Die Studie wurde im Auftrag des Bündnisses „Soziales Wohnen“ erstellt. Darin arbeiten der Deutsche Mieterbund (DMB), die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP), die Bau-Gewerkschaft (IG BAU) sowie die Bundesverbände der Mauerstein-Industrie (DGfM) und des deutschen Baustoff-Fachhandels (BDB) zusammen.
Die Experten von Pestel Institut und ARGE Kiel stellen nicht nur fest, dass es aktuell zu wenig Wohnungen gibt. Sie warnen außerdem davor, dass sich die Lage weiter verschärft, weil der Wohnungsbau dramatisch zurückgeht.
Während die Bundesregierung ein Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgegeben hat, wurden 2024 voraussichtlich nur 250.000 gebaut. Das dürfte sich kaum ändern, denn auch die Zahl der Baugenehmigungen geht zurück. Im 3. Quartal 2024 waren es nur 50.000.
Neben dem zu geringen Zubau von nur 23.000 neuen Wohnungen fallen zudem viele bestehende Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung, sodass der Bestand trotz Neubauten weiter schrumpft. Derzeit gibt es in Deutschland nur noch rund 1,1 Millionen Sozialwohnungen – 1987 waren es noch vier Millionen. Die Hälfte der 23 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland hätte Anspruch auf eine Sozialwohnung.
Als einen der Gründe für den schleppenden Neubau von Sozialwohnungen nannte Matthias Günther, Institutsleiter des Pestel Instituts, den Flickenteppich bei Regularien und Förderprogrammen. Viele Wohnungsbauunternehmen seien in mehreren Bundesländern tätig und müssten sich deshalb ständig auf dem Laufenden halten über die Konditionen in den einzelnen Ländern.
Dabei fehlt es ausnahmsweise nicht am Geld. Der Bund hat sogar mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben als zuvor, drei Milliarden Euro waren es 2024. Trotzdem kamen am Ende weniger Sozialwohnungen heraus. „Deutschland baut Premium-Sozialwohnungen. Und die sind schlichtweg zu teuer. Es geht in guter Qualität auch deutlich günstiger“, erklärt Dietmar Walberg, Geschäftsführer der ARGE Kiel.
Derzeit lägen die Herstellungskosten für neue Wohnungen bei 4.400 Euro pro Quadratmeter aus den Kostengruppen 200 bis 700. Er fordert, stattdessen Sozialwohnungen nach einem Basisstandard zu bauen, der den energetischen Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes entspricht, aber zum Beispiel auf zusätzlichen Schallschutz verzichtet. Für den Schallschutz sei die DIN 4101-9:2018 einzuhalten. Für die elektrische Ausstattung schlägt Walberg die DIN 18015-2 / HEA Standard 1 vor.
Durch eine optimierte Konstruktion könne man außerdem die benötigten Baustoffe um zu 40 Prozent reduzieren. Auch das sei aktiver Klimaschutz. Dabei dürfe aber die Baukultur nicht zu kurz kommen, um Bewohnerinnen und Bewohner von Sozialwohnungen nicht zu stigmatisieren. Zur nicht förderfähigen Ausstattung gehört für Walberg die Wärmerückgewinnungsanlage einer Lüftungsanlage.
Der Verzicht auf ambitionierte energetische Standards im Neubau hätte aber Konsequenzen für künftigen Mieterinnen und Mieter, die die dann höheren Heizkosten tragen müssten. Dieser Aspekt kam in der Pressekonferenz nicht vor.
Das Bündnis schlägt basierend auf der Studie fünf zentrale Maßnahmen vor:
1. Sozialwohnungsregister und Zielvereinbarungen: Es fehlt eine zentrale Übersicht über den Bestand und Bedarf an Sozialwohnungen. Ein bundesweites Register soll Abhilfe schaffen. Zudem sollen verbindliche Zielvorgaben für Bund, Länder und Kommunen eingeführt werden.
2. Verfassungsrechtliche Absicherung der Förderung: Damit Sozialwohnungsbau langfristig gesichert ist, braucht es einen dauerhaft abgesicherten Sozialwohnungsbaufonds mit mindestens elf Milliarden Euro pro Jahr. Diese Förderung soll nicht mehr von kurzfristigen politischen Entscheidungen abhängen.
3. Mehrwertsteuer-Senkung: Der Neubau von Sozialwohnungen soll steuerlich entlastet werden. Eine Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent könnte die Baukosten signifikant reduzieren.
4. Regelstandards für günstigen Wohnbau: Einheitliche Vorgaben für kostengünstiges Bauen müssen bundesweit festgelegt werden. Durch standardisierte und modulare Bauweisen können Kosten und Bauzeiten gesenkt werden.
5. Sozialquote bei der Wohnungsvergabe: Mindestens zehn Prozent der Sozialwohnungen sollten gezielt an besonders bedürftige Gruppen wie Alleinerziehende, Rentner mit geringen Einkommen oder Menschen mit Behinderungen vergeben werden.
Die Dringlichkeit dieser Maßnahmen würde durch den demografischen Wandel und die steigende Zuwanderung verstärkt, erklärt das Bündnis. In den kommenden Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente, viele von ihnen mit niedrigen Renten. Sie sind vermehrt auf günstigen Wohnraum angewiesen. „Gleichzeitig benötigt Deutschland durch den Fachkräftemangel gezielte Zuwanderung, wodurch die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen zusätzlich steigt“, erläutert Günther. Quelle: Bündnis Soziales Wohnen / pgl
Hören Sie zu den Forderungen zu Neubau und Sanierung an eine künftige Bundesregierung auch unsere Podcast-Episode zur Bundestagswahl mit DEN- Vorstandssprecherin Stefanie Koepsell und GIH- Bundesgeschäftsführer Benjamin Weismann