Am 7. November konnte man noch von einer heilen Energieberatungswelt sprechen. Meine Kollegin Pia Grund-Ludwig berichtete bei unserem digitalen Fachforum „Gebäudehülle im Fokus“ von den derzeit positiven Marktbedingungen und einem regelrechten Run auf die Beratung. Die Auftragslage war so gut wie selten, weil die Verunsicherungen sowohl bei Eigentümern als auch Mietern nach diesem kuriosen Jahr so groß wie schon lange nicht mehr sind. Das hat sich mit einem Schlag geändert.
Nicht, dass es keine Verunsicherung mehr gibt. Schlimmer, nur zwei Wochen später, am 21. November hat die Bundesregierung aufgrund der Haushaltssperre fast alle Förderprogramme für ökologische Heizungen und Gebäudesanierung sowie Energieberatung gestoppt, darunter:
Allein die Bundesförderung für effiziente Gebäude und die Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen sind übriggeblieben. Doch bleibt ungewiss, wie es im kommenden Jahr weitergeht.
Kein Wunder, dass der Energieberatungsverband GIH die Alarmglocken läutet. Er spricht von einer zunehmenden Verschärfung der wirtschaftlichen Situation. Viele Energieberatende – insbesondere junge Kolleginnen und Kollegen – kämpfen um ihre Existenz, da sie wegen der schleppenden Bearbeitung der individuellen Sanierungsfahrpläne durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bereits Außenstände von mehreren zehntausend Euro haben.Energieberatende berichten, dass Ende November Auszahlungen für Verwendungsnachweise aus den Monaten April erfolgen. Sprich: Arbeit aus dem ersten Quartal wird erst jetzt bezahlt.
Die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage untermauert eine Umfrage des GIH unter seinen Mitgliedern, an der sich rund die Hälfte der 4.000 GIH-Mitglieder beteiligt hat: Zwei Drittel der Antwortenden sehen für sich eine Bedrohung ihrer Existenz. Bei fast einem Viertel der Befragten kommen 60 bis 80 Prozent der Umsätze aus der Energieberatung für Wohngebäude und aus individuellen Sanierungsfahrplänen. Bei immerhin jedem fünften Energieberatenden handelt es sich um Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger, für die die jetzige Situation besonders gravierende Auswirkungen haben dürfte. Der Umfrage zufolge sieht die Branche mindestens 3.700 Arbeitsplätze gefährdet.
Denn die Auftragslage hat sich bereits deutlich verschlechtert. „Aufgrund der großen Verunsicherung bei der Kundschaft gibt es inzwischen auch Stornierungen“, schreibt ein Umfrageteilnehmer. Ein Viertel der Antwortenden sind nur noch für einen Monat mit Aufträgen ausgelastet, lediglich ein Fünftel hat noch Aufträge über das Jahr hinaus. Im Juli sah das noch anders aus: Bei unserer Frage des Monats bezeichneten drei von vier Teilnehmenden ihre Auftragslage als gut oder sehr gut.
Die Bundesregierung reagiert auf die Krise bei den Staatsfinanzen mit einem Sparprogramm. Finanzminister Christian Lindner will die Ausgaben vor allem bei den Sozial- und Umweltprogrammen senken. Dabei bräuchte es gerade nichts weniger als eine Investitionsoffensive, um die wirtschaftliche Entwicklung und die Modernisierung von Industrie und Gebäudesektor voranzutreiben. Was wir benötigen ist nicht eine Schuldenbremse, sondern das Lösen dieser Investitionsbremse.
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