Hier erhalten Sie den EnEV-Referentenentwurf inkl. amtlicher Begründung (157 Seiten, 790 KB).
Stolze 317 Tage nach dem eigentlichen Termin für die nationale Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie liegt nun zumindest der EnEV-Referentenentwurf vor. Vergleicht man ihn mit der Glos/Tiefensee-Version aus April, fragt man sich schon: Warum nur so viel Zeit? Denn viel oder gar substanziell geändert wurde nicht. Positiv zu bemerken ist, dass man die politischen Verzögerungen nicht einfach auf die Einführung aufgeschlagen hat, sondern in der Überleitungsvorschrift (§ 29) kurze Fristen für den Energieausweis im Bestand vorgesehen hat:
- Zugänglich machen bei Verkauf, Vermietung oder Leasing: Wohngebäude bis Baujahr 1965 ab dem 1. Januar 2008, später errichtete Wohngebäude ab 1. Juli 2008. [April-Version: 6 Monate bzw. 18 Monate nach Inkrafttreten]
- Zugänglich machen bei Verkauf, Vermietung oder Leasing von Nichtwohngebäuden: Ab dem 1. Januar 2009. [April-Version: 24 Monate nach dem Inkrafttreten]
- Ausstellen und Aushängen bei Behörden und öffentlich zugänglichen Dienstleistungsgebäuden: Ab dem 1. Januar 2009. [April-Version: 24 Monate nach dem Inkrafttreten
Ob die kurz getakteten Fristen die Anhörungsphase überstehen, muss nun noch abgewartet werden. Bei den bremsenden Lobbyverbänden werden sie vermutlich auf wenig Gegenliebe stoßen. Obwohl man sich dort schon das eine oder andere Mal in internen Gruppen gern damit brüstet, im Rahmen der EnEV-Novellierung mehr erreicht bzw. mehr verhindert zu haben als man ursprünglich erhofft habe. Wohnungsunternehmen und -eigentümer, die sich von der aggressiven Politik ihrer Verbände weniger in die Irre leiten lasen, werden mit ihrem Einstieg beim Ausstellen von Energieausweisen allerdings schon deutlich vor den verordnungsrechtlichen Fristen beginnen, um nicht aufgrund hoher Nachfrage ab 2008 Wartezeiten, höhere Preise und Qualitätsabstriche in Kauf nehmen zu müssen.
Bedarfsausweis und Verbrauchsausweis
Besonders bedauerlich ist, dass man sich im Referentenentwurf (bzw. in der Abstimmung der Ministerien) nicht auf eine generelle Bedarfsausweispflicht für kleine Gebäude verständigen konnte. Da in vielen Ein- und Zweifamilienhäusern die Ausstellung des als sehr preisgünstig suggerierten Verbrauchsausweises gar nicht möglich und auch in der Realität kaum preisgünstiger ist, werden die Energieberater und andere Ausweisaussteller hier zunächst viel und teure Überzeugungsarbeit für den Bedarfsausweis leisten müssen.
Im Referentenentwurf sind Bedarfs- und Verbrauchsausweis generell gleichgestellt. Für Wohngebäude gilt bei Verkauf, Vermietung, Verpachtung und Leasing in weiten Bereichen Wahlfreiheit, mit folgenden Regelungen/Ausnahmen:
- Für Wohngebäude mit bis zu vier Wohneinheiten, die auf der Grundlage der 1. Wärmeschutzverordnung (Inkrafttreten am 1. November 1977) oder später errichtet wurden, besteht Wahlfreiheit zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis.
- Für Wohngebäude mit mehr als vier Wohneinheiten, egal welchen Baujahres, gilt ebenfalls Wahlfreiheit.
- Für Wohngebäude mit bis zu vier Wohneinheiten, die vor Geltung der 1. Wärmeschutzverordnung errichtet wurden, ist der Bedarfsausweis zu verwenden. Ausgenommen sind Wohngebäude aus dieser Zeit, die entweder schon bei der Baufertigstellung den energetischen Stand der ersten Wärmeschutzverordnung von 1978 aufwiesen oder durch Modernisierungsmaßnahmen auf diesen Stand gebracht wurden. In diesen Fällen besteht ebenfalls Wahlfreiheit.
Ob sich auf Basis des Referentenentwurfs die Einschätzung von Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee „der Bedarfsausweis wird sich durchsetzen“ erfüllt, bleibt noch abzuwarten. Er hätte jedenfalls mehr für seine Überzeugung tun können. Denn wenig konsistent ist, dass er das eine sagt und gleichzeitig etwas anderes in der Verordnung zulässt. Nun muss umständlich und kostenintensiv jeder Verbraucher einzeln überzeugt werden. Der Bund macht es sich da einfacher: Wer Fördergelder zur Gebäudemodernisierung von ihm will, muss nach einer Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee ohnehin die Bedarfsvariante vorlegen. Die Transparenz eines Verbrauchsausweises reicht dem Fördergeldgeber offensichtlich nicht aus. Warum er ihn dann den Mietern zumutet, wurde bisher nur mit Kosten auf der Basis unrealistischer Schätzungen begründet.
Im Ein- und Zweifamilienhaus in der Verordnungsvariante gänzlich ungeeignet und ohnehin kaum kostengünstiger als ein Bedarfsausweis, ist der Verbrauchsausweis aber auch für Gebäude mit vielen Wohneinheiten nicht attraktiv: Einen Verbrauchsausweis nach einer Modernisierung neu auszustellen, würde zudem viel Geduld erfordern. Mindestens drei aufeinander folgende Abrechnungsperioden sind für einen Verbrauchsausweis auszuwerten. In größeren Mehrfamilienhäusern ist das gar nicht denkbar, weil in diesem Zeitraum schon häufig ein Wohnungswechsel erfolgt und der bisherige Ausweis mit der Modernisierung ungültig wird. Ohnehin erfordern die meisten Modernisierungen grundsätzlich das Ausstellen einen Bedarfsausweises. Und sind die Gebäudedaten erst einmal in einem Bewertungsprogramm verfügbar, ist der Bedarfsausweis auf alle Zeit die kostengünstigere und einfachere Variante.
Was ist neu, was ist geblieben?
- Der Referentenentwurf sieht schon wie in der April-Version vor (§ 18 Abs. 2): „Der Eigentümer kann die erforderlichen Gebäudedaten bereitstellen; der Aussteller darf diese seinen Berechnungen nicht zugrunde legen, soweit sie begründeten Anlass zu Zweifeln an ihrer Richtigkeit geben.“ Was bisher in Branchenkreisen als „mit dem Sinn der Gebäuderichtlinie als unvereinbar“ und zudem haftungsrechtlich brisant gilt, könnte ggf. eine neue Dimension bekommen. Denn aus dem Referentenentwurf wurde § 27 Ordnungswidrigkeiten mit dem Verweis herausgenommen: „Die Bewehrung einzelner Rechtspflichten der Verordnung soll im weiteren Verfahren erörtert und ausformuliert werden.“
- Modernisierungsempfehlungen: Keine Änderungen gegenüber dem April-Entwurf. Für beide Ausweise sind sie gebäudespezifisch vorgeschrieben. Sie sind vom Aussteller eigenhändig zu unterschreiben.
- Ausstellungsberechtigte: Keine Änderungen gegenüber dem April-Entwurf.
- Ein neuer § 30 „Übergangsvorschriften zu Nachrüstung bei Anlagen und Gebäuden“ wurde gegenüber dem April-Entwurf hinzugefügt. In ihm sind für die Säumigen und Ausgenommenen die Fristen zusammengefasst, die zwischenzeitlich ablaufen (Kesselaustausch, Dämmen von Rohrleitungen, Geschossdecken etc.)
Wie geht es auf dem amtlichen Weg weiter?
Vom Referentenentwurf bis zum Inkrafttreten der Energieeinsparverordnung ist es noch ein längerer Weg. Anders als in einigen Medien berichtet, wird die EnEV nicht direkt vom Bundestag begleitet. Das Energieeinsparungsgesetz in seiner Änderung von 2005 ( BGBL 1 Seite 2684 ) ermächtigt die Bundesregierung, eine entsprechende Verordnung zu erlassen. Allerdings muss sie noch durch den Bundesrat. Bis dahin sind noch diverse Verfahrensschritte erforderlich, in der Hauptsache:
- Anhörung der Verbände und kommunalen Spitzenverbände. Vermutlich gibt es dazu schon im Vorfeld eine „Klausurtagung“ mit den Ländern. Frühester Termin für die Anhörungen ist die 50. KW vom 11. bis 15. Dezember 2006.
- Die fachliche und politische Abstimmung inkl. Einarbeitung von Änderungen in den Entwurf ist kaum zu kalkulieren, weil sie von den Einwänden der Länder und Verbände abhängen wird. Die Kabinettvorlage könnte schon Ende Januar erledigt sein, sich aber auch durchaus zwei Monate länger hinziehen.
- Von der Kabinettvorlage bis zum Kabinettbeschluss dauert es rund zwei Wochen, danach erfolgt die Weiterleitung in die Bundesratsausschüsse. Im Optimum passiert dieses Mitte März. Die nächste erreichbare Bundesratsplenarsitzung wäre unter dieser Voraussetzung der 30. März 2007.
- Mit diesem Zeitplan wären eine Verkündung im Juni 2007 und das offizielle Inkrafttreten zum 1. September 2007 möglich. Bei Verzögerungen durch das Anhörungsverfahren ist ein Inkrafttreten erst Mitte Oktober 2007 zu erwarten. Da die Terminkette insgesamt „mit der heißen Nadel gestrickt“ ist, sind weitere Verzögerungen durchaus einzukalkulieren.
Bislang sieht der Referentenentwurf vor, dass die Verordnung drei Monate nach ihrer Verkündung in Kraft tritt (§ 31). Um den 1. Januar 2008 als Starttermin tatsächlich einzuhalten, muss jedenfalls ab jetzt schneller gearbeitet werden.
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