Inmitten des Pankower Florakiez projektierte die Baugruppe „Himmel und Erde“ vor rund drei Jahren auf einem ehemaligen Bahngrundstück eine L-förmige Blockrandbebauung aus sechs Mehrfamilienhäusern. An der Planung der fünf- bis sechsgeschossigen Hausgruppe, die über Eck einen rund 3 000 m2 großen Gemeinschaftsgarten umschließt, waren sechs Architekturbüros beteiligt. Lange bevor die ersten Bagger anrückten, regte sich heftiger Widerstand im Kiez gegen das Projekt, für das teilweise eine angestammte und beliebte Kleingartenanlage geopfert werden musste. Zudem argwöhnten die Bewohner des Viertels, dass mit dem Neubau, der rund 70 Baufamilien eine neue Heimat ermöglichen sollte, die Spekulation im Quartier angeheizt wird. Die Angst war groß, dass nun auch in dieser beschaulichen Ecke von Berlin-Pankow die Mieten durch die Decke schießen und weitere Neubauten und Edel-sanierungen das liebgewonnene Gesicht des Kiezes entstellen.
Kampf um die grüne Oase
Doch die Klagen und Wehrhaftigkeit der engagierten Bürger blieben am Ende erfolglos – die Baugruppe setzte sich durch und verwirklichte ihr Vorhaben im letzten Jahr mit ansehnlicher Architektur und einem leider etwas ideenlos gestalteten Wohnhof mit großer Rasenfläche und nüchternem Spielplatz – aus Sicht der Pankower Anwohner kein wirklicher Ausgleich für die 16 abgeräumten Kleingartenparzellen. Inzwischen längst fertiggestellt und bezogen, trauern viele Anwohner immer noch dem gestutzten Kleingartenareal nach und sehen in dem als „Ökoprojekt mit Weitblick“ angepriesenen Neubau mit KfW 55-Standard keine nachhaltige Aufwertung ihres Kiezes.
Die Angst vor Überfremdung und der Protest gegen die sich ausbreitende Gentrifizierung der vertrauten Quartiere sind nachvollziehbar und mögen vielerorts auch berechtigt sein – das krampfhafte Festhalten an den gewachsenen Strukturen wird die Metamorphose von Deutschlands Hauptstadt aber nicht aufhalten können, deren Charme und Attraktivität paradoxerweise gerade von dem Milieu genährt wird, das Investoren in ihrem Goldrausch oft nicht wahrnehmen und ihm durch das Anheizen der Wohnkosten die Grundlage entziehen.
Kein 08/15-Konzept
Eine Baugemeinschaft wie „Himmel und Erde“ sollte gegenüber derlei kapitalistischem Gehabe unverdächtig sein, steht hier doch die Eigennutzung im Vordergrund, verbunden mit dem Engagement, gemeinsam das finanzielle Risiko von der Planung bis zum Bezug des Projektes zu tragen. Spekulationsgedanken weist die Baugruppe jedenfalls weit von sich.
Wie auch immer: Das gemeinsame Stemmen der vielen Hürden und Probleme schweißt so eine Baufamilien-Gruppe zusammen und passt weitaus besser zu dem Milieucharakter eines Kiezes als ein möglichst kostengünstig dahin gestellter Bauklotz. Dieselben gibt es bekanntlich zuhauf: Vom Bauträger oder Investor sauber filetiert an die meistbietende Käuferschaft abgegeben, die erstmals beim Einzug den Kiez zu Gesicht bekommt und sich dann mehr oder weniger gut integriert.
So verwundert es schlussendlich auch nicht, dass das Wohnprojekt „Himmel und Erde“ keine 08/15-Lösung ist. Was dem Gebäudekomplex mit traumhaftem Ausblick in den oberen Etagen an gestalterischer Finesse fehlt, machen die funktionalen Grundrisse und vor allem das energetische Konzept wett, das zeigt, dass auch große Gebäude in einer Metropole wie Berlin kostengünstig mit erneuerbarer Wärme versorgt werden können.
Kern der Überlegungen ist die sogenannte GeoHybrid-Anlage (Abb. 1), mit der die 70 Wohnungen ökologisch mit Erdwärme beheizt und gekühlt werden. Und das – soweit man das schon abschätzen kann – zu einem sagenhaft attraktiven Wärmepreis von nur rund 3,4 Cent / kWh!
Gewusst wie – mit Sonne und Geothermie
Die Anlage kombiniert 20 Erdwärmesonden mit einem Blockheizkraftwerk (Abb. 2), das gleichzeitig den Strombedarf der Wärmepumpen deckt. „Durch das innovative Energiekonzept sparen die Bewohner gegenüber einer Gasbrennwertheizung dauerhaft rund 50 Prozent der sonst anfallenden Heizkosten“, erläutert Dr. Nikolaus Meyer, Geschäftsführer des Berliner Unternehmens Geo-En, das die Anlage plante und realisierte. Auch die Umwelt profitiert, denn die klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen wurden halbiert.
Die Anlage dient nicht nur zur Beheizung, sondern auch zur Kühlung – ein besonderer Komfort für die Bewohner. Und das quasi zum Nulltarif! „Sommerliche Kühlung wird angesichts des Klimawandels immer wichtiger“, so Meyer. Die abgeführte Wärme aus den Wohnungen wird zur Warmwasserbereitung und zur Regeneration der Erdwärme genutzt. Zusätzlich laden solarthermische Absorber auf dem Dach (Abb. 3) im Sommer die Erdwärmesonden auf. Die Geothermie-Anlage ist damit zugleich ein saisonaler Speicher der Sonnenenergie.
Mit diesem zukunftsweisenden Energiekonzept erfüllte der Neubau in Berlin-Pankow die Vorgaben der EnEV 2016, lange bevor diese in Kraft getreten war. „Die neuen Anforderungen sind ohne Umweltwärme nur noch mit hohen Mehrkosten zu erfüllen“, ist Dr. Martin Sabel vom Bundesverband Wärmepumpe überzeugt.
Bauherren, die mit Gas heizen möchten, müssten zum Beispiel zusätzlich eine Solarthermieanlage und eine Wärmerückgewinnungsanlage einbauen, um die Anforderungen zu erfüllen, so Sabel. Und weiter: „Die Wärmepumpe genügt den neuen Anforderungen aufgrund ihrer herausragenden Energieeffizienz auch als alleinstehende Technik.“
„Die Anlage zeigt einmal mehr, welche Potenziale in oberflächennaher Geothermie stecken“, fasst Meyer zusammen. Auch die Politik setzte deshalb verstärkt auf Geothermie. Erst im November hat die vom Berliner Abgeordnetenhaus eingesetzte Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ in ihrem Abschlussbericht ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen, um den Ausbau der Geothermie zu forcieren.
Energetisches Konzept
Die Hybrid-Anlage versorgt die 70 Wohnungen des Wohnkomplexes in Berlin-Pankow effizient und wirtschaftlich mit Wärme und Kälte. Als Energiequelle dienen Erdwärme und die Sonne. Im Winter nutzt die Wärmepumpe die Energie der Erdwärmesonden zum Heizen. Die Geothermie-Anlage dient zugleich als saisonaler Speicher der Sonnenenergie, denn die solarthermischen Absorber auf dem Dach laden über die Sommermonate das Erdreich unter den Gebäuden über die Erdwärmesonden wieder auf. Zudem werden die Wohnungen im Sommer passiv gekühlt. Die gesamte Anlage ist durch das integrierte Blockheizkraftwerk (BHKW) energieautark, denn dieses liefert den benötigten Strom und steht als zusätzliche Wärmequelle bereit.
Geo-En – Energy Technologies
Das Berliner Unternehmen Geo-En wurde 2007 gegründet und bietet geothermische Komplettlösungen für die Energieerzeugung in Wohnanlagen, von Siedlungen und Gewerbebauten an. Anders als bei konventionellen Geothermie-Lösungen nutzt Geo-En durch eine weitläufige Grundwasserzirkulation ein großes unterirdisches Gebiet – die Erdwärme steht dem System direkt zur Verfügung, und das bei nur einer Bohrung. Das Prinzip des offenen Zirkulationsystems mit den Basistechnologien Aktivsonde, Integralsonde und Koaxialsonde ist sehr effizient, braucht wenig Platz, wirkt sich nur minimal auf die Umwelt aus und überzeugt durch eine hohe Langzeitstabilität. Das hoch qualifizierte Team aus Geologen, Ingenieuren, Projektmanagern, Planern, Betriebswirten und EDV-Spezialisten kann inzwischen auf Erfahrungen aus mehr als 400 Geothermie-Projekten zurückgreifen. Um jedes Projekt individuell und passgenau konzipieren zu können, arbeitet das Unternehmen mit Architekten, Heizungs- und Klimaspezialisten, Energieberatern, Brunnenbauern und Wärmepumpenherstellern zusammen. Geo-En betreut Projekte in Deutschland, Europa und Übersee. Weitere Infos unter www.geo-en.de, info@geo-en.de