Am Freitag steht die EnEV der Bundesregierung im Bundesrat auf der Tagesordnung. Die Verordnung kann erst in Kraft treten, nachdem die Länderkammer ihr zugestimmt hat. Sang und klanglos wird das nicht ablaufen, es sei denn, hinter den Kulissen werden in den verbleibenden Tagen noch Kompromisse gefunden. Die sind dringend erforderlich, denn eine 32-Seiten starke Empfehlung des federführenden Ausschusses für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung sowie des Finanzausschuss, des Ausschuss für Kulturfragen, des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und des Wirtschaftsausschusses sind ein wahres Minenfeld.
Komplette Wahlfreiheit
Die Empfehlung sieht vor, dass in §17 „Grundsätze des Energieausweises“ in Abs. 2 die Sätze 2 bis 4 zu streichen sind. Damit würde die Bedarfsausweispflicht für ältere Gebäude mit weniger als 5 Wohneinheiten entfallen. Für alle Gebäude bestünde dann völlige Wahlfreiheit zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis. Der Bauausschuss, der dies beschlossen hat, macht dazu geltend, nur so werde die EU-Gebäuderichtlinie 1:1 umgesetzt.
Damit wäre der von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel eingebrachte Akzent und Kompromissvorschlag, der überhaupt erst wieder Bewegung in die EnEV-Novellierung gebracht hatte, komplett gestrichen. Seine Zustimmung für die EnEV damit wohl ebenfalls. Pikanter Weise könnte Gabriel ausgerechnet Bundeswirtschaftsminister Michael Glos zur Seite stehen. Der bisher schärfste Gegner von allzu viel Bedarfsausweis. Im Freistaat Bayern tritt man nämlich zwischenzeitlich stärker für den Bedarfsausweis ein. Glos würde deswegen aus parteipolitischen Gründen zumindest stillhalten.
Auch Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee müsste sich eine überzeugende Argumentation zurechtlegen, um der Demontage des Koalitionskompromisses zuzustimmen. Tiefensee hatte dem Druck der Wohnungswirtschaft als erster Minister nicht Stand gehalten und die Wahlfreiheit „erfunden“. Ganz wohl war ihm dabei wohl nie. Auf jüngeren Veranstaltungen sind immer wieder Äußerungen von ihm zu hören, dass sich der Bedarfsausweis wohl in der Mehrzahl der Fälle aufgrund seiner Vorteile durchsetzen werde.
Falls die beiden Sätze in §17 nicht gestrichen werden, sieht die Empfehlung in einer anderen Ziffer vor, die generelle Wahlfreiheit bis zum 1. Oktober 2008 zu verlängern.
Erweiterter Ausstellerkreis nach Länderrecht
Ziffer 7 will in §21 „Ausstellungsberechtigte für bestehende Gebäude“ ergänzen, dass zur Erstellung von Energieausweisen und von Modernisierungsempfehlungen auch Personen berechtigt werden sollen, die nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften der Länder zur Unterzeichnung von bautechnischen Nachweisen des Wärmeschutzes oder der Energieeinsparung bei der Errichtung von Gebäuden berechtigt sind.
Was ganz plausibel klingt, weil beispielsweise das Landesrecht in Bayern erweiterte Regelungen für Handwerksmeister des Bau- und Zimmererfachs kennt, ist trotzdem brisant. Ein derartiger „gleitender Verweis“ auf Landesrecht dürfte dem Grundgesetz widersprechen. Hierauf haben die Vertreter der Bundesregierung in den Ausschussberatungen klar – allerdings vergeblich – hingewiesen. Also würde im Bundeskabinett zwangsläufig auch die Stimme der Justizministerin Brigitte Zypries fehlen. Die nach anderen Empfehlungen zu streichenden Bußgeldandrohungen, die bei der EU-Kommission auf Missfallen stoßen werden, dürften Zypries aufgrund europäischen Rechts ebenfalls keine Wahl lassen.
Ausweise sollen später Pflicht werden
Mit dem Energieeinsparen und dem Klimaschutz hat man es in Deutschland offensichtlich nicht besonders eilig. In den Änderungsempfehlungen, fast könnte man meinen, die Wohnungswirtschaft wäre auch ein Ausschussmitglied, sind die Fristen zur Einführung der Energieausweise jeweils gegenüber der schon sehr großzügigen Kabinettsvorlage um weitere sechs Monate nach hinter verschoben. Genau dies hatte die Wohnungswirtschaft nach dem Kabinettsbeschluss gefordert.
Zur Erinnerung: Der eigentliche Umsetzungstermin in der EU-Gebäuderichtlinie war der 4. Januar 2006. Geht es nach dem Empfehlungspapier, würde die erste Übergangsfrist am 1. Juli 2008 mit 18 Monaten Verspätung ablaufen. Sich an anderer Stelle auf eine 1:1-Umsetzung zu berufen, erscheint da schon recht widersprüchlich. Vor den Kopf gestoßen dürften sich dadurch alle die fühlen, die viel Geld und Zeit in ihre Ausstellerqualifikation investiert haben und seit dem auf Aufträge warten. Planungssicherheit scheint nur für die zu gelten, die laut danach schreien.
Die Begründung der Ausschüsse ist haarsträubend: „Mittlere oder schlechte energetische Qualitäten werden mittelfristig zu entsprechenden Wertabsenkungen führen […]. Daher liegt es im Interesse eines jeden Immobilieneigentümers, mit dem zu beauftragenden Energieausweis möglichst gute energetische Qualitäten attestiert zu bekommen. Dieses setzt […] in vielen Fällen eine vorherige energetische Sanierung des Gebäudes voraus. Gerade bei Außenarbeiten an Fassade, Dach, Fenstern und Türen, aber auch bei Sanierungen der Heizungssysteme, ist dafür witterungs- und temperaturbedingt die warme Jahreszeit als Ausführungsdatum notwendig. Gerade unter Berücksichtigung der anstehenden Sommerferien wird es im handwerklich ausführenden Bereich zu entsprechenden Auftragstaus kommen, bevor energetische Sanierungen durchgeführt werden können […]“
Solch eine Wirkung der Energieausweise hatte bisher selbst die größten Optimisten nicht erwartet.
Integration eines Wärmegesetzes
Eine echte Überraschung sind die Ziffern 21 bis 23, für die nur der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eintritt. Auf Basis der letzten Umweltministerkonferenz wird dem Bundesrat empfohlen, die Bundesregierung in einer Entschließung aufzufordern, „möglichst rasch“ die Höchstwerte des zulässigen Primärenergiebedarfs sowie der zulässigen Transmissionswärmeverluste für den Neubau um mindestens 30% zu verringern, sowie die bauteilbezogenen Wärmedurchgangskoeffizienten auf Basis des wirtschaftlich Angemessenen anzupassen.
Weiter soll die Bundesregierung aufgefordert werden, im Rahmen einer künftigen Novellierung der EnEV in §5 bei Neubauten und bei der Heizungserneuerungen eine Mindestdeckungsrate von 20% der Endenergie durch erneuerbare Energien verpflichtend vorzuschreiben. Dieser Pflichtanteil soll alternativ über Wärmerückgewinnung, Erd- und Umweltwärme und Abwärme (darunter würde auch KWK-Abwärme fallen) bzw. durch einen um 20% niedrigeren Jahresprimärenergiebedarf erfüllt werden können.
Außerdem soll der Bundesrat die Bundesregierung auffordern, durch eine verlässliche Förderung mit ausreichenden Anreizen zur Investition in erneuerbare Energien im Wärmemarkt, Sorge zu tragen.
Tücke im Detail
Die Energieeinsparverordnung ist ein bereits hochkomplexes Regelwerk. Die letzten Meter scheint sie nun allerdings unter besonders chaotischen Verhältnissen zurückzulegen. Kenner der Szene können sich an keinen vergleichbaren Fall erinnern. Zurzeit wird noch gerungen, um die Empfehlungen für die Bundesregierung annehmbar zu machen. Letztendlich können im Bundesrat noch alle oder einige der Empfehlungen abgelehnt, angenommen oder auch verändert werden. Erfolgt die Zustimmung mit Änderungen, kann die Bundesregierung diese Änderungen nur als Ganzes annehmen und dann die Verordnung verkünden. Erscheint ihr nur eine einzige Empfehlung nicht annehmbar, dann ist die ganze Verordnung gescheitert. Sie müsste dann vom Bundeskabinett völlig neu beschlossen und wieder beim Bundesrat neu eingebracht werden. GLR
Link zu den Empfehlung an den Bundesrat
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ENEV