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Wände atmen nicht, deshalb dämmen

Die irrige Vorstellung hält sich hartnäckig: Werden Wände wärmegedämmt, können sie nicht mehr atmen, sodass feuchte Luft und Schimmel in der Wohnung drohen. Weit gefehlt: Intakte Wände sind immer luft- und winddicht – einen Luft- und Feuchteaustausch können sie daher nicht gewährleisten. Der Austausch von feuchter, verbrauchter Innenluft erfolgt im Wesentlichen durch das Öffnen der Fenster oder eine Lüftungsanlage. Schimmel an der Außenwand entsteht, wenn im schlecht gedämmten Altbau oder im baufeuchten Neubau zu wenig gelüftet wird. „Eine Dämmung der Außenwände vermindert sogar das Schimmelrisiko, da sie die Oberflächentemperatur der Wand erhöht“, erklärt Frank Hettler von Zukunft Altbau.

Irrglaube basiert auf einem Messfehler

Die Legende, die Dämmung von Fassaden würde den Luftaustausch behindern und Schimmel in der Wohnung begünstigten, gründet Hettler zufolge auf einem über 150 Jahre alten Messfehler. 1858 kam der Forscher Max von Pettenkofer nach einem Versuch zu dem Schluss, Ziegelwände seien atmungsfähig. Doch dabei irrte er. Denn ihm war bei seinem Experiment ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. In einem Büroraum hatte er alle Fugen zwischen den verschiedenen Bauteilen abgedichtet, etwa die zwischen Fenster und Wand. Danach nahm er eine Luftwechselmessung vor. Das Resultat: Die Daten unterschieden sich nicht wesentlich von der Messung vor der Abdichtung. Pettenkofer erklärte sich die Ergebnisse mit einem erheblichen Luftaustausch durch die Ziegelwände hindurch. Allerdings hatte er einen Ofen und seinen Rauchabzug nach draußen übersehen. Eventuell war auch die vorhandene Decke undicht, sodass Luft durch Fugen entweichen konnte.

Wände atmen nicht …

Bereits seit 1928 ist die These Pettenkofers, die er auch noch mit einem weiteren Versuch untermauern wollte, widerlegt. Der Physiker Ernst Raisch, der sich mit der Luftdurchlässigkeit von Baustoffen befasste, wies nach, dass der Austausch feuchter Innenluft nicht über die Wände erfolgt. Heute sind sich Baufachleute einig: Intakte Wände lassen praktisch keinen Luft- und Feuchtetransport zu. „Lässt eine Wand doch Luft durch, ist sie baufällig“, sagt Hettler. Die Abgabe von feuchter, verbrauchter Luft nach draußen erfolge fast ausschließlich über das Lüften oder über undichte Fenster. Letzteres sei besonders in unsanierten Häusern der Fall.

… aber manche Fenster

Alte Fenster lassen über undichte Fugen unkontrolliert Außenluft nach innen – im Winter allerdings im Verhältnis viel zu viel unnötige Heizwärme ins Freie. Neue Fenster haben dagegen in der Regel zwei Dichtungsebenen. Dadurch zieht es nicht mehr und warme Luft strömt nicht mehr unkontrolliert ins Freie. Andererseits muss die Wohnung dafür gezielt gelüftet werden. Geschieht das nicht, drohen dicke Luft und an schlecht gedämmten Bauteilen im schlimmsten Fall sogar Schimmel. Der gesundheitsschädliche Pilz wächst dort, wo warme, feuchte Raumluft auf kalte Oberflächen trifft, dort kondensiert und genug nährstoffreicher Untergrund existiert. Das ist der Grund, warum Dämmung der Schimmelbildung entgegenwirkt. Eine fachgerechte, durchgängige Wärmedämmung ohne Wärmebrücken vermindert das Schimmelrisiko, denn mit ihr steigt die Temperatur an den Innenseiten der Außenwände. Das wiederrum verhindert, dass sich Feuchtigkeit aus der Luft auf ihnen niederschlägt. Dämmen gilt deshalb als effektive Strategie gegen Schimmel.

Richtig lüften

Ganz auf der sicheren Seite ist, wer nach der Anbringung einer Dämmung und dem Einbau neuer Fenster regelmäßig lüftet. „Die Feuchtigkeit in der Luft wird am besten durch regelmäßiges Querlüften niedrig gehalten“, erklärt Hettler. Er empfiehlt, mindestens dreimal täglich für einige Minuten gegenüberliegende Fenster komplett zu öffnen. Als nützlich haben sich Hygrometer erwiesen, die den Luftfeuchtegehalt messen. Liegt der Wert längere Zeit über 60 Prozent, ist Lüften angesagt. Wem dies zu aufwändig ist, sollte sich eine automatische Lüftungsanlage zulegen. Denn mit ihr gelingt ein ausreichender Luftaustausch am effektivsten. Systeme mit Wärmerückgewinnung sparen außerdem wertvolle Heizenergie. Quelle: Zukunft Altbau / jb