, Autofahrer und Konsumenten. Anreize finden sich auch wieder in diesem GEB – lesen Sie sich schlau.
Es winkt vom Gipfel des Mont Blanc:
Ihre Claudia Siegele