Wie ist in eurem Segment im Moment die Stimmung der Fachleute und Unternehmen?
Joachim Berner: Bei den erneuerbaren Energien muss man unterscheiden. Die Pelletsbranche setzt auf die stark verbesserte Förderung ihrer Heizungen, um sich von dem Antragsdesaster aus dem vergangenen Jahr erholen zu können. Die Wärmepumpenindustrie dagegen blickt auf ihr erfolgreichstes Jahr zurück, befürchtet in diesem Jahr aber angesichts verunsicherter Verbraucher:innen einen Rückgang. Und die Solar-
thermie gleitet weiterhin unterm Radar, weil ihr die Lobby fehlt.
Pia Grund-Ludwig: Bei den Energieberaterinnen und Energieberatern hat lange große Verunsicherung geherrscht. Die Förderung der Energieberatung lag seit November auf Eis. Das Vertrauen in die Stabilität der Rahmenbedingungen ist nicht mehr da.
Alexander Borchert: Wer sich auf die chronisch unterförderte Gebäudedämmung spezialisiert hat, ist Kummer gewohnt, doch die Einbrüche 2023 waren nicht mehr lustig. Aber was soll man erwarten, wenn eine Bundesbauministerin der Branche in den Rücken fällt und den zeitgemäßen Wärmeschutz als zu teuer und nicht nachhaltig diffamiert. Da braucht es nicht einmal mehr das bekannte Auf und Ab, An und Aus bei den Fördermaßnahmen. Das Argumentieren für eine nachträgliche Dämmung wird so fast unmöglich.
Wo sind Veränderungen notwendig?
Alexander Borchert: Eine angemessene finanzielle Unterstützung der Maßnahmen an der Gebäudehülle ist überfällig. Aber damit ist es nicht getan. Wenn es Klara Geywitz und anderen so leichtfällt, das Dämmen schlechtzureden, deutet das auf ein fehlendes Verständnis der bauphysikalischen Zusammenhänge hin. Es muss endlich ein breites Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass mangelhafter Wärmeschutz (und Hitzeschutz) die Gesundheit gefährden kann. Damit sich Energieberatende beim Termin vor Ort nicht mehr den Mund fusselig reden müssen.
Joachim Berner: Die Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz müssen enden. Und das Handwerk, und damit meine ich vor allem die Verbände, sollten ihren Fokus auf die modernen ökologischen Heizungslösungen richten und sie offensiv propagieren.
Pia Grund-Ludwig: Es muss auf jeden Fall mittelfristig wieder Klarheit geben über das Förderregime. Was derzeit am meisten schadet in Kommunikation und Umsetzung, ist aus meiner Sicht das Hin und Her. Das verunsichert die Beratenden, aber auch die Bauherren.
Wo erwartet ihr wichtige Innovationen, auch bei den anstehenden Messen und Veranstaltungen?
Pia Grund-Ludwig: Ich sehe die Digitalisierung als eine zentrale Stellschraube, mit der Energieberatende ihre Arbeit verbessern können und wollen. Ein Beispiel dafür: Die Optimierung des digitalen Aufmaßes. Neue Tools dafür wurden in unserer Signal-Gruppe Berufseinstieg ausführlich diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht. Auch die klassischen Softwareanbieter legen bei Themen wie Urban Mining nach. Da bin ich wirklich sehr gespannt, was das Jahr 2024 bringen wird.
Alexander Borchert: Auch ich sehe die Digitalisierung bei der Gebäudeanalyse als eine große Hilfe in der Beratung. Häuser schnell und umfänglich „durchleuchten“ zu können ist eine Hauptvoraussetzung, um die anstehenden Maßnahmen erklären zu können. Und apropos digital: sommerlicher Hitzeschutz durch smart geregelte Verschattung ist überlebenswichtig. In diesem Bereich dürfte es weitere Innovationen geben. Ansonsten erwarte ich Neuentwicklungen im Bereich der Dämm-Materialien und -Verfahren. Solche, die die Nachrüstung noch einfacher und unkomplizierter machen. Denn hier scheuen immer noch viele den vermeintlich hohen Aufwand.
Joachim Berner: Ich erhoffe mir komfortable Lösungen für Hybridsysteme ohne fossilen Part und wünsche mir, dass die PVT-Technologie an Bekanntheit gewinnt. Ich erwarte aber vor allem viele neue Wärmepumpen für die Sanierung und natürlich (solar-)elektrische Heizprodukte. Das Thema Infrarot wird ja gerade heiß diskutiert. Bringt aber auch nur was, wenn Sonne und Wind den Strom liefern.
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Ihr GEB Redaktionsteam