Was schätzen Sie: Wie hoch ist der Anteil der grauen Energie im Lebenszyklus eines Gebäudes? Eine Antwort gibt der Beitrag über den Einfluss des Materialkonzeptes auf die Gebäude-Energiebilanz (ab Seite 46): „In der Ökobilanzierung über 50 Jahre liegen im Gebäude ca. 40 % des Treibhauspotenzials und ca. 30 % des Primärenergiebedarfs in der grauen Energie des Materials.“
Neubauten verschlingen also viel Energie. Ein großer Teil der Treibhausgasemissionen, die z. B. die Herstellung von Zement und Stahl verursacht, müsste ehrlicherweise in den Gebäudebereich einbezogen werden. Sie werden jedoch dem Industriesektor angerechnet.
Die während der Nutzungsphase eines Gebäudes erforderliche Energie wurde – bezogen auf die Fläche – seit der Einführung der EnEV erfolgreich reduziert. Nun sollte auch der Bedarf an grauer Energie, dessen prozentualer Anteil durch diesen Erfolg gestiegen ist, weniger werden.
Mit einer ressourcenschonenden Bauweise ließe sich der Aufwand für die Herstellung erheblich verringern. Sie ist aber nicht vorgeschrieben. Weder in der EnEV noch im GEG-Entwurf wird die Energie berücksichtigt, die für die Produktion der Baumaterialien, das Errichten des Gebäudes und die spätere Entsorgung erforderlich ist.
Eine längere Nutzungsdauer würde die Auswirkungen auf die Umwelt ebenfalls reduzieren. Förderlich wären beispielsweise langlebige, wartungsarme Bauteile und eine Planung, die spätere Nutzungsänderungen zulässt. Und weil davon auszugehen ist, dass eines Tages doch der Abriss ansteht, sollte ein möglichst großer Anteil der Materialien recycelbar sein.
Leider gibt es bislang keine Verpflichtung, die graue Energie zu bilanzieren. Eine ehrliche Betrachtung des gesamten Energie- und Ressourcenverbrauchs könnte ein Bewusstsein dafür schaffen, dass neben U-Werten und Primärenergiefaktoren auch die verwendeten Baustoffe von großer Bedeutung für die Energieeffizienz sind. Vielleicht würde sie bewirken, dass mehr Gebäude vom Abriss verschont bleiben und sich für Neubauten nachhaltigere Materialkonzepte durchsetzen.
Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen
Sabine Riethmüller